Roman Polanski muss man sicherlich aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Natürlich ist es schwierig, sich eine Meinung über den Mann zu machen, ohne ihn oder die Umstände persönlich zu kennen - der Vorwurf der Vergewaltigung, wegen welcher er bereits seit den 70er Jahren Reisen in die USA vermeidet, um nicht ausgeliefert zu werden, scheint aber nicht einfach aus der Luft gegriffen zu sein. Mittlerweile wurde die Klage fallengelassen, Polanski drehte jedoch auch zuvor weiterhin Filme, weitestgehend in Europa... und dass er dies kann, ist, bei allen persönlichen Belangen, für die man ihn gerne abstrafen darf, nicht von der Hand zu weisen. So ist auch sein 2010 erschienener "Der Ghostwriter" erneut ein sehr ansehnlicher, angenehm ruhiger Thriller geworden.
DER GHOSTWRITER
Ein Autor, einzig als "Ghost" (Ewan McGregor) benannt, erhält von seinem Agenten und besten Freund Rick Ricardelli (Jon Bernthal) das Angebot, die Memoiren des ehemaligen britischen Premierministers Adam Lang (Pierce Brosnan) zu verfassen, nachdem der ursprünglich als Autor bereits ans Werk gegangene Mike McAra verstorben ist. Ghost nimmt das Angebot auch dank des enorm hohen Honorars an und reist in die USA, um dort mit Lang über den Zeitraum einen Monats zu sprechen, das bisherige Manuskript zu überarbeiten und neue Erkenntnisse zu gewinnen. Dort stößt Ghost jedoch schon bald auf Ungereimtheiten und stellt eine Verbindung zu den Anschuldigungen her, die Lang als Kriegsverbrecher hinstellen...
Mit "Der Ghostwriter" ist Roman Polanski ein durchgehend spannender Polit-Thriller gelungen, der sowohl auf aktuelle, brisante Themen Bezug nimmt als auch einen rein fiktiven Plot bietet, dem es nicht an Suspense mangelt. Hier kreiert Polanski klare Parallelen zum großen Alfred Hitchcock, lässt die Spannung nicht laut knallen, sondern sie den Zuschauer leise ereilen, über kleine Details und eine clever verwobene Handlung. Genre-übliche Längen sind natürlich auch dabei, machen die Sichtung besonders in der zweiten Hälfte ab und zu zu einer kleinen Geduldsprobe, doch dies konnte man bei einer Länge von über zwei Stunden auch bereits vorausahnen... Polanski ist eben ein Freund der ruhigen, dafür umso atmosphärischeren und dichteren Erzählweise, Action oder gar irgendeine Spur eines Spektakels müssen dabei, zum Glück, zurückstecken. Dafür haben wir genug Zeit, uns an den wunderbaren Aufnahmen zu erfreuen: Die Bilder eines menschenleeren Strandes, in welcher gar eine Art der Sicherheits-Festung zu stehen scheint, in welcher Adam Lang residiert, wissen zu gefallen und generell entwickelt Polanski weiterhin ein Gespür für eindringliche Aufnahmen - seine Kamerawinkel sind vortrefflich gewählt, der untermalende, beinahe altmodisch klingende Soundtrack tut dabei sein Übriges, um eine generelle Stimmung der latenten, aber niemals Überhand nehmenden Bedrohung zu erschaffen.
Das sieht schon alles sehr gut aus und wird auch von mehr als fähigen Darstellern getragen. "Haywire"-Star Ewan McGregor macht in der Hauptrolle eine starke Figur, spielt nuanciert und zurückhaltend, wie man es von ihm gewohnt ist, weswegen er in dem Part als etwas verbissener und neugieriger Autor, der auch mal die ein oder andere Grenze überschreiten möchte, mehr als überzeugend wirkt. Eine Idealbesetzung ist auch der ehemalige James Bond, denn Pierce Brosnan erschafft genau das richtige Bild eines zurückgezogenen, etwas selbstverliebten Politikers, der seine großen Geheimnisse auch zu Zeiten seiner überflüssigen, politisch fokussierten Memoiren bewahren möchte. Neben "The Walking Dead"-Star Jon Bernthal und dem ohnehin immer großartigen Tom Wilkinson in prägnanten Nebenrollen sticht jedoch eine Dame besonders heraus: "The Sixth Sense"-Star Olivia Williams liefert als Lang's Ehefrau eine grandiose Performance, elektrisierend und geheimnisvoll, wobei sie mit ihrer Darstellung auch manch einem tumb aussehenden, letztlich aber doch cleveren Klischee stets ausweicht - sie ist dabei womöglich der stille Star dieses generell sehr gut besetzten Films.
Die Handlung an sich hält dann nicht ganz mit der großartigen Atmosphäre mit, die Polanski hier erschafft. Sie ist spannend und hält ausreichend bei der Stange, trotz einiger betont langsamer Momente, etwas wirklich Neues erzählen tut sie aber nicht. Es ist eben erneut ein politischer Heckmeck, hinter dem Geheimnisse aufgedeckt werden, die einige Personen in ein schlechtes Licht rücken. Originell ist das nicht, immerhin bleibt es aber aufregend genug, alsdass man definitiv dranbleibt - das Ende liefert dahingehend, nach einer so nicht unbedingt vorhersehbaren Wendung, welche die zuvor eingestreuten Hinweise clever verbindet, auch noch ein wenig Bedarf zur regen Diskussion.
Fazit: Polanskis Thriller nach einem Roman von Robert Harris ist atmosphärisch dicht, wunderbar gefilmt und toll gespielt. Die Handlung mag etwas altbacken und langsam wirken und fordert Geduld, ist aber dennoch spannend und aufwirbelnd, trotz mangelnder Originalität.
Note: 3+
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