Natürlich steht auch Netflix im Oktober ganz im Zeichen des Horrors: Die von Kritikern überraschend stark aufgenommene Serien-Neuauflage "The Chilling Adventures of Sabrina" steht in den Startlöchern, zudem gibt es neue Staffeln von "Riverdale" und "The Walking Dead". Mit der meisten Aufmerksamkeit wurde jedoch eine neue Serie bedacht, die zwar auch auf bekanntem, klassischem Material beruht, jedoch einen sehr frischen Anstrich erhalten hat. Fans und Kritiker überschlugen sich angesichts des Netflix-Originals "Haunting in Hill House" und auch wenn man auf mal wieder überzogene Berichte über Zuschauer, die kotzen mussten, in Ohnmacht fielen oder an plötzlichem Schlafmangel litten, lieber erneut nicht zu viel geben sollte, macht die Show zumindest auf den ersten Blick einige Dinge richtig...
SPUK IN HILL HOUSE
Vor über zwanzig Jahren lebte die Familie Crane berufsbedingt im heruntergekommenen "Hill House"... dort erlebten beinahe alle Familienmitglieder, die fünf Kinder und die beiden Elternteile, seltsame Vorkommnisse, bis sie eines nachts aus dem Haus verschwinden mussten. Die Kinder sind mittlerweile erwachsen und gehen ihren eigenen Leben nach, die Zeit des Spuks können sie jedoch nicht vergessen. Das gilt besonders für die jüngste Tochter Nell (Victoria Pedretti), schon als Kind mit am anfälligsten für diverse Erscheinungen innerhalb des Hauses. Als diese versucht, ihre Familie zu warnen, will kaum jemand auf sie hören... was noch einige folgenschwere Ereignisse nach sich ziehen soll.
Das ganz große Ding soll das hier also sein, die ernsthafte Konkurrenz für starke, moderne Schocker wie "Conjuring" und "Insidious" und nebenbei eines der besten Originale, die Netflix je veröffentlicht hat. Und zu Beginn sieht es so aus, als könnten genau diese prangernden Lobeshymnen zutreffen: Die ersten Folgen sind quasi ein Sinnbild für die perfekte Mischung aus dramaturgisch passender Charakterstudie, stimmungsvoller Gruselatmosphäre und unversehens über den Zuschauer hereinbrechenden, knallhartem Horror. Mit einer starken Bildsprache ausgestattet und zumeist sehr überzeugenden Darstellern, einem heftigen Sounddesign und einigen inszenatorisch herausragenden Ideen (wie eine sechste Folge, die im Grunde nur aus Plansequenzen besteht), macht das alles schon einen sehr guten Eindruck und besonders eine Episode rund um einen Mann mit Stock hat mich vor Angst beinahe in die Hose machen lassen... aber dieser Eindruck verfliegt, bis auf einige zwischenzeitliche Höhepunkte, letztendlich sehr flott.
Man merkt den Machern in jeder Sekunde an, dass sie das Publikum zwar gruseln, dabei aber dem doch etwas stagnierenden Horror-Genre auch ganz neue, tiefe Seiten abgewinnen wollen. Das Endergebnis sind dann ungefähr zwanzig Prozent Horror und achtzig Prozent Drama, wobei bereits klar ist, dass das Gleichgewicht hier nicht wirklich stimmt. Generell ist die Erzählweise für eine im Kern doch eher simple Geschichte viel zu wirr - man wechselt ständig die Zeitebenen, rast in die Vergangenheit, zurück in die Gegenwart und ins Dazwischen und angesichts der Tatsache, dass man sich dabei auch noch um ein halbes Dutzend Hauptfiguren und deren kindliche Vergangenheit kümmern muss, ist es nicht verwunderlich, dass das Tempo schon sehr früh nachlässt. Generell stehe ich solch ausführlichen Charakterstudien spätestens seit "Lost" ungemein positiv gegenüber, doch die hatten eben auch sechs Staffeln Zeit und hielten das Tempo angesichts wesentlich schillernderer Figuren auch immer recht hoch... von "Spuk in Hill House" kann man das aber leider nicht behaupten.
Man verrennt sich in manch einem Klischee und fügt jeder Folge dann den benötigten Schuss Grusel bei, der manchmal eiskalt trifft, später aber nur noch langweilt. Bis die Handlung wirklich an Fahrt aufnimmt, ist schon weit die Hälfte der Staffel vorbei und bis dahin haben wir zwar sämtliche Figuren haarklein kennenlernen dürfen (obwohl ich mit vielen von ihnen auch später nicht recht warmgeworden bin), aber einen wirklichen, roten Faden noch nicht ausmachen können. Clever ist das seitens der Macher, denn hat man diesen dann erst einmal erspäht, wird man Zeuge, dass das eigentlich alles recht kalkuliert und geradlinig ist, man diese Vorhersehbarkeit aber eben durch eine durchaus angestrengte Erzählweise verschleiert.
Retten tun hier immerhin die Darsteller einiges, wobei man nicht den doch eher blassen Michiel Huisman herausheben sollte, sondern viel mehr eines der jüngsten Cast-Mitglieder: McKenna Grace brillierte bereits in thematisch enorm unterschiedlichen Werken wie "Begabt", Steven Spielbergs "Ready Player One" und dem oscarprämierten Drama "I,Tonya" und auch hier zeigt sie als junge Theo ihren erwachsenen und kindlichen Kollegen deutlich die lange Nase. Das rettet ein ungemein kitschiges und überlanges Finale, in welchem dann alle Horrorszenarien auf einmal auf den Zuschauer einrasseln, der sich angesichts der zuvor doch eher lauen Dramatik aber nicht mehr fesseln lassen will, leider auch nicht mehr. Am Ende ist es ein Experiment, das gescheitert ist, inszenatorisch immer wieder starke Einfälle hat und immerhin rund auserzählt wird, weswegen eine zweite Staffel hier unerwünscht ist. Mehr ist es aber auch diesmal nicht gewesen und ich werde heute Nacht wie ein Baby schlafen können... außer, ich denke noch einmal an den Mann mit dem Stock. Denn der war wirklich, wirklich gruselig.
Fazit: Vollgestopft mit inszenatorischen Ideen, starken Darstellern und einigen Momenten blanken Horros... aber auch zäh, dramatisch eher lau, angestrengt erzählt und letztlich im Kern doch zu simpel und engstirnig. Ein interessantes Experiment, welches aber nicht trägt, angesichts zu verkopften Erzählungen nicht berührt und auch zu selten gruselt.
Note: 4+
Das ganz große Ding soll das hier also sein, die ernsthafte Konkurrenz für starke, moderne Schocker wie "Conjuring" und "Insidious" und nebenbei eines der besten Originale, die Netflix je veröffentlicht hat. Und zu Beginn sieht es so aus, als könnten genau diese prangernden Lobeshymnen zutreffen: Die ersten Folgen sind quasi ein Sinnbild für die perfekte Mischung aus dramaturgisch passender Charakterstudie, stimmungsvoller Gruselatmosphäre und unversehens über den Zuschauer hereinbrechenden, knallhartem Horror. Mit einer starken Bildsprache ausgestattet und zumeist sehr überzeugenden Darstellern, einem heftigen Sounddesign und einigen inszenatorisch herausragenden Ideen (wie eine sechste Folge, die im Grunde nur aus Plansequenzen besteht), macht das alles schon einen sehr guten Eindruck und besonders eine Episode rund um einen Mann mit Stock hat mich vor Angst beinahe in die Hose machen lassen... aber dieser Eindruck verfliegt, bis auf einige zwischenzeitliche Höhepunkte, letztendlich sehr flott.
Man merkt den Machern in jeder Sekunde an, dass sie das Publikum zwar gruseln, dabei aber dem doch etwas stagnierenden Horror-Genre auch ganz neue, tiefe Seiten abgewinnen wollen. Das Endergebnis sind dann ungefähr zwanzig Prozent Horror und achtzig Prozent Drama, wobei bereits klar ist, dass das Gleichgewicht hier nicht wirklich stimmt. Generell ist die Erzählweise für eine im Kern doch eher simple Geschichte viel zu wirr - man wechselt ständig die Zeitebenen, rast in die Vergangenheit, zurück in die Gegenwart und ins Dazwischen und angesichts der Tatsache, dass man sich dabei auch noch um ein halbes Dutzend Hauptfiguren und deren kindliche Vergangenheit kümmern muss, ist es nicht verwunderlich, dass das Tempo schon sehr früh nachlässt. Generell stehe ich solch ausführlichen Charakterstudien spätestens seit "Lost" ungemein positiv gegenüber, doch die hatten eben auch sechs Staffeln Zeit und hielten das Tempo angesichts wesentlich schillernderer Figuren auch immer recht hoch... von "Spuk in Hill House" kann man das aber leider nicht behaupten.
Man verrennt sich in manch einem Klischee und fügt jeder Folge dann den benötigten Schuss Grusel bei, der manchmal eiskalt trifft, später aber nur noch langweilt. Bis die Handlung wirklich an Fahrt aufnimmt, ist schon weit die Hälfte der Staffel vorbei und bis dahin haben wir zwar sämtliche Figuren haarklein kennenlernen dürfen (obwohl ich mit vielen von ihnen auch später nicht recht warmgeworden bin), aber einen wirklichen, roten Faden noch nicht ausmachen können. Clever ist das seitens der Macher, denn hat man diesen dann erst einmal erspäht, wird man Zeuge, dass das eigentlich alles recht kalkuliert und geradlinig ist, man diese Vorhersehbarkeit aber eben durch eine durchaus angestrengte Erzählweise verschleiert.
Retten tun hier immerhin die Darsteller einiges, wobei man nicht den doch eher blassen Michiel Huisman herausheben sollte, sondern viel mehr eines der jüngsten Cast-Mitglieder: McKenna Grace brillierte bereits in thematisch enorm unterschiedlichen Werken wie "Begabt", Steven Spielbergs "Ready Player One" und dem oscarprämierten Drama "I,Tonya" und auch hier zeigt sie als junge Theo ihren erwachsenen und kindlichen Kollegen deutlich die lange Nase. Das rettet ein ungemein kitschiges und überlanges Finale, in welchem dann alle Horrorszenarien auf einmal auf den Zuschauer einrasseln, der sich angesichts der zuvor doch eher lauen Dramatik aber nicht mehr fesseln lassen will, leider auch nicht mehr. Am Ende ist es ein Experiment, das gescheitert ist, inszenatorisch immer wieder starke Einfälle hat und immerhin rund auserzählt wird, weswegen eine zweite Staffel hier unerwünscht ist. Mehr ist es aber auch diesmal nicht gewesen und ich werde heute Nacht wie ein Baby schlafen können... außer, ich denke noch einmal an den Mann mit dem Stock. Denn der war wirklich, wirklich gruselig.
Fazit: Vollgestopft mit inszenatorischen Ideen, starken Darstellern und einigen Momenten blanken Horros... aber auch zäh, dramatisch eher lau, angestrengt erzählt und letztlich im Kern doch zu simpel und engstirnig. Ein interessantes Experiment, welches aber nicht trägt, angesichts zu verkopften Erzählungen nicht berührt und auch zu selten gruselt.
Note: 4+
Kommentare
Kommentar veröffentlichen