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The Mule (2018)

Durch seine andauernde Arbeit hat der mittlerweile neunzigjährige Earl Stone (Clint Eastwood) seine Familie vernachlässigt. Seine Frau Mary (Dianne Wiest) hat sich von ihm getrennt, die gemeinsame Tochter Iris (Alison Eastwood) begegnet ihm mit Ablehnung. Als Earl in finanzielle Notlagen gerät, greift er ohne weiteres Nachdenken nach einem Lieferjob, dem ihm ein Bekannter vorschlägt. Erst ahnt Earl nicht, dass er als Drogenkurier eines gefährlichen Kartells angeheuert wurde. Als das erste Päckchen mit Dollarscheinen in seinem Handschuhfach liegt, wird ihm jedoch klar, was das bedeutet. Earl nutzt das Geld, um sich und auch seine Familie abzusichern, versinkt dabei jedoch weiter im gefährlichen Sumpf der Kriminalität. Unterdessen heften sich die beiden DEA-Agenten Bates (Bradley Cooper) und Trevino (Michael Pena) an die Fersen des unbekannten, neuen Kuriers...

Eine wahre Geschichte ist es, der sich Regisseur Clint Eastwood (mit seinen 90 Jahren noch immer fit und aktiv im Filmgeschäft) hier angenommen hat. Die Geschichte eines alten Kriegsveteranen, der aufgrund finanzieller Probleme bei einem Drogenkartell anheuert. Das klingt verrückt? Ist es auch. Dennoch gelingt es Eastwood, der hier passenderweise mit einer grandiosen Leistung auch die Hauptrolle verkörpert, diese schräge Story mit Boden anzureichern. Die Figuren wirken weitestgehend lebensnahe, die Konflikte, die sie austragen, ebenfalls. Erst gegen Ende macht es sich der Film etwas zu einfach und lässt manch einen emotionalen Konflikt, der die Handlung vorantreiben soll, nicht unbedingt aus dem Boden wachsen, aber doch schon überzeichnen. Das fühlt sich dann nicht mehr so ganz glaubwürdig an und torpediert auch ein wenig die Zeichnung der an sich eigentlich interessanten Nebenfiguren, die hier schließlich eher wie Spielbälle der Handlung herumgeschossen werden, um sie dort zu platzieren, wo man sie letztendlich braucht.
Dieser Zwang, den Plot an gewisse vorhersehbare Punkte zu bringen, macht aber nur einen kleinen Teil des Films aus, weswegen die Faszination des restlichen Werkes davon nicht geschmälert werden kann. Es geht tatsächlich weniger um die Abenteuer eines alten Drogenkuriers, dem letztendlich sowohl seitens des Gesetzes als auch seiner misstrauischen Kollegen Gefahr droht, sondern viel mehr um die Person Earl Stone selbst. Dass er eigentlich ein wirklich guter Kerl ist, dem Arbeit, seine Familie und auch sein eigenes, persönliches Leben in Summe über den Kopf wachsen. Schon in einer der ersten Szenen wirkt er angesichts der Wut seiner Tochter maßlos überfordert - ein Sinnbild dafür, dass unsere immer schnellebigere Gesellschaft einfach zu viel sein kann, bis einem dann alles um die Ohren fliegt und man selbst gar nicht mehr mitbekommt, wo da jetzt die Zündschnur angezündet wurde. Eastwood versteht diese Symbionte und inszeniert seinen Film daher langsamer und betulicher als die Konkurrenz, lässt Szenen und Charakteren die Luft zum Atmen. Im direkten Gegensatz gelingen ihm dabei aber auch schier klassische, sehr spannende Szenen, wenn sich die Schlinge um den Hals der Hauptfigur zuzuziehen beginnt. Das ist nicht sonderlich originell und will es auch gar nicht sein... packend ist es aber allemal und erfährt durch seine sympathische Hauptfigur emotionalen und charakterlich starken Boden.
Auch den Humor hat Eastwood auf seine alten Tage nicht verloren. Die "Fish out of Water"-Elemente, in denen sich der neunzigjährige Kurier mit der für seine Arbeit benötigten, modernen Technik herumärgert und diese gleichzeitig anprangert als auch für nützlich erklärt, nehmen zwar keinen großen Raum ein, wissen aber zu gefallen. Es sind keine großen Lacher dabei, dafür aber scheinbar alltägliche Ärgernisse, wenn Stone zum Beispiel einen falschen Knopf auf dem Smartphone gedrückt hat und daher nicht mehr in der Lage ist, eine wichtige Nachricht zu senden. Die Message, die gegen das Internet gewendet ist, wird hierbei zwar manchmal etwas dick aufgetragen, entbehrt aber sicherlich nicht einer gewissen Wahrheit. Dass Eastwood gerade in diesen unbefangenen, simplen Humorelementen zu glänzen versteht, macht durchaus Freude. Im direkten Gegensatz ist der Plot rund um die beiden DEA-Agenten wesentlich ernster, aber auch farbloser geraten. Bradley Cooper und "Chips"-Star Michael Pena bleiben in ihren Rollen eher funktional, was dazu führt, dass sie gegenüber Eastwoods leichtfüßigerer Performance blass wirken.

Fazit: "The Mule" ist ein kleiner, sehr feiner Eastwood-Film, getragen von leisem Humor und einer ebenso verrückten wie bodenständigen Geschichte. Gerade die menschlichen Aspekte verleihen dem Film einen wichtigen Boden, auch wenn hier und da dramaturgisch zu sehr verdichtet und in seinen Messages zu dick aufgetragen wird.

Note: 3+





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