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Enola Holmes

London, 1884: Die sechzehnjährige Enola (Millie Bobby Brown) ist die jüngere Schwester der beiden berühmten Detektive Mycroft (Sam Claflin) und Sherlock Holmes (Henry Cavill). In großartigem Kontakt mit ihren Brüdern stand die junge Enola, die allein bei ihrer Mutter Eudoria (Helena Bonham Carter) aufwuchs, nie. Doch als Eudoria eines Tages scheinbar spurlos verschwindet, reisen Mycroft und Sherlock an, um eben dieses Verschwinden aufzuklären. Zeitgleich wollen sie die verzogene Elona in die Schranken weisen und in ein Mädcheninternat überstellen. Enola spielt dabei nicht mit und flüchtet aus dem Hause Holmes, um den Fall rund um ihre Mutter auf eigene Faust zu lösen. Dafür begibt sie sich nach London und trifft auf dem Weg den jungen Lord Viscount Tewksbury (Louis Partridge), der ganz eigene Probleme hat, die mit seiner königlichen Familie zu tun haben...

Keine Ermüdungserscheinungen beim Thema Holmes. Obwohl uns allein in der letzten Dekade mit den Blockbuster-Kinofilmen rund um Robert Downey Jr.'s komische Interpretation des genialen Detektivs (ein dritter Film ist seit Jahren in Arbeit, liegt momentan aufgrund der Corona-Pandemie jedoch auf Eis), eine brillante Serie mit Benedict Cumberbatch als Titelheld sowie eine clevere Neuinterpretation mit einem gealterten Holmes erwartet haben, scheint das Thema nicht ausgeschöpft. Nun also ein weiterer Kniff, diesmal seitens Netflix, der den großen Detektiv nicht nur auf einen Nebenschauplatz verdammt, sondern ihm auch noch eine kleine Schwester hinzudichtet, die ihren ganz eigenen Fall löst und dabei ihrem großen Bruder nacheifert. Das klingt doch nach einer netten Frischzellenkur und tatsächlich ist Regisseur Harry Bradbeer inszenatorisch einiges eingefallen - wie er die gedanklichen Vorgänge seiner Protagonistin humoristisch und mit Tempo und Esprit darstellt, das hat schon was. Auch seine Bildsprache ist gelungen, wobei ihm die wenigen Actionszenen aber nicht so flott von der Hand gehen. Dafür legt er seinen Wert aber auf die leiseren, kopflastigen Momente und diese entfalten durchaus einen gewissen Reiz.
Daran sicher nicht unschuldig: Millie Bobby Brown, die nach drei Staffeln der Mystery-Serie "Stranger Things" und einem Auftritt im Monster-Blockbuster "Godzilla II" weiter an einer unnachahmlichen Karriere feilt... und dabei ist sie noch nicht mal achtzehn. In "Enola Holmes" beweist sie erneut, dass sie eine der vielversprechendsten Jungdarstellerinnen ihrer Zeit ist und besonders die Kommentare, in denen sie sich, die vierte Wand durchbrechend, ans Publikum wendet, um diese in ihre Überlegungen mit einzubeziehen, sind Gold wert. Brown ist auch nicht Schuld, dass die Figur der Enola Holmes letztendlich eher unentschlossen bleibt: Im Grunde ist die Erzählung dieser Figur ein wichtiger und richtiger Hinweis um die Emanzipation, was so auch im Plot Gewicht findet. Das Hinzudichten einer vollkommen banalen und als solche ziemlich mauen Liebesgeschichte, welche Enola schließlich als junge Frau zeigt, die einem gänzlich charmebefreiten, langweiligen Lord um die Arme fällt, steht dazu im krassen Widerspruch. Auch die oftmals sehr schnippischen Einlagen Enolas halten nicht Schritt mit ihrer zwar cleveren, oftmals aber auch tollpatschigen Art - es wirkt manchmal, als hätten sich die Autoren nicht entscheiden können, ob sie ihre Titelfigur als jedem überlegen oder doch eher als sympathisch und überfordert zeichnen wollen. Nun ist sie jedoch beides und dadurch keines davon so richtig.
Das führt dazu, dass wir diese junge, energiegeladene und sich gegen Regeln und Vorgaben auflehnende Frau zwar mögen, sie aber nicht ganz verstehen. Das gilt auch für den im Fokus stehenden Fall, der leider nicht halb so spannend ist wie erhofft und eher durch einzelne Scharmützel als durch seine durchdachte Position gewinnt. Das führt zu einigen Längen, die auch die charmanten Nebendarsteller nicht ganz ausgleichen können. Insbesondere Henry Cavill und "Fluch der Karibik"-Star Sam Claflin sind als grundverschiedenes Brüderpaar schlichtweg unwiderstehlich, leider ist ihre Zeit auf dem Bildschirm aber enorm begrenzt. Gleiches gilt für eine fantastische Fiona Shaw als Leiterin des Mädcheninternats, in welches Enola überstellt werden soll; und auch für "Cinderella"-Star Helena Bonham Carter, die hier im Grunde nur als Aufhänger für den mauen Plot herhalten muss. Dabei bleibt die schrullige Beziehung zwischen Mutter und Tochter, die immerhin emotionaler Grundboden sein soll, nicht mehr als eine etwas zwiespältige Behauptung.

Fazit: "Enola Holmes" macht viele Dinge richtig - so stimmen der humorvolle Ton, das Spiel der Hauptdarstellerin und die flotte Inszenierung. In Sachen Plot, Charakterzeichnung und der Spannung des fokussierten Falls besteht im Falle eines Ausbauens der Idee zu einem Franchise aber noch Luft nach oben.

Note: 3







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