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Unbekannter Anrufer

Als Strafe für die letzte überhöhte Telefonrechnung muss Jill Johnson (Camilla Belle) am Freitagabend bei einer reichen Famile babysitten und verpasst so eine begehrte Schulparty. Als wäre dies nicht schlimm genug, klingelt im Haus der Familie Mandrakis beinahe minütlich das Telefon. Erst scheinen es nur harmlose Scherzanrufe zu sein, doch als schließlich eine fremde, männliche Stimme unnachgiebig in die Sprechmuschel haucht und sich gar nach den schlafenden Kindern erkundigt, bekommt es Jill mit der Angst zu tun. Ein Gespräch mit der Polizei erweist sich nicht als hilfreich, während der unbekannte Psychopath die junge Frau am Telefon terrorisiert... bis er schließlich zum nächsten Schritt übergeht und es für Jill und die Kinder gefährlich wird.

Eigentlich hätte für die obligatorische Beschreibung des groben Plots zu Beginn meiner Kritik einfach nur ein simpler Satz gereicht: Psychopath terrorisiert Babysitterin am Telefon. Viel mehr als das gibt es hier nicht zu sehen und es ist schon erstaunlich, wie sich die Macher rund um "Tomb Raider"-Regisseur Simon West hier winden und strecken, um diese dünne Ausgangslage noch auf rund achtzig Minuten zu bringen. Und so etwas kann ja durchaus klappen. Wenn ein Thriller beinahe ausschließlich in einer Telefonzelle spielen kann oder die Prämisse "Dämon verfolgt Mädchen auf Schritt und Tritt" für einen abendfüllenden, hochspannenden Horrorfilm ausreichen, warum dann nicht auch das hier? Im direkten Gegensatz hatten solche Filme wie "Nicht auflegen" oder "It Follows" aber wesentlich mehr inszenatorische Kraft und viel mehr Ideen, um diese simple Ausgangslage durchgehend spannend zu halten. In "Unbekannter Anrufer" gibt es diese Ideen leider nicht. Hier klingelt einfach nur das Telefon. Immer und immer und immer wieder.
Es wirkt schon beinahe frech, wie sehr sich die Macher weiteren Ideen verweigern. Sie lassen die arme Babysitterin ("10.000 BC"-Star Camilla Bella agiert solide) immer wieder ans klingelnde Telefon gehen und sie anschließend oder auch während den ermüdenden Telefonaten durch die finsteren Gänge des Hauses streifen. Dieses ist dann der optische Höhepunkt in einem Film, dem es ansonsten ganz klar an Höhepunkten mangelt, denn die etlichen Räumlichkeiten, die wunderschöne Glasfront und die prunkvolle Ausstattung bieten durchaus etwas für die Augen. Leider nutzen West und Kameramann Peter Menzies junior diese Location nur noch für obligatorische Aufnahmen, unter denen sich dann die abgestandetsten Erschrecker-Effekte der letzten Zeit tummeln. Türen quietschen. Katzen springen plötzlich aus dem Schrank. Ein Anorak sieht kurz aus wie ein Mann hinter einer Tür. Es ist unglaublich traurig, dass die Macher hinter diesem Film mit solch klischeehaften Mätzchen daherkommen und mit diesen dann auch noch rund sechzig (!) Minuten verbringen, ohne dass dabei sonst etwas Spannendes herumkommen würde. Tatsächlich läuft Camilla Belle rund sechzig Minuten durchs Haus und telefoniert. Etwas, was man durchaus auch spannend inszenieren könnte, nur ist West und seinem Team dafür nichts eingefallen.
Die letzten zwanzig Minuten sind dann das große Finale, welches der Trailer (da dieser wohl nicht einfach nur eine Telefonsession nach der anderen aufzeigen wollte) beinahe komplett spoilert. Da wird es dann auch mal ein wenig actionlastig, zugleich zeigt sich aber, dass auch die simpelste Handlung ohne irgendwelche Überraschungen noch ordentliche Plotholes aufweisen kann. So wird zu Beginn des Films zwar nahegelegt, dass dieser böse Killer seine Opfer offenbar so grausam zugerichtet, dass diese anschließend in dutzenden schwarzen Säcken aus dem Haus transportiert werden müssen. Sobald er sich aber mit der wehrhaften Jill einlässt, tut er dies ohne eine Waffe und verlässt sich einfach nur darauf, dass er das Ding schon rocken wird. In diesen Momenten wirkt der unbekannte Killer wie ein vollkommener Dummbatz, der seinen großen Plan (ja, was für einen eigentlich? Erschrecken oder umbringen oder beides?) mit voller Kraft gegen die Wand fährt. Kein sehr furchteinflößender Gegenspieler, der sich letztendlich auch ziemlich einfach in die Schranken weisen lässt.

Fazit: Ein überraschungsarmer, entsetzlich lahmer Thriller von der Stange, der keine einzige inszenatorische Idee aufweisen kann und dem es zudem an Spannung, Charme und Kreativität mangelt. Aber das Haus als Location war hübsch.

Note: 5+





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