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Ma Rainey's Black Bottom

In Chicago im Jahr 1927 freuen sich Musikmanager Irvin (Jeremy Shamos) und Plattenmanager Sturdyvant (Jonny Coyne) auf die Ankunft der Blues-Legende Ma Rainey (Viola Davis) und ihrer Band in ihrem Aufnahmstudio. Gemeinsam wollen sie aussichtsreiche Platten aufnehmen und mit Raineys Namen und ihrer Stimme viel Geld verdienen. Noch vor dem eigentlichen Beginn der Aufnahmen ist es aber nicht nur die Sängerin selbst, die aufgrund ihrer strengen Art und dem aus guten Gründen angelegten bestimmenden Ton Schwierigkeiten macht. Auch Ma's Trompeter Leevee (Chadwick Boseman), der sich nicht mit einem Platz in der zweiten Reihe zufrieden geben will und nach seinem eigenen großen Durchbruch lechzt, sorgt für ordentlichen Zündstoff. Da ist es schon bald fraglich, ob eine Zusammenarbeit mit Rainey nicht mehr Geld kostet als sie es letztendlich wert sein könnte...

Die zweite Verfilmung eines Theaterstücks von August Wilson landet dieser Tage nicht im Kino, sondern, wie leider bereits gewohnt, auf einem Streamingdienst. Nachdem zumindest bei Kritikern und diversen Preisauszeichnungen großen Erfolg von "Fences" aus dem Jahr 2017 folgt nun also "Ma Rainey's Black Bottom". Und auch hier wird erneut eine Geschichte über die schwierigen Lebensumstände der schwarzen Bevölkerung erzählt, die mit Rassismus, Sexismus und dem Ausnutzen ihrer eigenen Talente zu kämpfen hatten. Nicht ganz so ausladend wie der oscarprämierte Film von Denzel Washington von vor drei Jahren, dabei aber, wenn auch thematisch anders geartet, ähnlich intensiv und kraftvoll. Dass hier ein Theaterstück verfilmt wurde, merkt man dem neuen Film aber auch ohne Vorwissen an, da er sich als Kammerspiel enttarnt und in einigen Szenen in der zweiten Hälfte auch recht kraftvoll überzeichnet, was nicht jedem Cineasten in dieser Form schmecken wird.
So entwirft Theaterregisseur George C. Wolfe in einer seiner wenigen Filmarbeiten zu Beginn ein recht stimmiges, nur auf wenige, kleine Räume ausgebreitetes Dickicht aus verschiedenen Figuren, Zielen und Träumen. Das hat manchmal entwaffnenden Humor, wenn die Songaufnahmen von einem stotternden Jungen gestört werden, der aber nicht ersetzt werden kann, da er eben mit der Künstlerin verwandt ist und diese sich ohne sein Engagement weigert, auch nur einen Finger zu rühren. Es erreicht aber auch eine gewisse Härte, wenn man langsam über den Tellerrand der Figuren hinausschaut und bemerkt, dass sie über ihre (manchmal egomanischen) Ziele hinaus durchaus etwas auf dem Kerbholz haben. Wenn die zuvor so unnahbare und unglaublich unfreundliche Ma Rainey dann nämlich plötzlich erzählt, warum sie sich diesen Menschen gegenüber genauso verhält, bleibt einem die Spucke weg, bevor man nicht anders kann, als dieser Dame jubelnd beizupflichten. Sicherlich auch aufgrund seiner Theatervorlage rutscht diese zuvor so sinnig zusammengehaltene Handlung aber auch in langen Monologen und einigen überzeichneten, melodramatischen Einschüben, die besonders im letzten Drittel die Überhand gewinnen, in etwas Diffuses ab, was irgendwie seinen Reiz hat, im direkten Vergleich mit diesen entwaffnenden Geschichten aber auch deplatziert und gewollt wirkt.
Rein darstellerisch hätte dieser Film an vorderster Front wohl Viola Davis gehören sollen. Die Ausnahme-Schauspielerin, die bereits für "Fences" den Oscar gewann, spielt hier mit diffusem Make Up, einer abgekotzten Miene und einer unfassbaren Präsenz so erdrückend, dass man sie nur bewundern kann. Mit Mut zur Hässlichkeit und dennoch mit viel Würde, Kraft und Leichtigkeit bringt sie sich dabei erneut in die Oscar-Gespräche und dürfte dabei mindestens eine Nominierung für die begehrten Goldjungen einfahren. Aber natürlich verblasst Davis auch aufgrund eines realen Ereignisses gegen einen ihrer Co-Stars, was so auch nicht abzusehen war. Dabei ist es aber nicht nur der tragische Tod des "Black Panther"-Stars Chadwick Boseman sowie die Tatsache, dass dies hier womöglich sein letzter, fertiggestellter Film sein wird, die den Schauspieler seine anderen Co-Darsteller so überflügeln lassen. Boseman, in den MCU-Filmen, die ihn so ikonisch machten, nicht immer der stärkste Schauspieler, tänzelt hier mit einem spitzbübischen Charme und wechselt anschließend mit solch einer Durchschlagskraft in die tiefen, dramatischen Elemente seiner Figur, dass einem vielleicht jetzt erst richtig klar wird, was für einen großartigen Schauspieler wir im vergangenen August viel zu früh verloren haben. 

Fazit: Trotz der wundervollen Musik stimmt der Ton in diesem dramatischen Kammerspiel nicht immer und überzeichnet in melodramatischen Bereichen manchmal zu sehr. Gnadenlos gut agieren dafür Viola Davis sowie Chadwick Boseman in seiner letzten Filmrolle.

Note: 3+



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