Coel Creek ist eine kleine, beinahe vergessene Stadt in West Virginia. Im Zentrum steht die Kirche, die Gemeinschaft ist dem christlichen Glauben zugetan. Angefeuert vom Glauben, aber auch von ihren inneren Dämonen gehen über mehrere Jahre unterschiedliche Menschen durch Coel Creek, deren Wege sich innerhalb ihres eigenen Grauens kreuzen: Der junge Arvin Russell (Tom Holland) ist einer von ihnen. Die Erziehung durch seinen christlichen Vater Willard (Bill Skarsgard) haftet an ihm, trägt ihn mit in seine Zukunft hinaus, bestimmt ihn. Auf weiteren Pfaden schreiten das Serienkiller-Pärchen Carl (Jason Clarke) und Sandy (Riley Keough), der undurchsichtige Polizist Lee Bodecker (Sebastian Stan) und der durchgedrehte Prediger Preston Teagardin (Robert Pattinson)... und auch ihre Wege sollen sich auf blutige und grausame Art und Weise kreuzen.
Was ist das denn für eine nichtige und schwülstig umwobene Inhaltsangabe, werden sich einige Leser nun fragen? Und das auch sicherlich zurecht, doch muss man, um eine unvoreingenommene Sichtung dieses Films nicht zu arg zu behindern, Abstriche machen in dem, was man so ausplaudert. Da "The Devil All The Time" mehrere Geschichten erzählt, über Jahre und Generationen hinweg, über Väter und Söhne, Familien und Nachbarn, die sich allesamt die Klinke in die Hand drücken, fällt es aber schwer, überhaupt eine treffende Inhaltsangabe zu schreiben, die nicht bereits zu viel vorwegnimmt. Vieles von dem, was die eigentlichen Hauptfiguren später erleben, wird durch das, was die Nebenfiguren zu Beginn durchleben, ausgemacht - und die vielen kleinen Geschichten des ersten Drittels müsste man gelinde spoilern, um noch irgendwie durchzukommen. Das tue ich natürlich nicht, um etwaigen Zuschauern nicht die Freude an diesem Werk zu nehmen... sofern sie es denn haben werden, denn mich hat das Werk nicht so abgeholt, wie ich es zuvor erhofft hatte.
Netflix hat sich in diesen Zeiten, wo das Kino aufgrund der Corona-Pandemie in einer schweren Krise steckt, mit wesentlich mehr Stoffen eingedeckt als üblich... und dabei auch Filme an Land gezogen, die mutig und ziemlich grotesk waren. "The Devil All The Time" ist mit seiner wahnwitzigen Starbesetzung und den finsteren Geschichten ein solcher Film. Beruhend auf einer viel beachteten Romanvorlage von Donald Ray Pollock (der in seiner Verfilmung als Erzähler dann auch das Publikum an der Hand nimmt) ist dieser nun eher ein Werk aus vielen Geschichten, die sich, dramaturgisch verdichtet, irgendwann über den Weg laufen. Ein interessantes Unterfangen, was jedoch alsbald Probleme verursacht. Der Film von Regisseur Antonio Campos hat nämlich ungemein viel zu erzählen, wobei eine jede dieser Geschichten für sich allein stehend das Zeug für einen abendfüllenden Spielfilm gehabt hätte. Nun jedoch kann kaum einer dieser Plots richtig atmen, da Campos viel zu viel zu erzählen hat. Erwartungsgemäß müssen einige der Plots dabei zurückstecken oder fühlen sich gleich ganz und gar so an, als hätten sie in diesem Film eigentlich keinen Platz. Für die Geschichte rund um den zwielichtigen Polizisten Lee Bodecker, gespielt von "Avengers"-Star Sebastian Stan, gilt da gleich Beides.
Schon bald ermüdet der ständige Wechsel von Zeiten und Plots, das nochmalige Wiederholen von wichtigen (und oftmals blutigen) Szenarien, das Entlanghangeln an Story-Vehikeln, um diese zu verbinden. In seiner harten Inszenierung trifft Campos mehrmals die Magengrube, aber niemals das Herz, da seine Charaktere in den engen Schnüren der recht einseitig gelagerten Geschichte nicht genug atmen können. Die Schauspieler geben allesamt ihr Bestes (besonders Riley Keough und "ES"-Clown Bill Skarsgard stechen positiv hervor), doch sie können ihren Figuren aufgrund des dicht gestaffelten Skripts nicht genug Tiefe verleihen. Und am Ende fragt man sich auch, wo das hingeführt haben und was uns der Film eigentlich erzählt haben soll. Was durch einen kleinen Schicksalsschlag über Jahre hinweg ausgelöst werden kann? Nein, denn dafür sind die Plots an und für sich doch zu zerfasert. Ein Seitenhieb gegen Glaube und Religion? Das wäre eine ziemlich maue Sachlage, die nur mit viel Blut aufgewischt wird. Nein, am Ende entlässt uns "The Devil All The Time" mit einer Menge Fragezeichen. Wir haben etwas gesehen, dass uns gepackt hat, irgendwie... aber nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben.
Fazit: Der Netflix-Film will sehr viel auf einmal, setzt sich dabei aber zwischen alle Stühle. Viele Geschichten werden erzählt, richtig atmen können sie aufgrund des eng gestrickten Korsetts des Drehbuchs nicht. Die Inszenierung von Regisseur Antonio Campos hat es aber in vielen Momenten regelrecht in sich.
Note: 3-
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