Als Hitler das rosa Kaninchen stahl (2019): Drama von Caroline Link, mit Riva Krymalowski, Oliver Masucci, Carla Juri, Marinus Hohmann, Justus von Dohnanyi und Ursula Werner
Der größte Gewinn dieser Neuverfilmung des bekannten Buchs von Judith Kerr hat zwei ganz große Gewinne. Zum einen die junge Riva Krymalowski, die eine ungeheure Ausstrahlung mitbringt und sich dabei niemals hinter deutlich erfahreneren Schauspieler*innen wie Oliver Masucci und Carla Juri verstecken muss. Und zum anderen natürlich Caroline Link: Die deutsche Oscarpreisträgerin hat auf dem Regiestuhl ein unglaubliches Gespür für kleine und feine Momente und hält ihren Film durch die Augen eines unschuldigen Kindes sehr gut zusammen. Da der Film sehr ruhig erzählt wird, lassen sich einige Längen (vorrangig in der zweiten Hälfte) kaum vermeiden, doch das ist halb so wild. Die Atmosphäre, die Link intensiv aufzieht und dabei vom tiefen Einschnitt der Hitler-Regierung in das Leben unzähliger Menschen berichtet, lebt auch in einigen zähen Momenten und tänzelt dabei sehr genau zwischen Frohsinn und Tragik. Dabei trägt Link auch nie zu dick auf und lässt die interessanten Figuren nicht durch ganz große Dramen, sondern durch kleine Momente leben. Das ist in bestem Maße bewegend, angenehm unaufgeregt (gerade angesichts des historischen Hintergrunds) und fabelhaft gespielt und inszeniert.
Note: 2
Ein Kind wie Jake: Drama von Silas Howard, mit Claire Danes, Jim Parsons, Octavia Spencer, Ann Dowd, Priyanka Chopra, Amy Landecker und Leo James Davis
Die Geschichte eines Elternpaares, die sich damit abfinden und vor allem akzeptieren müssen, dass ihr vierjähriger Sohn sich in seinem gebürtigen Geschlecht womöglich nicht wohlfühlt, wird von Regisseur Silas Howard berührend und mit viel Stoff zum Nachdenken erzählt. Dem komplexen Thema wird sich vielschichtig und ohne großes Brimborium genähert, wobei die Geschichte nicht aus Sicht des Kindes, sondern aus Sicht der besorgten Eltern erzählt wird. Inszenatorisch zurückhaltend und deswegen in vielen Momenten äußerst treffsicher stellt der Film klar, dass mit Kindern wie Jake absolut alles in Ordnung ist und dass es stattdessen die Menschen (und vor allem die Eltern) um ihn herum sind, die sein "Verhalten" akzeptieren müssen - eine wichtige Lehre, die empathischen Menschen klar sein sollte, aber trotzdem dringend ausgesprochen werden muss. Claire Danes überzeugt als aufgeregte Mutter, während Jim Parsons als ruhiger Therapeut bisweilen ein wenig blass bleibt, was aber auch seinem Rollenbild entspricht - von einer Patientin wird er gar einmal als "Die Schweiz" bezeichnet, was wirklich passt. Ein wichtiges Thema macht der Film nebenbei immer wieder auf, vergisst aber, es auch wirklich zu behandeln. So agieren Mutter und Vater bisweilen regelrecht als Helikoptereltern, wobei besonders die Mutter gar kein eigenes Leben mehr besitzt und alles nur noch um ihr Kind herum aufbaut. Das unterstreicht ihre Mutterliebe, fördert aber auch eine sehr ungesunde Lebenseinstellung sowohl für sie als auch für ihr Kind: Der Film spricht dieses gefährliche Thema hin und wieder an, kritisiert es aber kaum, was leider etwas seltsam daherkommt und einen etwas faden Beigeschmack hinterlässt.
Note: 3+
Gilbert Grape - Irgendwo in Iowa: Drama von Lasse Hallström, mit Johnny Depp, Leonardo DiCaprio, Juliette Lewis, John C. Reilly, Kevin Tighe, Mary Steenburgen und Crispin Glover
Vier Jahre vor seinem endgültigen Durchbruch mit "Titanic" erlangte Leonardo DiCaprio mit dieser Darstellung seine erste Oscarnominierung und das völlig zurecht. Die Darstellung eines geistig behinderten Jungen kann einem Schauspieler rasch auf die Füße fallen, doch DiCaprio brilliert darin... und neben ihm auch Johnny Depp, der nuanciert und mit seinem typischen Charme auftritt, welcher ihm Tür und Tor zu Hollywood öffnete. Beide bringen dieses ansonsten recht vorhersehbare Drama ordentlich auf Kurs, denn neben den beiden Stars gibt es wenig Bemerkenswertes zu sehen. Immerhin erschafft Lasse Hallström eine feine Atmosphäre einer Kleinstadt, in welcher Jeder jeden kennt, doch die Geschichte, die diese umzäunt, ist schon ein wenig sympathisch. Gerade die Liebesgeschichte, die erst spät an Fahrt aufnimmt und zuvor von einem reichlich kruden Affären-Plot angeleitet wird, mag kein echtes Feuer entwickeln. Insgesamt jedoch aufgrund des tollen Casts durchaus eine Empfehlung wert.
Note: 3+
Natural Born Killers: Crime-Drama von Oliver Stone, mit Woody Harrelson, Juliette Lewis, Robert Downey Jr., Arliss Howard, Tom Sizemore, Pruitt Taylor Vince und Tommy Lee Jones
Quentin Tarantino als Autor, Oliver Stone auf dem Regiestuhl und Harrelson, Lewis, Jones und Downey Jr. in den zentralen Rollen - was soll da denn bitte schiefgehen? Anscheinend eine ganze Menge, wie der heute als Kultfilm berufene "Natural Born Killers" aus dem Jahr 1994 zeigt. Zu Beginn dachte ich (oder hoffte eher), dass Stone dieses Flickwerk aus stilistischen Grundmitteln nach dem Intro aufgeben wurde. Tatsächlich lässt er aber einen inszenatorischen Clusterfuck aus wilden Schnitten, ständigen Farbänderungen, durchgedrehtem Musikstil und vollkommen verrückten Brüchen auf das überforderte Publikum los. Das verfehlt seine Wirkung nicht unbedingt, erzählt aber keine Narrative. Man fragt sich, was Stone mit diesem Film eigentlich erreichen wollte: Soll es eine Mediensatire sein? Wenn ja, bleibt sie ebenso oberflächlich und lächerlich-überzeichnet wie der Versuch, in die Hirne zweier geisteskranker Serienkiller zu blicken. Sicherlich sind die schauspielerischen Leistungen großartig, doch strengen auch diese angesichts des Dauerfluchens und des ständigen Schreiens, Kreischens und Grölens nur noch an. Ein absoluter Psychoritt, den ich ebenso abstoßend wie nervig fand und nach welchem dringend eine Kopfschmerztablette benötigt wird.
Note: 6+
The Raven - Prophet des Teufels: Mystery-Thriller von James McTeigue, mit John Cusack, Luke Evans, Alice Eve, Kevin R. McNally, Sam Hazeldine, Pam Ferris und Brendan Gleeson
Ein paar clevere Ideen finden sich in diesem in Deutschland nur auf DVD und Blu-Ray veröffentlichten Thriller. So wird die fiktive Geschichte des Films interessant mit dem realen Leben des Autors Edgar Allan Poe, hier gespielt von John Cusack, verwoben und seinem mysteriösen Ableben eine spannende, frei erfundene Komponente hinzugefügt. Der Kriminalfall erinnert dabei in seiner Inszenierung ein wenig an Filme wie "From Hell" und zieht spannend an, lässt aber in der zweiten Hälfte nach. Das liegt, neben einigen eher mühsam aufgezogenen Nebenplots, auch an der effekthascherischen Inszenierung von James McTeigue, welche die zuvor angenehm düstere und realistische Atmosphäre mit zahlreichen Blockbuster-Actionszenen konterkariert. Spannung kommt zwar weiterhin auf, trudelt jedoch bisweilen bis zur einigermaßen überraschenden, aber auch arg konstruiert wirkenden Auflösung. Auch einige recht brutale Splatterszenen, die ab und an sogar an die "Saw"-Reihe erinnern, passen nicht so recht zu einem ansonsten eher leise agierenden Thriller, der viel Wert auf seine ambivalenten Figuren legt. Immerhin liefern Cusack und vor allem Luke Evans als Ermittler energetische Vorstellungen ab, sodass einem nie wirklich langweilig wird.
Note: 3
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