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Dieser vermaledeite Thron: Serienkritik zur ersten Staffel von "House of the Dragon"

Rund 170 Jahre vor der Geburt von Daenerys Targaryen herrschte ihre Familie in Westeros über die sieben Königslande: Viserys Targaryen (Paddy Considine) herrscht friedlich und weise in Königsmund auf dem Eisernen Thron mitten in der großen Targaryen-Dynastie. Problematisch ist da nur, dass er keine echte Erbfolge aufbauen kann, da ihm bislang nicht die Geburt eines Sohnes vergönnt war und seine einzige Tochter Rhaenyra (Milly Alcock) als Frau nicht auf dem Thron Platz nehmen darf. Dies stößt Rhaenyra, die sich ohnehin eher als Kriegerin und Drachenreiterin denn als brave Prinzessin sieht, natürlich sauer auf - sie will sich den üblichen Gepflogenheiten am Hof nicht fügen. Gefahr droht für König Viserys auch von anderen Seiten, denn seine engsten Vertrauten spielen zumeist nur nach ihren eigenen Vorteilen und sind sich nicht zu fein dafür, eigene Familienmitglieder in dessen Gunstkreis zu schieben, um sich davon mehr Macht zu versprechen...

Ich war zwar sehr skeptisch angesichts dieser Prequel-Serie zum TV-Meisterwerk "Game of Thrones", da ich dieses Franchise nach dem holprigen, aber dennoch runden Abschluss in der achten Staffel eigentlich als beendet ansah. Die ersten Folgen des Spin-Off's "House of the Dragon", welches in mehreren Staffeln die Geschichte der Targaryen-Dynastie vor der Geburt von Daenerys erzählen soll, belehrten mich jedoch gleich eines Besseren. Zu Beginn mag es noch ein wenig seltsam anmuten, die altbekannten Sets vom roten Bergfried zu erblicken, jedoch nicht Peter Dinklage, Lena Headey und Co. darin herumwandern zu sehen. Hat man sich jedoch an die neuen Gesichter gewöhnt, halten die altbekannten, herausragenden "Game of Thrones"-Qualitäten Einzug: Geschliffene, messerscharfe Dialoge; der grandiose, Gänsehaut verursachende Soundtrack von Ramin Djawadi; ein hervorragend aufspielender Cast aus bekannten und unbekannten Gesichtern; und technische Brillanz, die diese Serie deutlich besser, wertiger und schlichtweg schöner aussehen lässt als die meisten aktuellen Kino-Blockbuster. Da fühlt man sich über die ersten Folgen doch schon sehr wohl, wenn erneut um diesen aus Schwertern bestehenden Thron gefochten wird - wenn auch zumeist mit der Zunge und nicht mit dem Schwert. Wunderschön fotografiert und mit passenden Wendungen bestückt, die Charaktere in den Vordergrund rückend, sind die ersten fünf Folgen dieser Serie, auch wenn sie nicht an die Mutterserie herankommen, ein düsteres, brutales und spannendes Vergnügen.
Dann kommt jedoch das große "Aber", denn so einfach wollen es uns die Macher diesmal nicht machen und fahren die Komplexität in bisher ungeahnte Bereiche. Es wäre mehr als möglich gewesen, sich in die zahlreichen neuen Figuren, ihren Familien, Kodexen und Eigenschaften hineinzuarbeiten - so haben wir Fans es schließlich auch in der Anfangsphase von "Game of Thrones" getan. Allerdings arbeitet "House of the Dragon" diesmal mit ganz erheblichen Zeitsprüngen, wobei innerhalb von zehn Folgen ein Zeitraum von knapp dreißig Jahren abgearbeitet wird. In einem wahnwitzigen Tempo müssen die Autoren voranschreiten, um diese Dekaden irgendwie in die knappe Folgenanzahl zu quetschen und schießen damit weit übers Ziel hinaus. Im Umkehrschluss führt diese gehetzte Erzählweise, in der zwischen zwei Folgen auch mal etliche Jahre vergehen, dazu, dass wir uns nie wirklich in die Welt und die Figuren einarbeiten können. Wie soll das auch möglich sein, wenn eine Figur innerhalb weniger Minuten plötzlich um viele Jahre gealtert ist, Kinder bekommen hat (die dann auch sehr, sehr schnell altern) und ihre ganze Gesinnung verändert hat? In den schlimmsten Fällen müssen wir uns in jeder Folge immer wieder aufs Neue in Charaktere einarbeiten, obwohl wir sie vorher schon einsortiert hatten. Das kann bisweilen sogar in anstrengende Arbeit ausarten, wenn Figuren ständig 180-Grad-Umdrehungen vollführen - optisch und persönlich.
Dieser Umstand hat mir die Freude mit der Serie nicht vollkommen verhagelt, dass es immer wieder einzelne Momente gibt, die so herausragend inszeniert sind, dass einem die Luft wegbleibt. Diesmal sind es jedoch tatsächlich nur Einzelszenen - ein rundes Ganzes, dem man durchweg folgen mag, will in dieser ersten Staffel (noch) nicht entstehen. Ein wenig erschwerend kommt natürlich hinzu, dass die Ränkespiele um den Eisernen Thron und die ewigen Themen rund um nicht anerkannte Erbfolgen, fiese Intrigen am Königshof, Bastarde, Drachen, Verräter und Hände des Königs zwar wie gehabt spannend in Szene gesetzt und geschrieben sind.. wir genau das aber eben auch schon aus der Mutterserie kennen. Es mag Jammern auf hohem Niveau sein, etwas so Grandioses wie "Game of Thrones" hier noch einmal serviert zu bekommen, denn wer beschwert sich schon über mehr Material von seiner Lieblingsserie? Richtig frische, neue Wege schlagen sie jedoch nicht ein und haben damit zwangsläufig das Nachsehen gegenüber der Mutterserie, die damals wirklich einzigartig war in diesem Genre. Und dann muss auch noch angefügt werden, dass in diesem Fall keine der Hauptfiguren wirkliche Sympathien weckt - mit Ausnahme des passiv agierenden Königs, der somit dann auch keine Figur ist, der man wirklich folgt. Alle anderen Charaktere sind stets hinterlistig, oftmals richtiggehend grausam und bis aufs Blut intrigant. Auch das machte schon viele Figuren in "Game of Thrones" aus, doch setzte man uns da eben auch Charaktere wie Jon Schnee, Tyrion Lannister oder Aria Stark vor, die ebenfalls keine perfekten Helden waren, aber dennoch klare Sympathieträger. Solche Figuren, denen man wirklich die Daumen drücken mag innerhalb all des Blutvergießens, fehlen hier nun völlig, was ein emotionales Einsteigen deutlich schwerer, wenn nicht gar unmöglich macht.
Es bleibt dennoch die klare Hoffnung, dass diese Staffel nur der (sehr lange und ausführliche) Auftakt war. Weitere Staffeln sind in Planung und da der offenbar zentrale Konflikt erst gegen Ende dieser ersten Season wirklich Fahrt aufnimmt, darf man ansatzweise optimistisch sein, dass "House of the Dragon" zukünftig einen runderen Erzählrhytmus anstrebt, der uns näher an die Charaktere bindet und nicht mehr etliche Zeitsprünge und 180-Grad-Drehungen, bei denen die Orientierung massiv schwer fällt, durchführen wird. Wünschenswert wäre es, denn wie gehabt bietet auch die Prequel-Serie in Westeros noch Potenzial zu etwas ganz Großem auf dem Serienmarkt. Ich bleibe gespannt, wenn auch weiterhin etwas skeptisch.

Fazit: Gigantische Zeitsprünge, unnahbare Charaktere, ein wahnsinnig verwobener Plot ohne echte Frische - "House of the Dragon" macht es Fans nicht einfach. Die Geschichte ist mit den typischen Versatzstücken der Westeros-Welt dennoch ungemein spannend und faszinierend... wenn man sich denn erneut darauf einlassen möchte.

Note: 3



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