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Titanic (1997)

Eigentlich hätte "Titanic" kollossal floppen müssen. Der Dreh zog sich über viel mehr Tage hinweg, als eigentlich vorgesehen waren, die Produktionskosten explodierten, die Studios fürchteten einen massiven Verlust und überlegten sogar, Regisseur James Cameron noch während der laufenden Produktion wieder abzusetzen. Letzten Endes war sich sogar Cameron selbst eines Erfolges nicht mehr sicher... aber die Geschichte ist bekannt. Zwölf Jahre lang war das Katastrophen-Drama der erfolgreichste Film aller Zeiten, heimste elf Oscars ein, machte seine Hauptdarsteller über Nacht zu Stars. Und James Cameron, der erschuf ein unübertreffbares Meisterwerk der dramatischen Filmkunst, welche in Sachen Intensität und auch Schönheit auch noch heute recht allein dasteht in der Welt des Kinos.

TITANIC


Die über 100jährige Rose (Gloria Stuart) erzählt dem Schatzsucher Brock Lovett (Bill Paxton), der das Wrack der 1912 versunkenen Titanic nach einem wertvollen Diamanten absucht, von ihrer Geschichte, welche sie während der Jungfernfahrt des Ozeanriesen erlebte: Damals sollte Rose (Kate Winslet), aus einer reichen Familie stammend, gemeinsam mit ihrem Verlobten Caldon Hockley (Billy Zane) nach New York reisen. Auf der Fahrt lernt sie jedoch den Dritte-Klasse-Passagier Jack Dawson (Leonardo DiCaprio) kennen. Und entgegen allen Werten lässt sich Rose mit dem abenteuerlustigen Jungspund ein. Doch ihre Liebe wird jäh überschattet, als die "Titanic" eines Nachts einen Eisberg rammt und zu sinken droht...

James Cameron hat gut daran tan, das tragische Unglück in Filmform mit einer sehr dichten Rahmenhandlung auszustatten. Wo andere Regisseure gerade in der heutigen Zeit wohl kaum hätten warten können, um den Untergang des Dampfers in spektakulärem Bombast untergehen zu lassen, um dem Zuschauer möglichst viel Action zu bieten, da geht der "Avatar"-Regisseur den vollkommen anderen Weg und lässt sich anderthalb Stunden Zeit, bis die Titanic überhaupt mit dem Eisberg kollidiert. Zuvor werden wir Zeuge einer menschlichen Geschichte, wir lernen die Protagonisten kennen, welche sich auf der schicksalhaften Überfahrt befinden. Hierbei geht es um Kontrolle, um Technik, um das Retten der Familienwerte, um die Abenteuerlust und natürlich nicht zuletzt um die große Liebe. Abseits all der kleinen Fußnoten und Subplots, denen sich Cameron detailliert widmet und die Figuren, ganz gleich ob auf wahren Persönlichkeiten beruhend oder frei erfunden, erwachen zum Leben. Im Mittelpunkt steht aber natürlich die tragische Romanze zwischen Jack und Rose, eine Liebe, die zum Scheitern verdammt ist und gerade deswegen so eine große Tragweite hat. In starken Dialogen, die immer auch mal gerne den Rand des Kitschs streifen, dabei aber sämtliche Emotionen ansprechen, lässt Cameron seine Charaktere sprechen, ihre Vorzüge, ihre Konflikte, ihre inneren Kämpfe. Wir fiebern mit ihnen mit und begutachten abseits des spektakulären Krachs wunderbare Einzelszenen, die sich zu einem Großen und Ganzen formen. Wenn Jack und Rose in der wohl bekanntesten Szene des ganzen Films am Bug ihren ersten Kuss erleben, dann bekommt schon mal Gänsehaut, nicht nur weil Cameron in seinem starken Skript die Figuren so gut unter Kontrolle hat und sie schlichtweg lebendig macht, sondern auch weil er inszenatorisch dieses Mammut-Projekt beherrscht. In detailfreudiger Ausstattung, mit einem wunderbaren Kameraspiel, dem wohl besten und eindringlichsten Soundtrack der Filmgeschichte und dem ständigen Wechsel zwischen tiefer Dramatik und einem sympathischen Humor gelingt ihm hier eine tieftreffende, ehrliche Balance. Wenn es dann im zweiten Akt zum großen Unglück kommt, sind wir gefesselt. Dies liegt daran, dass wir die Charaktere vorher sehr gut kennenlernen konnten, mit ihnen sympathisieren und uns ihr Schicksal alles andere als egal ist. Wenn vorher eingeführte Nebencharaktere auf einmal zuhauf vom Wasser fortgerissen werden, um Plätze in den raren Rettungsbooten kämpfen oder sich müde ihrem Schicksal ergeben, sind wir erschüttert... und das nur deswegen, man kann es nicht oft genug sagen, weil Cameron diesen Film in sämtlichen Emotionen so gut kontrolliert. Der Untergang der Titanic ist natürlich perfekt inszeniert, mit Spezialeffekten, die noch heute so bahnbrechend, so grandios, so perfekt aussehen, dass einem der Atem stockt. Cameron kreiert Szenen von atemloser Spannung, von schrecklicher Intensität, in welcher er die dramatischen Einzelschicksale nicht verharmlost. Innerhalb dieser einstündigen Achterbahnfahrt der Emotionen bewegen sich Schauspieler, die zuvor schon so überzeugend agiert haben, dass wir sie hier nicht verlieren wollen. Kate Winslet und Leonardo DiCaprio sind mit ihren wunderbaren Performances zurecht als eines der Leinwand-Paare schlechthin in die Filmgeschichte eingegangen und in Nebenrollen überzeugen besonders gestandene Recken wie Kathy Bates, Frances Fisher, Bill Paxton und Bernard Hill. Ein Film, der perfekt ist, der sich Zeit lässt, der Schrecken, Dramatik und Hoffnung miteinander vereint, der zu Tränen rührt, der schockiert, der einfach gnadenlos gut inszeniert ist, in sämtlichen Belangen. Ein Meisterwerk der Filmgeschichte und wer das kitschig oder langweilig findet, der weint dann wohl nur, wenn sich die "Transformers" bekriegen. "Titanic" hingegen gehört zum absolut Besten, was das Kino je gesehen hat.

Note: 1



Kommentare

  1. ....besten und eindringlichsten Soundtrack der Filmgeschichte...selten so gelacht.klebrige, fantasielose popmusik, kein vergleich zu den großen scores von waxman oder steiner

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