Als eine große Feindesschar unter dem Kommando der finsteren Hexe und Gestaltwandlerin Xianniang (Gong Li) ins Kaiserreich einfällt, wird ein Mann aus jeder Familie dazu verpflichtet, der kaiserlichen Armee beizutreten, um den Feind zu bekämpfen. Um ihren Vater zu schützen, der alt und von vergangenen Schlachten verletzt ist, stiehlt die junge Mulan (Liu Yifei) die Rüstung und das Schwert ihres Vaters und tarnt sich als Mann. So kann sie der kaiserlichen Armee unerkannt beitreten und nach ersten Schwierigkeiten beim Zusammenleben mit den anderen Soldaten im Trainingscamp sogar Akzente setzen. Während sich die Armee der Hexe bedrohlich nähert, setzt Mulan alles daran, um stärker zu werden und schließlich im Kampf gegen den Feind die Ehre für ihre Familie zu erlangen, die man ihr als Frau niemals geben wollte...
Der Ärger war groß. Nicht nur war "Mulan" eines der großen Filmprojekte, welches unter der Corona-Pandemie am meisten zu leiden hatte, bis es schließlich als Alternativlösung gegen einen Aufpreis auf dem Streamingdienst Disney Plus veröffentlicht würde... nein, auch die Fans der Zeichentrickvorlage zeigten sich erbost über all die Änderungen, die man für die Realverfilmung vorgenommen hatte. Dabei sind es eigentlich keine Änderungen, orientiert sich der Blockbuster von "Die Frau des Zoodirektors"-Regisseurin Niki Caro doch nicht an dem Animationsfilm aus dem Jahr 1998, sondern an der chinesischen Ballade, die bereits diesem zugrunde lag. Dementsprechend gibt es hier weder einen quasselnden Drachen namens Mushu noch eine Glücksgrille und auch der Feind der Protagonistin wurde ausgetauscht. Im Grunde bleiben nur einzelne Versatzstücke des Zeichentrickfilms übrig, Gesangseinlagen wurden gleich ganz gestrichen und auch der romantische Subplot der Vorlage wurde nur angedeutet. Wer sich also an dem Zeichentrickfilm festeist und verlangt, dass das doch bitte alles so bleiben soll, wie es damals so grandios gemacht wurde, der... ja, der soll sich doch bitte einfach diesen wunderschönen Zeichentrickfilm ansehen, denn der wird ja dadurch niemandem weggenommen. Eine neue, frische und eigene Interpretation eines bekannten Stoffes ist mir jedenfalls tausend mal lieber als ein solch seelenloses Szene-für-Szene-Remake wie noch bei "Der König der Löwen", der jegliche Eigenständigkeit zugunsten des Abspulens der gesamten Handlung des Originals opferte und dabei zugleich auch noch sämtliche Kraft und allen Charme verlor.
Was nicht heißt, dass "Mulan" in dieser Variante nun ein durch und durch guter Film ist. Nein, wir sprechen erstmal nur von guten Absichten, wodurch man hier eben nicht ausschließlich das geboten bekommt, was man erwartet. In seiner realen Neuinterpretation vergreift sich das Werk oftmals im Ton, da es zugleich ein (auch recht brutales) Epos sein möchte, aber eben auch Familienunterhaltung. Deswegen wechselt der Tonfall oftmals recht harsch zwischen finsterem Schlachtengemälde mit hohem Fantasy-Touch und einigen recht aufgesetzt wirkenden Comedy-Einlagen. Einige der Witze haben aber dennoch Charme, wenn Mulan sich im Trainingscamp der kaiserlichen Armee mit diversen Problemen auseinandersetzen muss - zum Beispiel, wenn es unter all diesen Männern, die bloß nicht herausfinden dürfen, dass in der schmucken Rüstung Mulans eine Frau steckt, sehr schwer wird, ein Bad zu nehmen und dass die Kollegen alsbald zu riechen beginnen. Darüber hinaus bleibt eine Geschichte, die aufgrund ihres Emanzipationsthemas sehr gut in die heutige Zeit passt und die erwartunsgemäß breit und weitestgehend mitreißend erzählt wird. Größere Überraschungen gibt es dabei nicht zu vermelden, dafür ist der Film aber spannend genug, um trotz kleinerer Längen bei der Stange zu halten. Auch Liu Yifei überzeugt mit Ausstrahlung und Präsenz in der Hauptrolle.
Rein optisch ist "Mulan" erwartungsgemäß ein großes Spektakel, welches auch auf dem heimischen Bildschirm genug Größe entfacht. In prächtigen Farben wird das China einer vergangenen Zeit zum Leben erweckt, mit aufwendigen Kostümen und einem grandiosen Setdesign. Harry Gregson-Williams hat einen schönen Soundtrack erschaffen, der immer wieder auch Melodien des Zeichentrickfilms einwebt und die visuellen Effekte entsprechen jedem Standard des heutigen Blockbuster-Kinos, gehen manch ein Mal sogar noch über ihn hinaus. Die Actionszenen haben Wucht und Klasse, doch wünscht man sich hin und wieder, dass sie etwas länger ausgefallen wären. Das gilt auch für einige Schlüsselmomente des Films, die etwas zu rasch abgespult werden und somit nicht ihre ganze Kraft entfalten können. Dass man sich von der Zeichentrickvorlage so weit wie möglich abgrenzen wollte, ist verständlich, um dem Werk einen ganz eigenen Rausch zu geben... aber wenn man für einige epische Szenen schon eine solche Vorlage besitzt, dann sollte man doch zumindest auf anderem Wege versuchen, zumindest zu diesen aufzuschließen. So rauscht "Mulan" über einige potenzielle Highlights viel zu rasch hinweg, was den Film letztendlich kühler macht als er eigentlich sein sollte.
Fazit: "Mulan" ist ein eigenständiger Blockbuster, der sich wohltuend von seiner Zeichentrickvorlage unterscheidet und somit wesentlich mehr Neuinterpretation als lasch neugefilmtes Remake ist. Optisch herausragend und mitreißend inszeniert fehlt es ihm in entscheidenden Momenten aber an der nötigen Kraft, die ein solches Epos mit sich bringen sollte.
Note: 3+
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