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Das Gift der Seele

Laura Sanderson (Robin Wright) scheint in ihrem Leben alles zu haben: Sie ist eine erfolgreiche Kuratorin, hat finanziell ausgesorgt und ihre Familie, bestehend aus ihrem Ehemann Howard (Waleed Zuaiter) und besonders ihrem Sohn Daniel (Laurie Davidson), steht ihr über alles. All das ändert sich jedoch, als Daniel eines Tages seine neue Freundin Cherry (Olivia Cooke) mitbringt, um sie der Familie vorzustellen. Von Anfang an hängt der Haussegen zwischen Cherry und Laura schief - Laura glaubt sogar, dass Cherry manipulative Züge besitzt und ihren Sohn anlügt. Dabei setzt Laura selbst auf allerlei fiese Züge, um Cherry von ihrer Familie fernzuhalten. Schon bald eskaliert das sich gegenseitige Belauern jedoch und die beiden Frauen geraten in einen Kampf um Daniel, der immer groteskere und letztendlich gefährlichere Züge annimmt...

Auf dem Papier hat sich die neue Miniserie von Amazon Prime Video ein zwar schon oft gesehenes, aber dennoch ziemlich spannendes Erzählmuster ausgesucht: Nicht alle, aber die meisten der sechs Folgen beginnen damit, eine Reihe von Ereignissen aus Sicht einer der beiden Hauptfiguren zu erzählen. Ungefähr zur Episodenmitte reist die Serie dann zurück und zeigt die gleichen Ereignisse aus Sicht der jeweils anderen Frau. So bekommen wir den Eindruck, dass beide Hauptfiguren sogenannte "unsichere" Erzählerinnen sind, da sich die gleichen Geschehnisse oftmals doch etwas anders zutragen, je nachdem aus welchem Blickwinkel sie nun berichtet werden und wie die jeweilige Person diese abgespeichert und empfunden hat. Was erstmal spannend klingt, ist letztendlich jedoch nur ein Gimmick, welches sich zudem recht schnell abnutzt, denn dieses Erzählmuster, was in Filmen wie 8 Blickwinkel bereits genutzt wurde, um dem Publikum nach und nach neue Erkenntnisse aufzutischen, bietet hier nichts von Belang. Schon früh ist klar, dass beide Hauptfiguren absolute Biester und mit allen Wassern gewaschen sind - wer hier nun was genau in welcher Situation falsch gemacht hat, spielt angesichts des ohnehin ausgetragenen Kampfes ohnehin keine Rolle und wird auch nicht wirklich aufgeklärt. Am Ende zählt nur, dass beide Frauen sich absolut nichts schenken und zu beinahe allem bereit sind - wer hier nun fieser oder intriganter ist, ist dabei im Grunde unwichtig, weswegen sich diese nette Erzähl-Idee im Grunde selbst ins Aus schießt.
Das haben die Macher wohl auch selbst bemerkt, weswegen sie diese erzählerische Struktur immer wieder doch zu den Akten legen und zu einer herkömmlichen Dramaturgie übergehen, bei denen der Blickwinkel also ganz normal wechselt. Es scheint so, als würde die sechsteilige Serie dadurch ein wenig aufgeplustert, um überhaupt auf diese sechs Folgen zu kommen. Letztendlich ist das aber halb so wild und eigentlich auch kein großes Problem, denn der mit jeder Episode fieser und grausamer werdende Kampf um einen jungen Mann, der hier offensichtlich zwischen zwei regelrechte Psychopathinnen geraten ist, hat auch so einen mehr als ordentlichen Unterhaltungswert. Die Spannung speist sich dabei weniger daraus herauszufinden, wer hier eigentlich die Gute ist, denn eine solche Person gibt es in dieser Serie nicht. Packender ist da schon zu sehen, was die eine Frau als nächstes tun wird, um die jeweils andere auszubooten. Das führt zu einem Machtkampf der Extraklasse, der sich immer energetischer steigert - bis zu einem effekthascherisch inszenierten und reichlich überzeichneten Finale, welches in dieser Form etwas vorhersehbar wirkt.
Dass uns hier, mit der Ausnahme der Nebenrolle von Lauras Ehemann, die aber wenn überhaupt nur recht passiv ins Geschehen eingreift, keinerlei Sympathieträger geboten werden, ist ebenfalls ein kleines Problem, denn auf Dauer wirkt das ständige Betrachten von ungemein egomanischen, regelrecht grausamen Personen natürlich ein wenig belastend. Wirklich die Daumen drücken mag man hier niemandem, denn dafür sind alle Figuren entweder moralisch viel zu abgründig oder in ihrer typischen "Reiche-Menschen"-Aquise zu unnahbar - letzteres gilt dabei dann für das eigentliche Objekt der Begierde, wobei sich da von Anfang an die Frage stellt, ob es hier wirklich um Daniel geht oder doch nur darum, einfach irgendwie die Kontrolle zu bewahren oder zu erhaschen. Und dennoch: Die ganze Sache wird zumindest niemals langweilig, hält mit der durchgehenden Spannung für die nächste Eskalationsstufe bei der Stange und ist zudem sehr, sehr schick gefilmt und inszeniert. Der Cast macht seine Sache ebenfalls großartig, wobei Robin Wright und Vollblüter-Star Olivia Cooke in den Hauptrollen nahezu ekstatisch agieren - ein Duell auf Augenhöhe, dem man vor allem deswegen gerne zusieht, weil hier zwei erstklassige Schauspielerinnen von völlig unterschiedlicher Ausstrahlung und Art aufeinander losgelassen werden, dass sich die Luft um sie herum förmlich entzündet. Da kann man einige dramaturgische Unentschlossenheiten gerne verzeihen.

Fazit: Das Gift der Seele hat Schwächen, keine Frage. Diese sind teils dramaturgischer Natur, teils auch Schulden des Drehbuchs. Diese Schwachpunkte sind in der Summe merkbar, aber niemals groß genug, um damit den hohen Unterhaltungswert eines bitter-bösen Psycho-Thrillers mit einem hervorragenden Cast zu verhageln. Denn bei aller Überzeichnung und Unwahrscheinlichkeit bleibt das Geschehen dank knackiger Wendungen und dem immer heftigeren Ankurbeln der Eskalationsstufen durchweg spannend.

Note: 3



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