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Ophelia

Weil sich die Königin Gertrude (Naomi Watts) von ihrem offenen und klugen Charakter angesprochen zeigt, wird Ophelia (Daisy Ridley), die Tochter des Ratgebers Polonius (Dominic Mafham) als Zofe im Königshaus aufgenommen. Dort muss sie sich nicht nur gegen die Sticheleien der gleichaltrigen Damen wehren, sondern auch gegen die Versuche des Prinzen Hamlet (George MacKay), der sich offensichtlich zu Ophelia hingezogen fühlt. Als Ophelia eines Tages jedoch beobachtet, wie sich die Königin mit ihrem Schwager Claudius (Clive Owen) einlässt und der König wenig später, offenbar durch den Biss einer Giftschlange, verstirbt, vermutet sie ein Komplott. Mit Wissen, welches sie nicht besitzen sollte, stiehlt Ophelia sich durch das Königshaus und bringt nicht nur sich und ihren Vater, sondern auch ihren Verehrer in Gefahr...

Die Geschichte ist im Grunde altbekannt, wurde im Jahr 2018 jedoch mit dem Fokus auf Ophelia selbst neu gedichtet und gesetzt. Die Quintessenz ist somit eine andere, weswegen der Film von Regisseurin Claire McCarthy, auch im Hinblick auf die aufwallenden, modernen Kämpfe zur Gleichberechtigung, eine frische Note erhält. Modernisiert wird er darüber hinaus nicht - "Ophelia" sieht aus, klingt und fühlt sich an wie eine Zeitreise, ist opulent bebildert, detailliert ausgeschmückt und lebt auch von den kitschigen, wunderbar geschriebenen Dialogen einer anderen Zeit. Optisch ist der Film somit erwartungsgemäß eine wahre Augenweide, wenn sich die Kamera über das im Sonnenaufgang erhabene Schloss des Königs erhebt oder Ophelia an einem warmen Sommertag durch die Felder streift. Auf der reinen Handlungsebene erlebt die Geschichte aber auch eine Neugeburt, die nicht immer überzeugt, aber durchaus frisch wirkt.
Im direkten Vergleich empfand ich die erste Hälfte des Werks, trotz eines emotional packenden Showdowns, als gelungener. Die Schritte, in denen sich Ophelia aufgrund ihres anderen Denkens, ihres cleveren Verhaltens und ihrer nachdenklichen, manchmal frechen Tugenden sowohl Feinde als auch Freunde im Haus des Königs macht, sind amüsant und erfrischend. Die sanfte Annäherung an ihren Verehrer Hamlet, das Erwehren gegen das Sticheln ihrer Konkurrentinnen und auch die leisen, stillen Momente, in denen Ophelia, schließlich auch "nur" eine Zofe, ganz besonders von dem Kontakt zur Königin profitiert. Später, wenn sich die Schlinge dramaturgisch immer dichter zuzieht und gefühlt jede handelnde Figur in diesem Puzzle aus Verrat und Lügen, Liebe und Furcht, noch einen neuen Stand finden muss, geht diese Leichtigkeit zugunsten des Plots etwas verloren. "Ophelia" bleibt, trotz einiger spürbarer Längen, spannend und interessant, doch die Wege durch das Schloss, durch die Augen einer jungen Frau, die ihrer Zeit mehr als voraus war, sind wesentlich erfrischender und lebendiger als alles, was danach kommt.
Daisy Ridley, die nach dem enttäuschenden Ende der neuen "Star Wars"-Trilogie beweisen muss, dass sie auch über Rey hinaus noch einen Stand in Hollywood haben kann, füllt die Titelrolle dieses Kostümdramas mit Präsenz, Leichtigkeit und dem Sinn für eine gewisse Extravaganz. Von ihren namhaften Kollegen lässt sie sich dabei niemals das Licht stehlen, spielt ihnen aber auch stets passend die Bälle zu. Eine Paraderolle ist es indes auch für Naomi Watts, die gleich in zwei Parts auftritt und dabei durchweg eine gewisse Undurchsichtigkeit wahren darf. Clive Owen's Claudius ist dabei einfacher gestrickt, dafür verleiht der "Hautnah"-Star seinem Antagonisten auch noch echtes Feuer. Neben einem soliden Tom Felton muss natürlich auch George MacKay erwähnt werden, der als Ophelias Verehrer zwar den undankbarsten Part erhalten hat, zum Glück aber genügend Gelegenheiten erhält, um darüber hinaus Tiefe zu entwickeln. Trotz dieser namhaften Besetzung ging der Film an den deutschen Zuschauern weitestgehend vorbei - wo er in den USA schon im Jahr 2018 erschien, dauerte es bis ins Jahr 2020, bis auch Deutsche das Werk sehen durften. Aufgrund der grassierenden Pandemie erschien er dann aber auch nur als Direktverwertung auf DVD und Blu-Ray, was gerade aufgrund der Bildgewalt ein wenig schade ist.

Fazit: "Ophelia" ringt der altbekannten Geschichte neue Facetten ab, ohne sie auf Gedeih und Verderb zu modernisieren. Optisch atemberaubend und insbesondere von Daisy Ridley kraftvoll gespielt, geht dem Film nach einer leichteren ersten Hälfte später zugrunde der eng geschnürten Dramatik ein wenig die Luft aus.

Note: 3





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