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The Lobster

Ein Leben ohne Partner ist nicht mehr wünschenswert in dieser Gesellschaft. Aus diesem Grund werden alle Singles in einem für sie vorgesehenen Hotel einquartiert, in welchem sie fünfundvierzig Tage Zeit haben, um unter strengen Regeln und mit klar strukturierten Tagesabläufen einen neuen Partner für ihr weiteres Leben zu finden. Gelingt ihnen dies nicht, werden sie nach dem Ablauf ihrer Zeit in ein Tier ihrer Wahl verwandelt, um als dieses weiterzuleben. David (Colin Farrell) wird von seiner Frau verlassen und zieht daher als Neuankömmling in das Hotel ein. Unter den strengen Augen der Hotelführerin (Olivia Colman) unternimmt er die ersten Schritte auf der Suche nach einer neuen Partnerin... und nach einer Möglichkeit, sein baldiges Leben nicht als Hummer, sondern als Mensch fortführen zu können.

Dieser Film lässt einen noch einmal anders über sein Singleleben nachdenken. Unter der brillanten Regie "The Killing of a Sacred Deer"-Regisseur Giorgos Lanthimos entwickelt sich in der ersten Hälfte dieser kruden und absurd anmutenden Psycho-Abhandlung eine grauenvolle Ausgangssituation. Mit schwarzem Humor und gnadenloser Abgezogenheit wird uns ein Leben präsentiert, in welchem jeder den zugehörigen Partner finden muss... und wenn nicht, dann war es das. Wirkliche Antworten, die uns erklären, was das eigentlich soll, wo wir uns befinden und was das eigentlich für eine Gesellschaft ist, bleibt er uns bewusst schuldig und das stört erstmal auch nicht. Denn die erste Stunde von "The Lobster" ist so detailreich ausgeschmückt, in jeder einzelnen Szene so brillierend, dass einem der Atem stockt. Es klingt auf dem Papier vollkommen absurd und das ist es im Film auch - dadurch, dass der Film das Vorgeschriebene aber so eiskalt durchzieht und dabei insbesondere in der Zeichnung seiner Charaktere so clever und taktiert vorgeht, entsteht ein einheitlicher Sog, der schockiert und packt.
Das zeigt sich besonders im Alltag in diesem schnöden Hotel, welches mit der Zeit Fragen aufwirft und uns ein Bild von dem ermöglicht, was hier eigentlich los ist... aber ohne dahinter eine echte Geschichte zu erzählen. Das weiß zu Beginn noch mehr als zu gefallen, wenn nach und nach über wenige Worte und kleine, signifikante Szenen echte Charaktere erschaffen werden, an deren Schicksal, auch wenn sie noch so kühl inszeniert scheinen, wir wahren Gefallen finden. Keine Frage, trotz oder auch gerade wegen seiner schrägen Ideen, die Lanthimos mit düsterem Witz und zugleich erschreckendem Psycho-Horror auf den Bildschirm bringt, ist "The Lobster" ein ganz eigensinniges Werk. Für die Schauspieler bieten sich indesx genügend Gelegenheiten zu glänzen, auch wenn es angesichts dieser namhaften Besetzung schwer ist, spezielle Leistungen hervorzuheben. Der Film ist bis in die kleinste Nebenrolle absolut passend besetzt und auch ein Colin Farrell kann hier womöglich nur so gut agieren, weil die anderen ihm so perfekt die Bälle zuspielen. Eine Extrabetonung hat sich indes Olivia Colman verdient, die als grausame Hotelinhaberin jede Szene stiehlt. Dass sie drei Jahre später ebenfalls unter Lanthimos' Regie für "The Favourite" ihren Oscar gewann, überrascht nicht, wenn man hier sieht, wie grandios beide in der Zusammenarbeit agieren.
Leider verfliegt die Euphorie über diesen ebenso deprimierenden wie gewinnenden Film in der zweiten Hälfte, wenn ein als solcher doch eher schwach aufbereiteter Locationwechsel vollzogen wird. Glaubt man erst, nun Antworten auf zuvor gestellte Fragen zu bekommen, so wird man dahingehend enttäuscht, dass "The Lobster" durch das, was er plötzlich zeigt, einige erhebliche Löcher in seinem Plot und seiner Struktur hinnehmen muss. Und als wenn das nicht genug wäre, so verliert er sich plötzlich in einem Sammelsurium aus verrückten Merkwürdigkeiten, was zwar auch zuvor bereits gegeben war, innerhalb seines Raumes aber noch goutierbar und, so merkwürdig es klingen mag, verständlich erschien. In der zweiten Hälfte verliert der Film daher nicht nur die Kontrolle über das, was er erzählen und ausführen will und speist den Zuschauer mit einigen recht unnahbaren Fragezeichen ab, sondern er schlägt auch noch arg merkwürdige Haken. Das macht die erste Hälfte, die so voller brillanter Momente war, leider ein wenig zunichte und zeigt, dass manche Antworten vielleicht nicht gegeben werden sollten... wenn man stattdessen auch andere hätte erhalten können.

Fazit: "The Lobster" teilt sich in zwei Hälften - die eine ist meisterhaft inszeniert und geschrieben, voller kühlem Grauen und düsterem Witz, wie ein Schlag ins Gesicht. Die andere verliert sich in kopflosem Wahnsinn, ohne ein klares Ziel und ohne echte Energie.

Note: 3+





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