Jahrelang hat Cecilia Kass (Elisabeth Moss) unter den psychischen und physischen Gewalttaten ihres Freundes Adrian Griffin (Oliver Jackson-Cohen) gelitten, bis es ihr endlich gelang, aus dem gemeinsamen Haus zu entfliehen und bei ihrem guten Freund James Lanier (Aldis Hodge) unterzukommen. Seitdem traut sie sich nicht mehr vor die Tür und fühlt sich von Adrian verfolgt... bis sie eines Tages erfährt, dass er sich selbst das Leben genommen hat. Ein neues Leben scheint für Cecilia zu beginnen, doch dann geschehen seltsame Dinge in Laniers Haus. Schon bald ist Cecilia der Überzeugung, dass Adrian seinen Tod nur vorgetäuscht hat und seine große Liebe noch immer stalkt - wobei er es irgendwie geschafft haben muss, sich unsichtbar zu machen.
Nachdem die Pläne der Universal Studios, aus Remakes ihrer bekannten Monsterstoffe ein ähnlich zusammenhängendes Franchise wie das Marvel Cinematic Universe zu kreieren, nach dem finanziellen Flop rund um "Die Mumie" aus dem Jahr 2017 schnell wieder beerdigt wurden, schuf das Studio neue Pläne, um die neuen Auftritte der bekannten Horror-Antagonisten doch noch durchzukriegen. Dieser sah nun vor, kein zwingend zusammenhängendes Universum mehr zu erschaffen, sondern Kreaturen wie den Wolfsmenschen oder eben den Unsichtbaren in eigenständigen Werken in die Kinos zu bringen. Wie weit man damit nun kommen wird, muss noch abgewartet werden - schließlich begeisterte "Der Unsichtbare" zwar die Kritiker, startete jedoch kurz vor dem Ausbruch der Corona-Epidemie, was einen finanziellen Erfolg (der diesmal wohl fast sicher gewesen wäre) wieder schwierig machte. Es wäre aber durchaus wünschenswert, dass das Projekt diesmal gelingt, denn wenn die nachfolgenden Filme auch nur ansatzweise die Qualität des Erstlings aufweisen, dann können wir uns in den nächsten Jahren auf einige ziemlich gruselige Horrorstoffe freuen.
Hand angelegt an diesen Film hat Leigh Whannell, der durch seine Drehbuch- und Produzentenarbeiten an mittlerweile kultigen Horrorfilmen wie "Saw" oder "Insidious" schon zuvor bewiesen hat, dass er mehr als nur ein gutes Händchen dafür hat, seine Zuschauer zu schocken. Diesmal setzt er auf dem Regiestuhl weniger auf plumpe Schockeffekte als viel mehr auf eine schneidende Atmosphäre: Besonders die erste Stunde ist dabei, trotz langsamen Tempos und einer ausgedehnten Charakterzeichnung, bravourös inszeniert, mit viel Ruhe und ausladenden Gruselszenarien. Dabei drückt Whannell das Gaspedal im weiteren Verlauf immer noch ein wenig weiter durch: Die Handlung ist nicht sonderlich originell und hinterlässt am Ende auch einige Fragezeichen, doch wie der Regisseur es hier schafft, die Situation für die arme Cecilia immer noch unangenehmer und aussichtsloser zu gestalten, dabei auch in den zentralen "Actionszenen" eine schier wahnwitzige Ideenvielfalt mitbringt, das ist schon großes Horrorkino. Whannell nutzt die Schwierigkeiten, aber auch die Vorteile, welche die Bedrohung eines unsichtbaren Gegners mit sich bringt, vor allem physisch und atmosphärisch und holt dabei das Optimum raus - in einigen Szenen ist "Der Unsichtbare" dabei so spannend und dank morbider und treffsicherer Wendungen so schockierend, dass einem der Atem stockt.
Ein wenig torpediert er sich zwar gegen Ende selbst, wenn der überraschend ruhige, auf reiner Plotebene aber eher enttäuschende Showdown doch etwas zu lauwarm aufgebrüht wird. Sicherlich wird hier auch bereits in Richtung eines möglichen Sequels geschielt, welches angesichts der neuen Ausgangslage zum Rollen des Abspanns durchaus interessant werden könnte, doch der emotionale Fallfaktor gerät hier nicht mehr ganz so hoch. Das liegt zum Teil auch daran, dass nicht alle Figuren wirklich sauber geschrieben wurden, was besonders für die Nebencharaktere gilt. Die handeln nämlich oftmals einfach nur so, wie es die Dramaturgie gerade für notwendig hält, weswegen deren emotionale Grundstruktur innerhalb von Minuten von "herzlich offen und loyal" zu "abwehrend und im Stich lassend" wechselt. Cecilia selbst ist als traumatische Hauptfigur auch nicht unbedingt schärfer geschrieben, lebt jedoch von der energiegeladenen Performance von "Wir"-Star Elisabeth Moss. Alleine die erste Szene, in welcher sie mit Tricks und Tränen aus dem Haus ihres Freundes Adrian flieht, macht jede emotionale Regung dank Moss' eindringlichem Spiel, aber auch durch Leigh Whanell's ausgeglichene Inszenierung zu einem wahren Spießrutenlauf.
Fazit: "Der Unsichtbare" ist der vielversprechende Startschuss für das hoffentlich diesmal funktionierende Universum der Universal-Horrorfiguren. Hochspannend, stark inszeniert, mitunter ideen- und wendungsreich. Erst gegen Ende verliert diese düstere Variante ein wenig den Boden unter den Füßen.
Note: 2-
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