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Lindenberg! Mach dein Ding

Als Kind hat er unter der Alkoholsucht seines Vaters leiden müssen, später wurde er aufgrund seiner Träume ausgenutzt und gelinkt: Udo Lindenberg (Jan Bülow) glaubt fest daran, ein gefeierter Musiker zu werden. In den 60ern Deutschlands steht das Zeichen auf Mainstream, um ein großes Publikum zu begeistern, weswegen Lindenberg mit seinen deutschen, sperrigen Texten erst einmal auf taube Ohren bei Manager Mattheisen (Detlev Buck) stößt. Eine Chance wird dennoch ergriffen und Udo und sein Freund Stephan (Max von der Groeben) erhalten die Gelegenheit für erste Aufnahmen. Als diese im Sande verlaufen, wird Udo ungehaltener... und setzt seine eigenen Vorstellungen, die ihn später zu Ruhm und Geld bringen sollten, eisern durch.

Zugegeben: Mit Udo Lindenberg hatte ich bislang nichts am Hut. Wer nun über einen lange geplanten Wortwitz lachen mag, darf diese Worte dennoch ernst nehmen: Ich feiere Lindenberg als einen schier unnachahmlichen Künstler, mit seinem Werk verbindet mich bis heute aber nichts. Ich bin daher sicherlich nicht das Zielpublikum, auf welches dieses deutsche Biopic abzielt... dass mich der Film dennoch so dermaßen abgeholt hat, lässt mich vermuten, dass die Fans des alten Rockers diesen Genuss noch einmal verdoppeln können. Es ist nicht so, dass "Lindenberg!" eine wahnsinnig originelle Geschichte erzählt - im Grunde sehen wir hier, wie in "Bohemian Rhapsody" oder "Ray" und wie sie nicht alle heißen, den Aufstieg eines großartigen Musikers... und dass eben dieser nicht so glamourös verlaufen ist, wie man es vermuten mag. Da gibt es Stunk mit Kollegen, Probleme mit Alkohol und Drogen, das Wettern gegen den Mainstream. Das ist nicht neu und dementsprechend gibt es hier auch wenig Überraschungen. Das, was den "Lindenberg"-Film dann aber doch so ansprechend gestaltet, ist eben das "Wie" und nicht unbedingt das "Was".
Da wäre zum einen eine stilsichere Atmosphäre, die besonders die schmutzigen Spelunken Hamburgs so kongenial nachbaut und umfasst, wie es zuletzt nur dem ganz anders gearteten und dennoch ungemein intensiven "Der Goldene Handschuh" gelang. Die Ausstatter und Setdesigner entwickeln eine detailreiche Szenerie, die sich durch den Bildschirm hinaus entfaltet - man kann die Zigaretten, das Bier und die stickige Luft beinahe riechen. Kommt ein lebendiger Schnitt und auch ein auch abseits von Udos bekannten Hits schmissiger Soundtrack hinzu, und wir fühlen uns wie in die 60er und 70er zurückversetzt. Besonders die Rückblenden in Udos ungemütliche Kindheit leben von diesen atmosphärischen Details. Man mag handlungstechnisch beklagen, dass die Dramatik des Films keine ganz große ist - gerade im direkten Vergleich mit seinen großen Vorbildern scheint der Aufstieg und mögliche Fall der deutschen Rocklegende eher glimpflich abzulaufen. Auch hier ist es jedoch löblich, dass die Macher sich keine unsinnige, zugespitzte Variante zurechtgeschrieben haben, sondern mehr auf Stil und Atmosphäre setzen... und auf ihre Stars vor der Kamera.
Jan Bülow verleiht der lebenden Rocklegende in seinen jungen Jahren einen unnachahmlichen Rotz, ein loses Mundwerk und dennoch viel Herz. Er hat sich dabei nicht nur die optischen Charakteristika des Musikers angeeignet, den er hier verkörpert, sondern macht daraus auch immer noch sein eigenes Ding - ganz getreu des Filmuntertitels. Das ist schon eine sehr achtbare Vorstellung, die der junge Bülow, der in beinahe jeder Szene zu sehen ist, hier darbietet. Ein echtes Schmankerl für jüngere Filmfans bietet auch die Besetzung von Max von der Groeben und wer den jungen Schauspieler bislang nur als seinen klamaukigen Parts aus den drei "Fack Ju Göhte"-Filmen kennt, der dürfte angesichts einer solch erwachsenen Darstellung erstaunt sein... falls er ihn denn unter seinem dichten Schnauzbart noch erkennt. Mehr als erwähnenswert, wenn auch keine Überraschung, ist Detlev Buck. Der ist schlichtweg immer großartig und findet in der Rolle des Managers dann eben auch ein Paradeding, welches er locker und mit viel Witz ins Ziel fährt.

Fazit: Unter den Musikerbiopics nimmt "Lindenberg" nicht wegen seiner überraschungsarmen Handlung, sondern wegen des offensichtlichen Herzbluts, welches dieses Projekt begleitete, eine besondere Stellung ein. Dieses spürt man in jeder Faser der Inszenierung, über das wunderbare Setdesign bis zum Casting des grandiosen Hauptdarstellers.

Note: 2





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