Unter den diesjährigen Nominierten für den Oscar als bester Film hatte "The Favourite" für mich eine besondere Position inne. Das ist erstaunlich, da ich mit Kostümfilmen ansonsten wenig bis gar nichts anfangen kann. Auf diesen freute ich mich jedoch besonders, da er frecher zu sein schien als seine Genre-Kollegen. Wo sich andere Werke in üppigen Kostümen, schmachtenden Blicken und gestelzten Worten verlieren, wollte der Film von Regisseur Giorgos Lanthimos erfrischend anders sein und die bitterbösen Intrigen am englischen Königshof mit der Hilfe einer gestandenen Starbesetzung aufdecken. Das klang schrill, packend und herrlich düster und somit genau nach dem, was das Genre meiner Meinung nach schon viel eher gebraucht hätte. Nun konnte ich das oscarprämierte Werk endlich nachholen, war aber zumindest in Ansätzen ein bisschen enttäuscht...
THE FAVOURITE
Im 18. Jahrhundert tobt ein Kampf der Intrigen am englischen Königshaus: Queen Anne (Olivia Colman) hat ihr Land nicht unter Kontrolle und lässt es dem Krieg anheim fallen, leidet zudem unter einer furchtbaren Gicht, während ihre Beraterin Sarah Churchill (Rachel Weisz) ihr verdorbene Worte ins Ohr flüstert. Zu genau dieser Zeit erscheint Abigail Masham (Emma Watson), Sarahs Cousine, am Hof und bittet um Arbeit. Mit der Zeit arbeitet sich Abigail von einer Küchenmagd plötzlich zur Zofe der Königin durch und erhält Ansehen und Respekt... etwas, was Sarah gar nicht passt, entzieht sich die kränkliche Königin zugunsten der jungen Frau doch plötzlich ihren Kreisen. Sarah sagt nun Abigail den Kampf an, doch diese möchte den Ring nicht mit gesunkenen Fäusten verlassen und holt zum Gegenschlag aus.
Ja, es ist tatsächlich ein etwas anderer Kostümfilm - vergleicht man ihn beispielsweise mit "Maria Stuart" (beide liefen im Abstand von einer Woche in den deutschen Kinos an), hat man zwar zwei Filme vom selben Genre, die von der Tonalität aber kaum unterschiedlicher sein könnten. "The Favourite" ist wesentlich frecher und mutiger als viele seiner Genre-Kollegen und zeigt den internen Kampf hinter den verschlossenen Türen des Königreichs als bitterböse Auseinandersetzung dreier standhafter Frauen. Der Film beginnt mit herrlich aneinandergeschnittenen Momenten, in denen uns die Hauptfiguren vorgestellt werden und macht später, wenn wir dann den Geheimnissen, die hier enthüllt werden und auch Abigail Mashams Werdegang im Königshaus zusehen dürfen, auch sehr viel richtig. In der zweiten Hälfte beginnt der Film jedoch ein wenig zu schludern und mutet sich zu viel zu - es wird offensichtlich, dass die Prämisse rund um den Kampf um die Macht über die Königin nicht über zwei Stunden trägt. Zwar ist "The Favourite" auch in seinen schwächeren Momenten noch ein hervorragend inszeniertes und optisch opulentes Kostümwerk, welches sich traut, dahinzutreten, wo es wehtut, aber die Genialität der ersten Stunde wird später nicht mehr erreicht.
Das größte Feuerwerk bieten jedoch erwartungsgemäß die Schauspielerinnen: Olivia Colman sorgte bereits mit einer der witzigsten, ehrlichsten und charmantesten Reden der Oscargeschichte für Aufsehen, als sie den begehrten Goldjungen als beste Hauptdarstellerin entgegennehmen durfte. Nun, nach der Sichtung des Films, scheint schwer vorstellbar, dass eine ihrer Konkurentinnen (unter anderem Lady Gaga für "A Star is Born" und Glenn Close für "Die Frau des Nobelpreisträgers") diesen Preis mehr verdient hätte. Colman glänzt als schwer kranke, psychisch vernachlässigte und mit sich hadernde, neben sich stehende Königin, die von ihren Bediensteten, welche sie mit blitzenden Zähnen und lächerlichen Verbeugungen umgarnen, ausgenutzt wird. Colman ist das Herz des Films und auch wenn es anfangs schwerer fällt, einen Zugang zu ihrer schrulligen, bisweilen passend überzeichneten Darstellung zu finden, kann man den Blick kaum von ihr abwenden.
Rachel Weisz und "La La Land"-Star Emma Stone steht es derweil zu, mit ausgefahrenen Krallen den Kampf auszufechten, der den Hauptplot des Werkes darstellt. Beide agieren absolut großartig, Stone sticht angesichts der sympathischeren, zugänglicheren Rolle noch etwas mehr hervor. Eine Extrabetonung verdient sich mit Nicholas Hoult auch ein männlicher Schauspieler, der hier in prachtvollen Kostümen und mit schrägem Make-Up für etliche Lacher sorgt. Es ist also in erster Linie ein ganz großes Schauspielkino und das Duell dreier Frauen auf der Höhe ihres Könnens. Nebenbei sieht "The Favourite", wie es sich für einen Film dieses Formats gehört, natürlich auch großartig aus, bietet opulente Kostüme, prachtvolle Sets und einen schönen Soundtrack. Mit mutigen Schnitten und gewagten Kamerafahrten umgeht Regisseur Lanthimos zudem auch die Gefahr, auf Dauer zu trocken herüberzukommen und findet in der alten Zeit durchaus neumodische Züge. Das entschädigt nicht dafür, dass schließlich doch einige Längen auftreten und der Film etwas unbefriedigend endet, aber immerhin bekommt man durchgehend etwas fürs Auge geboten.
Fazit: "The Favourite" ist allen voran das herrliche Duell dreier Top-Schauspielerinnen auf dem Höhepunkt ihrer Karriere - für die brillante Olivia Colman gab es dafür gar den Oscar. Später lässt das freche Kostümdrama etwas Federn, sieht aber dennoch durchgehend brillant aus und hat einige bravouröse Dialoge zu bieten, die man in diesem Genre nur selten findet.
Note: 3+
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