Alpha (Samantha Morton), die Anführerin der berüchtigten Flüsterer, hat mit einem grausamen Massenmord während der Festlichkeiten des nun zerstörten Königreichs für ein Trauma unter den Überlebenden in Alexandria, Hilltop und Oceanside gesorgt. Während Daryl (Norman Reedus), Michonne (Danai Gurira) und Co. ihre Wunden lecken, schwört Carol (Melissa McBride) alsbald auf Rache und übergeht dafür auch todesmutig die zuvor von den Flüsterern erhobenen Grenzen. Damit bringt sie jedoch nicht nur sich, sondern auch ihre Freunde in Gefahr. Alpha ist derweil bemüht, ihre Leute weiterhin um sich zu scharen und hält diese mit Lügen aufrecht. Unterdessen plant auch der verschlagene Negan (Jeffrey Dean Morgan) neue Schandtaten und macht den Menschen, die ihn seit acht Jahren in einer Zelle gefangenhalten, das Leben schwer...
Die neunte Staffel von "The Walking Dead" brachte mit der neuen Showrunnerin Angela Kang den erhofften und benötigten Aufschwung. Wo die Serie zuvor zumindest drohte, langsam ihren Reiz zu verlieren und sich in zäher Langsamkeit ohne echte Plotrelevanz zu verirren, waren diese neuen Folgen mit viel Mut, Gefühl und echtem Horror angesichts eines frischen und angsteinflößenden Feindes ein wahrer Schatz für die beinharten Fans der Serie. Dabei hielt Kang sogar einige der grausamsten und erschütterndsten Szenen der ganzen Show bereit und endete auf dem absoluten Höhepunkt. Ich habe dementsprechend nicht erwartet, dass die nächste Staffel (die zudem auch die vorletzte sein wird - "The Walking Dead" wird mit einer kommenden elften Season endgültig enden) an diese Qualität anknüpfen könnte. Schließlich hatte man mit dem emotionalen Abschied der Hauptfigur Rick Grimes und dem grausamen Tod von gleich zehn Charakteren am Ende der Staffel so markante Eckpfeiler gesetzt, dass es schwer sein würde, diese noch einmal zu toppen. Und nein, Staffel 10 toppt sie auch nicht. Viel enttäuschender als dieser erwartbare Fakt ist viel mehr, dass man sich über mehrere Folgen hinweg wieder dem Erzählrhytmus anbiedert, der in den Staffeln 8 und besonders 7 noch den Eindruck machte, dass die Macher nicht mehr wissen, wie sie ihren Plot wirklich weiterführen wollen.
Im Fokus steht natürlich der Kampf gegen Alpha und ihre Bande aus Flüsterern, denn trotz ihrer Warnungen wollen Alexandria, Hilltop und Co. nicht kampflos aufgeben und den Tod ihrer Freunde als Nichtigkeit abtun. In der ersten Staffelhälfte tut sich in diesem aufbauenden Krieg aber erstaunlich wenig und oftmals weiß man nicht mal genau, welchem dramaturgischen roten Faden die Macher derzeit folgen. Das hat natürlich auch immer noch mit dem enormen Figurenensemble zu tun - angesichts so vieler Haupt- und Nebencharaktere, die zu ihrem Recht kommen wollen, ist es nicht immer möglich, einfach geradlinigen Plotmustern zu folgen und das ist hier auch gar nicht erwünscht. Trotzdem fällt hier der Unterschied zwischen starken und schwachen Plots auf, während einige nicht allzu interessante Nebenhandlungen auf ganze Episoden ausgewalzt werden. Über mehrere Folgen hinweg brodelt die Gefahr einer drohenden Eskalation der Situation - runtergebrochen auf die reine Handlung passiert da bis zur zweiten Hälfte aber auch nicht viel mehr. Die Charaktermomente, die dieses dünne Storygeflecht ausgleichen sollen, sind über weite Strecken dafür immer noch sehr charmant, auch wenn einige Figuren hier eher mitgeschleift werden und nicht ganz klar wird, wofür man diese derzeit immer noch braucht. Da müssen einzelne Figuren sogar mal für mehrere Episoden verschwinden, um dann schnurstracks wieder aufzutauchen... was dem Plot so aber auch nicht weiterhilft. "The Walking Dead" dreht sich hier einfach wieder für längere Zeit im Kreis, ohne dass wir an den signifikanten Eckpfeilern der Handlung wirklich vorankommen würden.
Diese Lage bessert sich in der zweiten Hälfte aber merklich. Ohne zwar jemals an die Höhepunkte der vorherigen Staffel heranzukommen, bekommen wir dort endlich wieder gewohnte Hochspannung geboten. Dass diese oftmals daraus resultiert, dass sich viele Charaktere etwas kopflos verhalten, mag stören, bringt aber auch ganz wunderbare Suspense-Momente hervor. Und auch auf dramatischer Ebene halten die Macher die vielen Fäden später wesentlich besser und sinniger zusammen. Das führt dann zu einem richtig starken Finale, welches die einzelnen Handlungsebenen sehr passend verbindet und einen stimmigen Höhepunkt des Flüstererkrieges bietet. Als Foreshadower für die große Finalstaffel funktionieren diese Episoden ebenfalls sehr ordentlich, auch wenn ich befürchte, dass man sich selbst für die kommenden 24 (!) Episoden noch etwas zu viel aufgeladen hat. Das Ensemble ist weiterhin sehr groß, wobei sich alle Beteiligten aber mittlerweile schlichtweg eingespielt haben. Denn auch wenn Norman Reedus und Melissa McBride das Feld anführen, so gibt sich hier niemand echte Blöße. Ein wahrer Scene Stealer ist hier die kleine Cailey Fleming, die besonders in den wenigen Momenten zusammen mit Negan absolut glänzt. Der frühere Antagonist kommt hier ebenfalls wesentlich besser weg: Musste der großartige Jeffrey Dean Morgan die neunte Staffel noch weitestgehend im Knast aussitzen, so darf er hier endlich wieder zur Tat schreiten und zur Höchstzeit sogar zu einem der zentralsten Protagonisten heranwachsen, was ihn zu einer Art heimlichen Helden macht.
Als kleinen Bonus gibt es nach der gewohnten Staffel, die sechzehn Episoden enthält, noch sechs weitere Folgen obendrauf. Da sich der Drehstart der finalen elften Season aufgrund der Pandemie verzögerte, beschlossen die Macher sechs Folgen zu drehen, die unter kleineren Bedingungen und mit einem überschaubaren Cast produziert und eine Brücke zur nachfolgenden Staffel schlagen konnten. Angesichts eines solchen Geschenks will man dann auch nicht zu böse sein, wenn in diesen Episoden handlungstechnisch im Grunde rein gar nichts passiert und sich der Plotverlauf manch einer Folge im Grunde mit "Protagonistin sucht nach Zutaten für eine leckere Suppe" beschreiben lässt. Die hier recht ungezwungenen Charaktermomente machen aber Freude und in der wirklich letzten Staffelepisode gibt es zudem auch noch Einblicke in die Vergangenheit einer Figur, die uns schon lange interessiert und sogar mit emotionalen Höhepunkten aufwartet. Insgesamt sind diese sechs Episoden somit zwar eine reichlich zähe Angelegenheit, haben aber ihre charmanten Momente abseits des großen Zombie-Spektakels.
Fazit: Die zehnte Staffel agiert hin und wieder etwas kopflos und braucht sehr lange, um ordentlich in Fahrt zu kommen. Ist der Weg aber erstmal klar, gibt es wieder ausreichend viele Highlights zu bewundern, auch wenn einige Längen und manch ein dämliches Verhalten einer Figur den Spannungsbogen trüben.
Note: 3+
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