Nach der Trennung von ihrer Familie und einem gescheiterten Suizidversuch lebt die schwer depressive Therapeutin Anna Fox (Amy Adams) alleine in einem großen Appartement, welches sie aufgrund einer Angststörung nicht mehr verlassen kann. Um sich die Zeit der Einsamkeit zu vertreiben, beobachtet Anna tagtäglich die Nachbarn auf der anderen Straßenseite und hegt bald einen Verdacht gegen den neu eingezogenen Geschäftsmann Alistair Russell (Gary Oldman). Nach einem schrecklichen Verbrechen in Russells Wohnung ist Anna überzeugt davon, dass dieser ein Psychopath ist, doch will ihr die Polizei aufgrund ihres Zustands keinen Glauben schenken. Anna ringt bald selbst mit sich... doch kann sie sich all diese Taten tatsächlich nur eingebildet haben?
Eigentlich konnte hier doch gar nichts schiefgehen. Die Besetzung dieses erst von Disney produzierten und schließlich zu Netflix abgeschobenen Psycho-Thrillers enthält zwei Oscarpreisträger, einen zurzeit allseits beliebten Marvel-Star und mit Amy Adams in der Hauptrolle eine der ganz großen in Hollywood, die bereits sechs Mal für die begehrte Goldstatue nominiert wurde. Die Regie übernahm mit Joe Wright zudem einer, der gerade im Dramabereich mit "Abbitte" ein ganz starkes Werk abgeliefert hatte und als Referenz stand für diese Geschichte niemand anderes als der große Alfred Hitchcock, was unübersehbare Parallelen zu seinem Klassiker "Das Fenster zum Hof" deutlich machen. Und trotzdem ist "The Woman in the Window" letztendlich ziemlich deutlich gescheitert - qualitativ und auch im Marketingbereich, wo Netflix diesen Film recht unrühmlich und ohne große Kampagnen zwischen die weiteren Blockbuster-Starts um "The Army of the Dead" und "Oxygen" platzierte. Die Fehler liegen dabei breit gefächert vor und finden sich in Wrights substanzloser Inszenierung, in den mangelhaften Charakterzeichnungen und auch in einer ziemlich wirren Geschichte.
Über jeden Zweifel erhaben agiert erwartungsgemäß "American Hustle"-Star Amy Adams, auch wenn hier keine weitere Oscarnominierung drin sein muss. Adams muss den gesamten Film auf ihren Schultern tragen und verkörpert die verwirrte Anna Fox mit genau dem richtigen Maße aus Furcht und Selbstbewusstsein. Die restlichen Figuren wirken, vielleicht auch aufgrund Annas nicht gerade vertrauenswürdigem Blickwinkel, wesentlich schwammiger - da kann sogar der große Gary Oldman kaum mehr Tiefen aus seiner eindimensionalen Figur herausloten. Auch Julianne Moore und Anthony Mackie bekommen in ihren wenigen Szenen kaum etwas zu tun, sodass am Ende eine Figur die interessanteste ist, die scheinbar eher nebenbei mitläuft: Annas Mieter David, gespielt von "Table 19"-Star Wyatt Russell, wirkt wesentlich undurchsichtiger als die doch recht eindeutig auf gewisse Fährten und Wendungen zurechtgestutzten Nachbarn Annas und als immer wieder anwesender Ruhepol, dem man aber dennoch nicht richtig über den Weg trauen mag, sieht man sich diesen David sehr gerne an. Leider hinkt das unausgegorene Drehbuch letztendlich auch bei seiner Figur ein wenig.
Dieses wirkt in seinem Bemühen, unbedingt noch auf eine zentrale Wendung zusteuern zu müssen und dem Zuschauer dabei keinen echten Halt zu ermöglichen, da auch Anna als Hauptfigur keine vertrauenswürdige Quelle ist (immerhin ist sie nicht nur schwer traumatisiert, sondern hat auch noch ein Alkoholproblem und ist süchtig nach diversen Medikamenten - halleluja!), ziemlich verkopft. Die falschen Fährten, die das Skript legt, wirken eher mau und die letztendliche Auflösung der Ereignisse, kommt zwar überraschend, ist aber als solche auch enttäuschend, da nur schwach vorbereitet und ziemlich rasch abgeklärt. Davor hält "The Woman in the Window" zwar recht ansprechend sein Tempo, kann das im Zentrum stehende Drama und auch den Thriller-Part aber nie wirklich gut kombinieren. Was am Ende bleibt sind einige nette visuelle Einfälle des Regisseurs sowie eine starke Amy Adams - diese beiden Faktoren können jedoch nur zeitweise über aufkeimende Langeweile und die unoriginelle und recht hanebüchene Geschichte hinwegtäuschen.
Fazit: Trotz einer gewohnt starken Amy Adams kommt "The Woman in the Window" aufgrund seiner wirren Handlung, seiner schwach gezeichneten Charaktere und der überzeichneten Inszenierung nie wirklich in Fahrt und hält den Zuschauer bis zum enttäuschenden Finale mit Klischees und durchschaubaren falschen Fährten hin.
Note: 4+
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