Im Jahr 1956 beginnt Ruth Bader Ginsburg (Felicity Jones) ihr Jurastudium in Harvard... als eine von nur neun Frauen. Eine Behauptung in der Männerdomäne fällt schwer, da die Gesetze, die sie lernen muss, immer wieder in Rollenklischees abdriften. Schon früh fasst Ruth daher den Entschluss, gegen solcherlei sexuelle Diskriminierung vorzugehen - als sie keinen Job in einer Kanzlei erhalten kann, da sie eine Frau ist, bestärkt sie dies nur. Dennoch soll es bis in die 70er Jahre dauern, bis Ruth und ihrem sie in allen Belangen unterstützenden Ehemann Martin (Armie Hammer) ein Fall zufällt, der genau diese Gesetze endlich kippen könnte. In diesem wird innerhalb des Steuerrechts tatsächlich ein Mann diskriminiert, da dieser keinen Steuererlass erhält, obwohl er seine kranke Mutter pflegen muss. Ruth nimmt sich des Falles an, um ihn nicht nur zu gewinnen, sondern darüber hinaus auch die haltenden Gesetzte der Vereinigten Staaten zu verändern...
Die echte Ruth Bader Ginsburg ist erst vor wenigen Monaten verstorben - Zeit ihres Lebens hat sie die Gesetzte der Vereinigten Staaten mit Mut, Köpfchen und Entschlossenheit durchgeschüttelt. Eine Geschichte wie gemacht für einen Film, gerade zur heutigen Zeit, in welcher Geschlechterdiskriminierung, Gleichberechtigung und Benachteiligung aufgrund des Geschlechts zum Glück erneut diskutiert werden. Es ist ein wichtiges Thema und niemand dürfte bestreiten, dass Ginsburg unglaublich viel für die Welt getan hat, in der wir jetzt leben. Da ist es schade, dass ihr im Jahr 2018 kein besseres, filmisches Denkmal gesetzt wurde - Mimi Leders Justiz-Drama hat zwar durch seine wahre Geschichte ein echtes Drama zu bieten, welches aktuell und wichtig wirkt, fußt aber rein dramaturgisch nie so sehr, wie es nötig gewesen wäre.
Relativ lange braucht "Die Berufung", um über seine zwei Stunden hinweg wirklich in Schwung zu kommen. Die rasanten Zeitsprünge, welche der Film in der ersten Hälfte vollführt, lassen einen sehr gehetzten, zerfaserten Handlungsverlauf erkennen, der immer wieder einzelne Subplots mitnimmt, die später aber keinerlei Rolle mehr spielen, so zum Beispiel Martys Krebserkrankung. Erst in der zweiten Hälfte bekommt der Film einen gesetzteren Fokus und somit auch so etwas wie einen konkreten Spannungsaufbau, an dem man sich festhalten kann. Im direkten Vergleich mit anderen Justiz-Filmen kann er aber auch keinen Blumentopf gewinnen: Zu mühselig inszeniert sind die hier eher trockenen Schlagabtausche, zu willkürlich gesetzt die dramaturgischen Tiefschläge. Es ist eine vorhersehbare, wenn auch sicherlich berührende Geschichte, die aber aufgrund ihrer zusammengestelzten Charaktere und einer klischeehaften Dramaturgie niemals aus der Konkurrenz hervorragen kann. Das macht das Thema, um das es hier geht, nicht unwichtig, beileibe nicht... aber das filmische Denkmal für diese Fälle wirkt zu spröde, leblos und fade.
Felicity Jones kann man da wenig Schuld in die Schuhe schieben. Trotzdem hat sie auch keinen rechten Biss - wenn man in der letzten Szene des Films die echte Ruth Ginsburg die Stufen des Obersten Gerichtshofes hinaufgeht, sehen wir die Kampfeslust und die Entschlossenheit, die "Die Entdeckung der Unendlichkeit"-Star Jones bis dahin nur sporadisch gefunden hat. Da wirkt ein Armie Hammer im Hintergrund wesentlich gefestigter und auch nahbarer. Trotzdem, die Besetzung müht sich redlich, muss sich aber auch gefangen sehen in einer Geschichte, die ungemein aufschlussreich und vorbildlich ist, in dieser Filmvariante aber zu glattgebügelt, zu simpel daherkommt. Ohne echte Wagnisse eben, eine reine Geschichtsstunde, die man so auch gesehen haben sollte und die uns einiges beibringen kann. Auf reiner filmdramaturgischer Ebene fehlt "Die Berufung" aber einfach der echte Biss.
Fazit: Trotz des wichtigen Themas bleibt das historische Justiz-Drama von Mimi Leder in einer vorhersehbaren, durchschnittlichen Dramaturgie ohne echten Schwung, ohne Biss und auch ohne konkrete Leidenschaft hängen.
Note: 4+
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