Freddie Quell (Joaquin Phoenix) ist ein cholerischer Alkoholiker, der vor allem unter dem Einfluss seines eigens gebrannten Schnaps zu enormen, körperlichen Ausbrüchen neigt. Dadurch verliert er seinen Job und seine Freundin und verliert den Sinn für sein Lebensziel... bis er auf einem Kahn, auf welchen er sich zuvor eingeschlichen hat, Lancaster Dodd (Philip Seymour Hoffman) kennenlernt. Dieser nimmt Freddie bei der Gründung seiner Religionsgemeinschaft "Der Ursprung" unter die Fittiche und schenkt ihm somit offensichtlich eine neue Familie und neue Freunde. Doch der Alkoholmissbrauch, den Freddie betreibt, wirft alsbald auch Schatten auf die Arbeit Dodds und dessen Familie, weswegen sie sich dazu entschließen, auch ihren neuen Wegbegleiter wieder auf die rechten Pfade zu führen...
Paul Thomas Anderson dreht nicht viele Filme. Ähnlich wie sein langjähriger Wegbegleiter Daniel Day-Lewis (beide setzten die oscarprämierten Dramen "There will be Blood" und "Der seidene Faden" zusammen um) sucht er sich seine Projekte sehr genau aus, sodass zumeist mehrere Jahre vergehen, bis er sein neuestes Werk vorstellt - ein Zeitraum, in welchem andere Regisseure bereits mehrere große Filme abgeliefert haben. Aber er weiß eben, was er will, der Herr Anderson. Und das ist zumeist nicht das, was das Mainstream-Publikum will, weswegen seine Filme zwar von Kritikern umjubelt und mit Filmpreisen überhäuft werden, darüber hinaus aber nicht immer eine große Zuschauerschaft finden. Einen Film wie "The Master" zu vermarkten, ist ohnehin schwer genug, denn dieser Film lebt nicht von einem roten Faden, sondern von einer intensiven Atmosphäre, von gewissen Stimmungen, die jederzeit zu einem weiteren unkontrollierten Ausbruch führen können. Und er lebt, an vorderster Front und vor allem anderen, von seinen beiden Hauptdarstellern.
Dass "The Master" bei der Oscarverleihung 2013 für drei begehrte Goldjungen nominiert wurde, die sich allesamt unter den Schauspielerpreisen finden, kommt nicht von irgendwoher. Denn sie sind mehr als nur das Glanzlicht dieser Produktion, viel mehr machen sie die Sichtung dieses emotional zermürbenden, ziemlich langen und verqueeren Filmes erträglicher. Das soll nicht heißen, dass Anderson plottechnisch versagen würde, wenn er das außer Kontrolle geratene Leben seiner Hauptfigur aufzeigt. Tatsächlich erschafft er durch seine ruhige, betuliche Inszenierung einen enormen Kontrast zu den emotionalen Ausbrüchen und Sackgassen, durch die Freddie und Dodd zueinanderfinden - das erschafft eine gewisse Distanz zu den Figuren, die auch wieder im direkten Kontrast zu dem steht, was die beiden da tun. Denn so wie Phoenix und Hoffman hier agieren, müssten wir direkt in ihre Seele starren. Sie entblättern sich auf solch ekstatische Weise, dass dem geschockten Publikum die Luft wegbleibt... und dennoch distanziert sich Regisseur Anderson mit seiner zurückgenommenen Inszenierung förmlich von diesem Staffellauf. Das ist eine merkwürdige Darstellung, die man so erstmal schlucken muss, die man aber durchaus faszinierend finden kann, wenn es einem denn gelingt, sich darauf einzulassen.
Sobald Hoffman und Phoenix ihre erste gemeinsame Szene spielen können, entwickelt sich der Film dann auch zu einer Bühne, die einzig und allein für diese beiden Ausnahmeschauspieler gebaut worden ist. Einzig "The Fighter"-Star Amy Adams kann in der weiblichen Nebenrolle noch etwas herausholen, doch der Rest muss sich, trotz starker Darstellungen, zurückhalten: Rami Malek, Laura Dern, Jesse Plemons, Kevin J. O'Connor... sie alle sind da und sichtbar, aber Phoenix und Hoffman fressen die Leinwand förmlich auf, weswegen wir sie nur am Rande registrieren. Dazu muss man sagen, dass insbesondere die Performance des späteren "Joker"-Stars Phoenix nicht zwingend eine glaubwürdige ist. Dennoch lässt sich kaum ein besseres Beispiel für den Beweis der Tatsache finden, dass Schauspielerei auch bedeutet, physisch an seine Grenzen zu gehen. Das wilde Grimassieren, die echten Ausbrüche, das Gestikulieren, Schlagen, Brüllen. Es ist auf Seiten der Schauspieler ungemein laut und einnehmend. Das muss einem nicht gefallen, aber es hat eine beträchtliche Wirkung. Und es erstaunt daher, dass "The Master" davon ab eigentlich ein sehr leiser Film geworden ist.
Fazit: Phoenix und Hoffman bestimmen jede Szene und spielen ihre Co-Stars an die Wand - das ist nicht unbedingt glaubwürdig, oftmals gar anstrengend. Dank einer feinfühligen Inszenierung und der gewaltigen Präsenz der beiden Hauptdarsteller, die physische Grenzen zu sprengen scheint, ist es aber beeindruckend.
Note: 3+
Kommentare
Kommentar veröffentlichen