Nach der verheerenden Schlacht der Avengers gegen ihren Widersacher Thanos hat sich Wanda Maximoff (Elizabeth Olsen) in die Kleinstadt Westview zurückgezogen. Dort führt sie nun ein Leben in familiärem Glück... und dies gar mit ihrem geliebten Vision (Paul Bettany), der eigentlich durch die Hand des grausamen Titanen zu Tode kam. Die unreal wirkende Umgebung von Wandas Familienglück, bei der die beiden unter neugierigen Nachbarn ihren Frieden finden wollen, bekommt jedoch immer mehr Risse, da die sie umgebenden Personen herauszufinden scheinen, dass mit der mächtigen Superheldin etwas nicht stimmt. Wanda wehrt sich gegen die äußeren Einflüsse, um ihr Glück zu halten... während außerhalb von Westview eine geheimnisvolle Organisation agiert, die offensichtlich versucht, in die Kleinstadt vorzudringen.
Ein ganz neuer Quantensprung für das weiterhin verflixt erfolgreiche Marvel Cinematic Universe ist angebrochen. Nachdem "Avengers: Endgame" im Jahr 2019 den bisherigen Höhepunkt der Reihe setzte und etliche Fäden zu ihrem spektakulären Abschluss brachte, mussten sich die Macher rund um Kevin Feige genau überlegen, wie sie das Franchise ähnlich brillant am Laufen halten wollen. Nun dringen sie also auch endgültig in die TV-Sparte vor - zum ersten Mal werden auch neue Serien, die auf dem hauseigenen Streamingdienst Disney Plus ausgestrahlt werden, als feste Kapitel in dem filmischen Universum verewigt, wobei die Schlagzahl an neuen Episoden des Franchise in die Höhe getrieben wurde. Den Anfang machte, nach einem aufgrund der Pandemie vollkommen leeren MCU-Jahr 2020, im letzten Januar das gewagte Experiment "WandaVision" und liefert in dieser Hinsicht tatsächlich etwas gänzlich Neues ab, was sich wohltuend und mutig von den bisherigen Abenteuern rund um Iron Man und Captain America unterscheidet.
Dabei scheint der überzeichnete Sitcom-Stil, in welchem sich die ersten Episoden der Serie abspielen, erst einmal nur als komödiantisches und detailreiches Stilmittel zu etablieren. Doch selbst für diese neue Herangehensweise an die regelrecht skurille Handlung findet die Show im weiteren Verlauf runde und zufriedenstellende Antworten. Dabei traut man sich auch, altbekannte Pfade zu verlassen und die Figuren, die uns nun schon seit Jahren auf den Kinoleinwänden begleiten, mit ungeahnten Problemen zu konfrontieren. Das macht "WandaVision" unter der Oberfläche seiner quietschigen Comedy-Atmosphäre letztendlich mehr zu einem Drama als zu einem neuen Superhelden-Actioner. Wanda muss noch immer die schweren Schläge durch die Schlacht gegen den mächtigen Thanos verdauen und wie Marvel ihr grausames Trauma hier mit Kreativität und Köpfchen darstellt, um dabei auch noch mit hohem Tempo und allerlei Ideen eine Zeitreise durch mehrere Dekaden Fernseh-Sitcoms zu unternehmen, das hat schon Stil und stellt somit einen wohltuenden und mutigen Schritt weg von den letzten spektakulären Kinofilmen dar.
Man mag jedoch kritisieren, dass eben genau dieser mutige Schritt ein wenig auf Kosten eines durchweg spannenden, aber nur schwer in die Gänge kommenden Plots geht. In den überzeichneten Sitcom-Stilmitteln badet man tatsächlich ziemlich lange, wobei der eigentliche Plotmotor erst spät wirklich in Schwung kommt... um dann doch recht hastig zu einem ausladenden Actionfinale zu latschen, welches seine zahlreichen Wendungen und Enthüllungen plötzlich wieder im Eiltempo abhaken muss. Das beeindruckt dann nicht mehr vollständig, auch wenn der Sideplot rund um eine geheimnisvolle Organisation außerhalb von Wandas eigener Welt viel Spannung und auch Witz zu bieten hat. Das Wiedersehen einiger alter Bekannter macht Freude, das Aufnehmen und Weiterspinnen der einschneidenden Ereignisse aus "Infinity War" und "Endgame" funktioniert sogar richtig gut - wie die Macher hier mit dem Verschwinden und letztendlichen Wiederkehren von Milliarden von Menschen umgehen und dabei emotionale Einzelschicksale aufzeigen, das beweist, wie sehr die Macher ihre Materie von Anfang an durchgetaktet und durchdacht haben.
Wanda Maximoff war bereits im dritten "Avengers"-Spektakel eines der emotionalen Zentren, hier darf sie jedoch zum ersten Mal die erste Geige spielen. Das gibt Elizabeth Olsen die Chance zu einigen herausragenden Szenen - ihre Darstellung der traumatisierten und innerlich zerstörten Superheldin trifft tief ins Herz, wobei sie auch die kraftvollen Momente einer mit ihren Kräften enormes Unheil anrichtenden "Scarlet Witch" perfekt unter Kontrolle hat. Paul Bettany beherrscht als Vision vor allem die komödiantischen Elemente der ersten Staffelhälfte und beweist gemeinsam mit Elizabeth Olsen ein beinahe perfektes Comedy-Timing. Beide sind auch zur Stelle, wenn "WandaVision" in der zweiten Hälfte mit unbequemen Storylines um die Ecke kommt, die zu mehr als dem reinen Konsum dienen und welche die Hauptfiguren vor schwere Entscheidungen stellt. Da ist es dann auch weniger wild, wenn der Hauptbösewicht dieser Serie eher blass daherkommt - die beiden "Helden" haben genug Präsenz, um dieses Manko locker auszugleichen. Die Antagonistenschwäche deutet aber auch auf ein etwas schwieriges Pacing hin, wobei einige Fanservice-Nummern abgezogen werden, die sich letztendlich als eher maue Luftblase herausstellen - hier stimmt der Wechsel zwischen spannender Comic-Action und wilder Zitierwut nicht immer.
Fazit: Als erste fest im MCU verwurzelte TV-Serie macht "WandaVision" mit einer mutigen Inszenierung, einer spannenden Geschichte und starken Hauptfiguren eine wirklich gute Figur. Etwas mehr Sorgfalt hinsichtlich der Storywendungen, die nur auf den Überraschungseffekt zielen, sowie dem Gleichgewicht zwischen Storytelling und Fanservice wären jedoch wünschenswert gewesen.
Note: 3+
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