Direkt zum Hauptbereich

Daredevil: Born Again - Die erste Staffel

Seit einem Jahr ist Matt Murdock (Charlie Cox) nicht mehr als der Rächer Daredevil aufgetreten. Grund dafür ist eine persönliche Tragödie, die ihn dazu gebracht hat, die Maske abzusetzen und stattdessen wieder ganz auf das amerikanische Rechtssystem zu vertrauen - deswegen ist er auch immer noch als Anwalt tätig, um die unschuldigen Menschen vor Gericht zu vertreten. Doch dann geschieht das Undenkbare: Murdock's Erz-Feind Wilson Fisk (Vincent D'Onofrio), förmlich dem Tode von der Schippe gesprungen, kandidiert als Bürgermeister von New York und sammelt zahlreiche, euphorische Wähler um sich, die in ihm nach dem Verschwinden von Daredevil eine Lösung für das Kriminalitätsproblem in der Stadt sehen. Nun muss sich Murdock entscheiden: Will er das System einem Kriminellen überlassen oder doch selbst zurückkehren, um über das Recht zu entscheiden?

Lange Zeit war unklar, wie das Marvel Cinematic Universe eigentlich mit den Figuren umgehen würde, die sie sich von den zumeist beliebten Netflix-Serien, die rund um Daredevil, Jessica Jones und Co. ein eigenes, vom restlichen MCU aber ignoriertes Universum ergaben, einverleibt hatten. Zwar traten zumindest Daredevil selbst als auch sein großer Widersacher Kingpin schon in diversen MCU-Filmen und den TV-Shows auf - darunter in "Hawkeye" und "She-Hulk". Doch es war bisher nicht zu erkennen, ob man die Handlungen der Netflix-Serien weitestgehend ignorieren und einen eher neueren Anstrich nutzen oder ob man schließlich doch auf das große Serien-Universeum aufbauen würde, welches Netflix über Jahre aufgebaut hat. Die klare Antwort gibt es jetzt mit der ersten "Daredevil"-Serie, die eindeutig in unserem bekannten MCU spielt und die definitiv eine Fortsetzung der Netflix-Arbeiten ist - wenn man diese nun nicht gesehen hat, steht man hier nämlich ziemlich im Wald. Nun bin ich von diesem Ansatz nicht der größte Fan, da das Marvel Cinematic Universe zum jetzigen Zeitpunkt eh überfüllt ist von zahllosen Helden und Widersachern... und dass nun zwölf Serienstaffeln rückblickend ebenfalls zum Kanon hinzugefügt werden, plustert das ächzende Franchise noch weiter auf. Aber auch wenn ich einen Ansatz, der sich weniger auf die Netflix-Serien bezogen und einen frischeren Start anberaunt hätte, vorgezogen hätte, so lässt sich dennoch sagen, dass "Daredevil: Born Again" eine der besten MCU-Serien der letzten Jahre ist - auch für Fans der alten Staffeln, denen hier Tribut gezollt wird.
Zugegeben, so schwer ist das aber natürlich nicht, denn nach "Echo" und den banalen "What If..?"-Staffeln war die Messlatte sicherlich nicht mehr so hoch. Trotzdem gelingt es "Daredevil: Born Again" gerade während der ersten Folgen hervorragend, sowohl Fans der vorherigen Staffeln abzuholen als auch richtig gute, atmosphärische Unterhaltung zu bieten, die mit einem cleveren Storytelling verknüpft wird. Der Spannungslevel wird konstant immer weiter angehoben, die einzelnen Plots verdichten sich mit der Zeit und geben überraschende Wendungen preis. Zudem zahlt sich die Entscheidung, mehr Zeit auf Matt Murdock als auf den roten Rächer zu verwenden, mehr als aus, wirkt die Serie in dieser Form doch persönlicher und somit dringlicher. Die Geschichte eines korrupten Systems, welches es aufzuhalten gilt, ist zwar nicht neu und auch der Konflikt zwischen Murdock auf der einen und Fisk auf der anderen Seite wird hier, wenn auch in etwas anderer Form, im Grunde nur erneut ausgetragen. Aber das ist in Ordnung, solange das Altbekannte so spannend erzählt wie hier und am Wegesrand immer noch weitere, packende Geschichten lauern. Fans freuen sich zudem auf einige bekannte Gesichter (sowohl aus den Netflix-Shows als auch aus dem herkömmlichen MCU) sowie zahlreiche Anspielungen, auch wenn man bewusst darauf verzichtete, zu viele geöffnete Fässer noch einmal anzufassen.
Im späteren Verlauf der Staffel lässt diese zwar nach und auch eine actionorientierte Finalfolge reißt hier nichts mehr wirklich raus - dafür ist die Geschichte insgesamt dann doch zu vorhersehbar und nimmt die erwartbaren Plot-Muster zu geradlinig mit. Zudem hat man das Gefühl, dass sich die zentralen Konflikte bisweilen im Kreis drehen und man die Serie vielleicht auch mit ein oder zwei Folgen weniger genauso wirkungsvoll hätte erzählen können. Dafür freut man sich jedoch darüber, dass die Macher den bekannten, sehr brutalen Stil der Netflix-Staffeln auch in den Disney-Konzern herübergerettet haben: Die meist in gräulicher Dunkelheit spielenden Gefechte überzeugen sowohl durch ihre griffige Inszenierung als auch durch allerlei Blut, was nach "Deadpool & Wolverine" erneut aufzeigt, dass Disney die zuvor gesetzten Markenzeichen der brutaleren Helden nicht weichspülen möchte. Und auch die Besetzung ist mal wieder erstklassig: "Der Sternwanderer"-Star Charlie Cox ist als von Selbstzweifeln geplagter Anti-Held mal wieder eine sichere Bank und überzeugt vor allem in den sehr menschlichen Momenten, in denen ebenso charmant wie ambivalent daherkommt. Und über Vincent D'Onofrio muss man praktisch keine weiteren Worte verlieren: Dieser höchst unterschätzte Schauspieler lebt seinen Wilson Fisk mit Leib und Seele und wirkt dabei so bedrohlich, dass man richtig Angst vor ihm bekommen kann. Für die Zukunft von Daredevil im MCU ist also durchaus gesorgt und die Fans können sich beruhigt zurücklehnen - mit einer passenden Mischung aus altbekannten Manirismen und neuen Impulsen ist der rote Rächer unter den anderen Avengers erstmal gut aufgehoben.

Fazit: Trotz einiger Längen und einem im weiteren Verlauf nachlassenden, weil sich zu sehr im Kreis drehenden Spannungsbogen überzeugt die neue "Daredevil"-Serie sowohl altgediente Fans als auch Skeptiker - auch dank einer düsteren Geschichte und ambivalenten Figuren. Mit wohldosiertem Fanservice und einigen überraschenden Wendungen innerhalb der markanten Inszenierung wird das Publikum so gut es geht bei der Stange gehalten.

Note: 3+



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr...

Der große Crash - Margin Call

Es gehört schon einiges an Talent dazu, einen Film über eine Schar Anzugträger, die in dialoglastiger Manier das eventuelle, schockierende Ende ihrer Firma aufdecken. Wenn man es falsch angeht, könnte der Stoff arg trocken werden, mal ganz davon abgesehen, dass der Otto-Normal-Zuschauer mit den finanziellen Zusammenbrüchen und all den Zahlen nicht unbedingt umgehen kann. Eine Riege großer Stars kann da schon helfen, die Zuschauer anzulocken, so beweist es zumindest der angenehm ruhige Thriller "Margin Call"... DER GROSSE CRASH - MARGIN CALL Kurz vor der Finanzkrise 2007: In der Wertpapierhandelsabteilung einer großen New Yorker Bank werden etliche Mitarbeiter entlassen, unter ihnen ist auch Risikomanager Eric Dale (Stanley Tucci), der zuvor jedoch noch eine schockierende Entdeckung macht. Seine Arbeit hinterlässt er dem übriggebliebenen Mitarbeiter Peter Sullivan (Zachary Quinto), der die Zahlen überprüft... und dadurch entdeckt, dass der ganze Konzern auf wackligen Fü...

Eraser

Arnold Schwarzenegger, wohl neben Sylvester Stallone die Action-Ikone der 80er und 90er Jahre schlechthin, ist endlich zurück. Nachdem er sein Amt als Gouverneur von Kalifornien niedergelegt hat, dürfen wir ihn seit einiger Zeit endlich wieder in genügend rauen, spaßigen Actionfilmen wiedersehen. Auch wenn in der heutigen Zeit ganz klar Statham, Diesel und Co. die Actionhelden sind, macht es aber dennoch Spaß, den "Terminator"-Star wiederzusehen. Und natürlich auch seine vergangenen Filme, von denen ich bislang kaum einen gesehen habe und die ich nun mal nachholen möchte. Angefangen habe ich nun mit "Eraser" aus dem Jahr 1996... ERASER US-Marshall John Kruger (Arnold Schwarzenegger) arbeitet in einer geheimen Vereinigung der USA im Zeugenschutzprogramm. Darin beschützt er die Leben von Kronzeugen, welche vor Gericht Aussagen tätigen sollen und verschafft ihnen eine neue Identität, um sie vor dem Tod zu bewahren. Sein neuester Job ist eine junge Mitarbeiterin bei...