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Motherless Brooklyn

New York in den 50er Jahren: Lionel Essrog (Edward Norton) leidet unter dem Tourette-Syndrom, dank seines fotografischen Gedächtnisses leistet er jedoch nützliche Arbeit für ein Detektivbüro. Während eines neuen Falles wird Essrog Zeuge des Mordes an seinem Mentor und Vorgesetzten Frank Minna (Bruce Willis) und schwört sich, die Schuldigen zu finden und das Komplott, in welchem er verwickelt war, aufzuklären. Schon bald stößt Essrog auf die Spuren des machthungrigen Politikers Moses Randolph (Alec Baldwin) und dringt in politische Machenschaften vor, unter denen ganze Familien zu leiden haben sollen...

Seit rund zwei Dekaden hält Edward Norton die Rechte an diesem Stoff, der ursprünglich einem Roman von Jonathan Lethem entstammt und erst gegen Ende des Jahres 2019 schaffte es dieses Projekt, an welchem der "Fight Club"-Star so lange hing, auf die Leinwand. Dies markiert dann schließlich auch Nortons zweite Regiearbeit, wobei er sich, sicher nicht ganz frei von eigennütziger Egomanie angesichts seiner zuletzt ja nicht immer allzu glorreichen Rollenauswahl, in der Hauptrolle auch gleich selbst besetzte. Dass der Part des dank Tourette vor sich hinfluchenden, darüber hinaus aber auch ungemein cleveren und liebevollen Detektivs eine Paraderolle für den talentierten Norton sein könnte, daran besteht kein Zweifel, es wird aber auch deutlich, dass sich der Regisseur und Schauspieler hier selbst ins Rampenlicht zu stehlen versucht. Norton agiert dabei treffsicher, stiehlt seinen wesentlich kantigeren Co-Stars aber leider auch die Schau.
Große Namen gefallen hier in kleinen Rollen, bekommen aber wenig Raum. Bezeichnend dafür ist der erste Auftritt des großen Antagonisten, während welchem uns das Gesicht von "Blue Jasmine"-Star Alec Baldwin lange Zeit vorenthalten wird, bis er dann schließlich in den Raum poltern darf. Seine folgenden Auftritte kann man anschließend an einer Hand abzählen, was für Marvel-Star Bobby Cannavale anschließend ebenso gilt wie für Willem Dafoe. Das ist schade, da Norton hier allerlei interessante Nebenfiguren, für die er in der ersten Hälfte noch spannende Ansätze einwirft, schließlich untergräbt. Dafür fokussiert er sich mit viel Leinwandzeit und Aufmerksamkeit auf die sich langsam entwickelnde Beziehung zwischen dem mit sich hadernden Essrog und der afroamerikanischen Aktivistin Laura Rose. Dieser etwas klischeehafte, weil an sich auch sehr stiefmütterlich behandelte Liebesplot bleibt allerdings das schwächste Rad am Wagen, was einige Längen verursacht.
Generell scheint Norton mit dem auf rund zweieinhalb Stunden Laufzeit aufgeblasenen Plot nicht immer zu wissen, wo er nun eigentlich hinmöchte. Er macht viele Fässer auf, schlägt mit Herz und Leidenschaft, aber ohne echte Intensität Themen wie Rassismus, Betrug am Volk und Politik an. Es ist also von allem etwas drin, trotzdem gelingt es Norton nicht, all diese Themen auch in eine spannende Handlung zu verstricken. Diese ist letztendlich nämlich doch eher seicht und rettet sich nur durch allerlei aufgeblasene Nebenplots noch über solch eine markante Länge. Was ihm darüber hinaus wesentlich besser gelingt als die blasse Erzählung, ist die Entführung in die 50er Jahre. Auch wenn das optisch heute nichts Besonderes mehr ist: Norton legte Wert auf akribische Details, auf einen stimmungsvollen Soundtrack und atmosphärische Bilder. Das sorgt dafür, dass wir uns wie ins New York nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hineinteleportiert fühlen - ein bisschen wie ein Film aus einer anderen Zeit, der dabei aber eben auch gewisse, müde Handlungsklischees und seine etwas zu behäbige Gangart übernommen hat.

Fazit: Ein atmosphärischer Noir-Thriller, detailliert und verworren. Trotz Stars in Haupt- und Nebenrollen will die nur oberflächlich komplex anmutende Handlung angesichts all ihrer dialoglastigen Kapriolen aber niemals Schwung aufnehmen und bleibt seltsam luftlos.

Note: 3-






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