Vor zwei Jahren war der Name Jordan Peele den wenigsten Filmfan ein echter Begriff. Mit dem Erscheinen des Horror-Thrillers "Get Out" änderte sich dies - untypisch für das Genre mischte er Anfang 2018 ganz weit oben bei den Oscars mit, war sogar für den besten Film des Jahres nominiert und katapultierte Peele und auch Hauptdarsteller Daniel Kaluuya sogleich in die A-Liga Hollywoods. In einigen Jahren wird man "Get Out" als Klassiker des Genres ansehen... aber wie das eben so ist mit Klassikern, sie gefallen nicht jedem und so enttäuschte der Film meine extrem hohen Erwartungen vor zwei Jahren recht krass. Mit "Wir" erreicht uns nun Peeles nächstes Horrorwerk: Die einen hoffen, dass er an "Get Out" anknüpfen kann - ich hoffe im Gegensatz, dass er neue Pfade findet. Der Trailer jedenfalls sah unfassbar gut aus und so nahm ich erneut mit hohen Erwartungen im Saal Platz, in der Hoffnung, dass sie diesmal nicht untertroffen würden...
WIR
Vor vielen Jahren durchlebte Adelaide Wilson (Lupita Nyong'o) an einem Strand in Santa Cruz ein Trauma. Nun kehrt sie während eines Sommerurlaubs gemeinsam mit ihrem Mann Gabe (Winston Duke) und den beiden gemeinsamen Kindern Zora (Shahadi Wright Joseph) und Jason (Evan Alex) an den Ort des Geschehens zurück. Während sich die Familie amüsiert, fühlt sich Adelaide förmlich durchgehend unwohl... zurecht, wie sich später herausstellt. Denn eines Abends steht eine Familie in der Einfahrt des Sommerhauses der Wilsons und verschafft sich schließlich gewaltsam Einlass. Dort stellt die Familie fest: Die Eindringlinge sehen genauso aus wie sie selbst und verfolgen sie unerbittlich. Ein schrecklicher Kampf ums Überleben beginnt...
"Get Out" hat bis heute ungemein viele Fans und diese werden wohl auch von "Wir" ähnlich begeistert sein, arbeitet Regisseur Jordan Peele doch mit ähnlichen Manirismen und Stilmitteln, ohne sich dabei auf seinen Lorbeeren auszuruhen. Heißt, dass er erneut eine angsteinflößende Ausgangssituation mit schier kruden und skurillen Einzelmomenten und einem schlichtweg wahnwitzigen Plan kombiniert, afroamerikanische Darsteller in den Hauptrollen besetzt und hin und wieder auch mal ein wenig in Richtung Politik und Gesellschaft austeilt. Letzteres tut er, gerade im direkten Vergleich mit dem in dieser Hinsicht vollkommen verkopften und letztlich gar anstrengenden "Get Out", nun jedoch wesentlich gedämpfter und auch in Sachen Humor hält er sich etwas mehr zurück. Das ist auch gut so, denn gerade die Comedy-Elemente, die nun noch drin geblieben sind, wirken angesichts des teilweise sehr heftigen Horrors und der schneidenden Atmosphäre nicht nur aufgesetzt, sondern gar störend. Wenn die ums Überleben kämpfende Familie noch immer Zeit für obercoole Sprüche und gar ein wenig albernen Slapstick mitbringt, dann ist das zwar auf gewisse Weise mutig, dennoch zerstört es die zuvor sehr sorgfältig aufgebaute Atmosphäre mehr als gedacht.
Aber immerhin fokussiert sich Peele ansonsten sehr genau auf seine Handlung und hat offensichtlich richtig Spaß daran, seine Ausgangssituation, die generell ja schon mal sehr originell und spooky daherkommt, schier Amok laufen zu lassen. Die Begegnung mit den mordenden Doppelgängern stellt dabei nämlich nur den Grundboden dar, anschließend schnappt sich Peele die Idee und rennt damit, soweit er nur kann. Das ist über weite Strecken ebenso verrückt wie angsteinflößend und clever und verliert erst auf den allerletzten Metern etwas an Schwung, wenn er sich in einem horrortypisch sehr umständlichen und langen Finale ausleben muss. Zuvor hat Peele aber mit seiner Idee einiges anzufangen und tut dies auf verschiedene Weisen: Als Mainstream-Überlebenskampf, als leises Drama, als etwas unpassende Komödie und gar als Seitenhieb gegen das echte Leben.
Das wirkt nicht immer stimmig, seinen Grundtonus verliert Peele dabei aber nie aus den Augen und schafft es daher, sein Publikum über zwei Stunden hinweg immer wieder zu schocken. Er erschafft, gerade auch, weil er das Genre-Handwerk versteht und es auch bricht, einige grandios-spannende Szenen, fordert seine Schauspieler (insbesondere die für "12 Years a Slave" mit dem Oscar ausgezeichnete Lupita Nyong'o ist mal wieder brillant) und traut sich auch in Sachen Soundtrack, mal richtig einen vom Stapel zu lassen.
Das ist dann endlich mal wieder richtig gutes Horrorkino, brutal, originell und abseits vom Mainstream - wie sehr einem "Wir" dann auch zum Schluss noch gefallen wird, hängt wohl davon ab, wie viel Wert man der letztendlichen Auflösung des Spektakels zugestehen will. Diese fällt nicht ganz so übermäßig schräg wie noch bei "Get Out" aus, ist aber dennoch skurill und offenbart beim nochmaligen Nachdenken einige Löcher. Eine originelle Idee ist das dennoch und hat kurz vor dem Abspann auch noch eine recht hübsche Wendung zu bieten. Das ist dann nicht immer ganz rund, dafür aber überraschend hart (gerade wenn man bedenkt, dass der Film hierzulande ab 16 Jahren freigegeben wurde), durchweg spannend und inszenatorisch ein echtes Brett... das Duell mit "Get Out" entscheidet "Wir" also ganz klar für sich.
Fazit: Diesmal konnte Jordan Peele mich begeistern - "Wir" ist spannender, fokussierter und runder als der arg verkopfte "Get Out". Der Horrorschocker ist hart, fantastisch inszeniert und baut auf einer grandios-originellen Grundidee, der erst bei der schlussendlichen Auflösung deutlich die Puste ausgeht.
Note: 2-
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