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I,Tonya

Von Sport-Events habe ich ungefähr so viel Ahnung wie von der Herstellung von Erdbeermarmelade, also gar keine. Durch Filme habe ich manch einen Sport, der über das Trainieren im Fitnessstudio, das Longboard-Fahren und Basketballspielen hinausgeht, aber kennengelernt und kann mich so zumindest auch mit den historischen Gegebenheiten identifizieren - Filme wie "The Fighter" und "Rush" begeisterten mich quasi durchgehend. Und nun also ein Film übers Eiskunstlaufen, verpackt in eine Biografie einer Sportlerin, die relativ rabiat in diesen Kampf eingeschritten ist und Margot Robbie nun gar zu einer Oscarnominierung verhalf...

I,TONYA


Von Kindesbeinen an wollte Tonya Harding (Margot Robbie) nichts weiter als Schlittschuhlaufen. Ihre kettenrauchende und im Grunde auf alles inklusive der eigenen Familie einen Dreck gebende Mutter LaVona Golden (Allison Janney) drillt sie in ihrem Training so stark, dass sich Tonya alsbald die Hörner abstößt... und mit ihren unkonventionellen Methoden auf Unverständnis und schlechte Bewertungen bei den Richtern stößt. Tonya fühlt sich unverstanden und unfair behandelt und auch die Ehe zu ihrem gerne mit der Faust austeilenden Ehemann Jeff Gillooly (Sebastian Stan) hilft ihr nicht aus der Misere. Schließlich erntet Tonya doch noch Weltruhm, der jedoch alsbald von einem faustdicken Skandal überschattet wird...

Der Film sticht besonders durch seine sehr eigenwillige Inszenierung hervor, mit welcher "The Finest Hours"-Regisseur Craig Gillespie hier diese auf wahren Begebenheiten beruhende Sportler-Skandal-Geschichte erzählt. Er hält sich vollkommen an die historisch akkuraten Fakten, verdreht sie nicht und nimmt sich auch kaum erzählerische Neuheiten heraus (zumindest sind diese nicht wirklich erkennbar)... dabei streut er aber durchgehend nachgestellte Interviews mit den Figuren ein, die die Situation aus ihrer Sicht der Dinge erzählen. Da all diese Figuren sich selbst im besten Licht dastehen lassen und sich aus der prikären Situation herausreden wollen, lügen sie sich ab und an gern in die Tasche, stellen sich selbst als Gutmensch dar und bezichtigen den anderen der Flunkerei - im krassen Kontrast mit den schließlichen wahren Begebenheiten, die dann hier aufgezeigt werden, entsteht ein schwarzhumoriges Biopic, bei dem sich die harten, jedoch beinahe beiläufig ablaufenden Szenarien von schrecklicher Misshandlung mit den absolut beeindruckend choreographierten Sportszenen abwechseln. 
Das ist schon ein ziemlich spezieller Mix, dabei stützt sich Gillespie aber weitestgehend auf das Leben seiner Protagonistin Harding selbst. Und ja, man kann tatsächlich Mitleid mit ihr empfinden, wenn sie als regelrecht grobe, aber dennoch irgendwie noch normalste Frau unter all den Psychos um sie herum, einfach nicht verstanden und immer wieder nach unten gedrückt werden will. Das ist von Margot Robbie regelrecht grandios gespielt - der leicht wahnsinnige Blick unter der Maske aus Trauer, Verzweiflung und ekelhaftem Hass lässt beinahe frösteln. Getoppt wird Robbie nur noch von "Juno"-Star Allison Janney, die für ihre Darstellung den Oscar als beste Nebendarstellerin entgegennahm. Ob sie wirklich die beste des vergangenen Jahres war, darüber lässt sich streiten, dass ihre Performance als widerlich rausrotzende, unglaublich herzlose und schrecklich drillende Mutter aber eine beeindruckende ist, an die man sich noch länger erinnert, ist nicht von der Hand zu weisen. Dagegen bleibt sogar "Captain America"-Star Sebastian Stan als tumber und gerne mit der Hand ausholender Arschloch-Ehemann vergleichsweise blass, auch wenn er durch diese Rolle sein Repertoir deutlich erweitert. 
So unterhaltsam und streckenweise belastend das auch alles ist, es trägt allerdings leider nicht über zwei Stunden. Gillespies eigenwilliger Stil nutzt sich schon recht früh ab und in dem ständigen Wechsel zwischen Interviews und wahrem Film geht das Herz und auch der Rhythmus verloren. Historisch akkurat ist das alles, dementsprechend hin und her reißt es aber auch die Handlung, wenn sich immer wieder hart gezofft und erneut vertragen wird, immer und immer wieder. Das ist zwar von den Schauspielern mit herrlicher Ironie durchzogen, das trampolinartige Springen zwischen eiskaltem Drama, elektrisierendem Sportfilm und schwarzhumorigem America-Trash verlangt jedoch auch einiges an Geduld ab und lässt uns den Figuren selten nahe kommen, da wir uns angesichts ihrer geringen Intelligenz kaum mit ihnen identifizieren wollen. Es ist eine unglaubliche Geschichte über unglaublich dumme Menschen, die sich für unglaublich clever hielten und das natürlich nicht waren oder sind... es ist aber auch ein wenig wirr und walzt seine einzelnen Plots zu lange aus. Das Vergnügen schmälert sich dabei alle paar Minuten, bis am Ende eben doch weniger übrig bleibt als vorerst angenommen.

Fazit: Überragend gespielt und choreographiert nutzt sich der clevere Inszenierungsstil, der die Figuren in Interviews gegeneinander ausspielt, leider zu früh ab und erstickt sich in einem überdrehten Streiterei-Hin-und-Her. Das hat viele grandiose Momente, dabei aber auch eine Menge Leerlauf und verliert sein Herz sehr früh.

Note: 3-




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