Direkt zum Hauptbereich

Ghostface so gnadenlos wie noch nie: Filmkritik zu "Scream VI"

Ein Jahr ist seit dem blutigen Gemetzel im ehemaligen Haus des ersten Ghostface-Killers Stu vergangen. Samantha Carpenter (Melissa Barrera) versucht die Vorfälle seitdem therapeutisch aufzuarbeiten, während sich ihre jüngere Schwester Tara (Jenna Ortega) entschieden dagegen wehrt, ihr ganzes Leben aufgrund dieser drei Tage verändern zu lassen. Gemeinsam mit ihren Freunden Mindy (Jasmin Savoy Brown) und Chad (Mason Gooding), die ebenfalls das Massaker überlebten, werden sie nun Zeugen von neuen Ghostface-Morden: Der unbekannte Killer ist den Carpenter-Schwestern dabei bis nach New York gefolgt, wo sie eigentlich ein neues Leben beginnen wollten. Und er hat es ganz offensichtlich besonders auf Samantha selbst abgesehen, was ganz neue Regeln bedeutet...

Nur ein Jahr nach dem Reboot-Fortsetzungs-Gemisch namens "Scream" aus dem Jahr 2022 folgte bereits der nächste Streich - diesmal schlicht "Scream 6" betitelt und weiterhin als ganz klare Fortsetzung kreiert... beziehungsweise als Teil eines Franchise, wie Randy-Kopie Mindy hier noch einmal betont, was ganz eigene Horror-Regeln mit sich bringt. Das mag nun so klingen, als wäre den Machern erneut nicht wirklich viel Neues eingefallen, um die Slasher-Reihe auf einen frischen Kurs zu bringen, doch dem ist nicht so: Die Tricks und Kniffe, welche die Macher nutzen, um die Reihe frisch zu halten, sind nicht neu, doch wie damit umgegangen wird, ist für Fans eine große Freude. Als Legacy-Sequel, welches sowohl neuere Hauptfiguren als auch altgediente Charaktere aus den Anfängen des Franchise beinhaltet, macht es einen erstaunlichen Job, wenn es darum geht, auf alle Teile noch einmal Bezug zu nehmen und trotzdem neue Geschichten zu erfinden. Natürlich kann man eine neue Ghostface-Geschichte nur bedingt variieren, doch man versucht es hier zumindest, indem man die im fünften Teil etablierten Charaktere hier noch mehr zu Hauptfiguren aufbaut und ein paar clevere Einfälle einstreut, die sich auf das Setting, die Suspense-Szenen und zentrale Wendungen beziehen.
Die Suspense-Szenen sind dabei so gut gelungen wie lange nicht mehr und wischen mit dem auf dieser Ebene ja noch etwas bemüht wirkenden fünften Film den Boden: Jede einzelne Szene, in welcher Ghostface auf die Jagd geht, ist nicht nur hochspannend, sondern auch clever inszeniert und treibt mit jedem Schnitt, mit jeder Sekunde den Puls in die Höhe - von einem schieren Amoklauf in einem Kiosk bis hin zum grandiosen Finale. Dabei sind auch die Verhaltensweisen der Charaktere mittlerweile deutlich nachvollziehbarer, denn die sagen nicht nur, dass sie das Genre kennen... sie kennen es wirklich. Dementsprechend haben es der oder die Killer mit wesentlich intelligenteren und wehrhafteren Opfern zu tun, mit denen man somit auch deutlich einfacher mitfiebern kann. Das macht die einzelnen Scharmützel gegen den Ghostface-Killer nicht nur spannender, sondern auch in jeder Form intensiver - unterstützt von dem Gewaltgrad, welcher den seiner Vorgänger auch nochmal spielend übertrifft. Ein wenig enttäuschend gerät da nur die Auflösung des Whodunit-Spektakels, denn nachdem man lange mitgerätselt hat, wer denn diesmal wirklich das Messer schwingt, fällt die Antwort darauf doch eher ernüchternd aus und kann nicht mit einer wirklich originellen Überraschung aufwarten. Immerhin folgt auf diese jedoch ein knallharter Showdown, der sich gewaschen hat und (wie bereits zentrale Szenen zuvor) clever auf die Spannungsspitze getrieben werden.
"Scream" ist somit als Franchise ganz klar in der Jetztzeit angekommen, ohne dabei jedoch seine Wurzeln zu vergessen. Unterstrichen wird dies durch die im Vorgänger eingeführte, neue Hauptbesetzung, die mittlerweile so herausragend gut miteinander harmoniert, dass das erstmalige Fehlen von Neve Campbell und David Arquette gar nicht mehr so arg ins Gewicht fällt. Melissa Barrera und Jenna Ortega beweisen mehr als genug knallharte Badass-Qualitäten, um diese Reihe zu tragen... und werden zudem noch von sympathischen Nebendarsteller*innen und einigen alten Bekannten unterstützt, die deutlich besser geschrieben sind als die doch eher klischeehaften Teens aus dem fünften Teil. Dadurch bewahrt sich die Reihe neben dem adrenalintreibenden Suspense zum Glück auch das Herz - obwohl ein aktueller Seitenhieb gegenüber vernebelten Verschwörungs-Dullies doch eher halbgar abgehandelt wird. Die herzerwärmenden Geschichten, welche die neuen Hauptfiguren abseits der blutigen Slasher-Jagd auszudiskutieren haben, haben Hand und Fuß und binden uns an die Charaktere, sodass sie nicht gleich als reines Kanonenfutter gehandhabt werden. Das macht Laune, erhöht die Spannung weiter und stellt förmlich eine Steilvorlage für weitere Filme dar - die mit Sicherheit kommen werden. Und solange das so gut bleibt wie bei "Scream 6", der überraschenderweise der beste Teil der Reihe seit dem kultigen Original geworden ist, darf man sich darauf auch unbedingt freuen.

Fazit: Hochspannende Suspense-Szenen, eine originelle Geschichte, welche das Franchise sowohl aktuell mit starken Figuren positioniert... und jede Menge brillanter Fanservice. "Scream 6" ist der beste Teil seit dem originalen "Scream" und damit viel besser als man erwarten durfte. Mehr davon!

Note: 2



Kommentare

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr...

Meine Erstsichtungen vom 08.07.24 bis zum 14.07.24

Girl You Know It's True: Musiker-Biopic von Simon Verhoeven, mit Tijan Njie, Elan Ben Ali, Matthias Schweighöfer, Bella Dayne, Mitsou Young und Graham Rogers Dem Film über das umstrittene Musik-Duo Milli Vanilli gelingt das Kunststück, einerseits ungemein unterhaltsam zu sein und andererseits einen der größten Skandale der Musikgeschichte zu erzählen, ohne ihn großartig auszuschlachten. Stattdessen gibt der Film den beiden verrufenen Künstlern ihre Würde zurück, indem er die Hintergründe des Aufstiegs und Falls der beiden Ikonen genau dezidiert und dabei nicht wütend mit dem Finger auf einen bestimmten Schuldigen zeigt - das ist dann auch für Kenner noch hochinteressant, bisweilen spannend und mit einigen emotionalen Tiefschlägen ausgestattet. Trotz einiger Längen hält Simon Verhoevens Regie den Film durchweg am Leben, die Musikszenen sind energetisch inszeniert. Zudem wissen nicht nur Tijan Njie und Elan Ben Ali in den Hauptrollen durchweg zu überzeugen, sondern auch Matthias Schw...

Cold Comes the Night

Die alleinerziehende Mutter Chloe (Alice Eve) leitet ein heruntergekommenes Motel, wo immer wieder zwielichtige Gäste eintrudeln und sogar die örtlichen Prostituierten ein Zimmer nehmen, um sich mit ihren Kunden zu vergnügen. Für Chloes Tochter Sophia (Ursula Parker) ist dies kein geeigneter Wohnort, findet das Jugendamt, und droht deswegen sogar damit, sie Chloe wegzunehmen. Als eines Abends ein mysteriöser Reisender (Bryan Cranston) um ein Zimmer für eine Nacht bittet und sich bereits am Empfang merkwürdig verhält, wird Chloe bereits hellhörig. In der Nacht fallen plötzlich Schüsse und zwei Bewohner der Appartements werden tot aufgefunden. Doch ist dies erst der Beginn einer wahren Tortur, durch welche Chloe in den nächsten Stunden noch wird gehen müssen... Es gibt durchaus einige Filme, bei denen ich mich nachträglich mehr als gewundert habe, warum diese nicht das Licht der Leinwand erblickt haben, sondern direkt für den Heimkinomarkt ausgewertet wurden - noch vor Zeiten von großen ...