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Oliver Stones traumatische Vietnam-Aufarbeitung: Filmkritik zu "Platoon"

Im September 1967 meldet sich der Infanteriesoldat Chris Taylor (Charlie Sheen), nachdem er das College abgebrochen hat, freiwillig für den Militäreinsatz in Vietnam. Er wird dem Kommando des Staff Sergeants Robert E. Lee Barnes (Tom Berenger) zugeteilt, der durch seine extrem brutale Vorgehensweise immer wieder droht, die Gruppe zu spalten. Schon wenige Tage nach seiner Ankunft in Vietnam ist Taylor überzeugt davon, einen Fehler begangen zu haben - die Welt in Vietnam sieht vollkommen anders aus als er sich dies zuvor ausgemalt hat. Hier gibt es keine militärische Ehre, sondern nur Dreck, Blut und Leid. Als Taylor erkennt, wie einige seiner Kameraden zudem mit den unschuldigen Zivilisten umgehen, muss er eine Entscheidung fällen... und sich gegen die Leute stellen, denen er eigentlich Gehorsam leisten sollte.

"Platoon" wurde mit vier Oscars ausgezeichnet, darunter einer Auszeichnung für den besten Film, und von Kritikern beinahe einhellig gelobt. Als Klassiker des Genres gilt er heute vor allem deswegen, weil er einer der ersten Filme war, die den Krieg in Vietnam ungemein realistisch aufzeigten. Das mag heute nichts Neues mehr sein, da wir mittlerweile viele Antikriegsfilme kennen, die in der Lage sind, das grauenvolle Morden und Leiden auf dem Schlachtfeld und in den Schützengräben auf eine kaum vorstellbare, intensive Art und Weise aufzuzeigen. Damals rüttelte Stone jedoch eine Menge Menschen wach, indem er seine eigenen Erfahrungen in diesem Film verarbeitete - der Regisseur war damals selbst als in Vietnam und wusste deswegen ganz genau, worüber er hier berichtete. Dementsprechend gibt es keine Schönfärberei, keine glorreichen Momente des Sieges, keine pathetischen Ansprachen. Im Krieg gibt es nur Verlierer und bis ins Jahr 1986 war es wohl keinem Regisseur so deutlich gelungen, eben dieses Thema exakt so abzubilden.
Dramaturgisch verlässt er sich dabei zwar auf exakt die Facetten, die wir mittlerweile aus zahlreichen, ähnlich gearteten Filmen kennen - junge Burschen, die ganz scharf drauf sind, für ihr Land zu kämpfen, werden plötzlich aus ihren Träumen gerissen, als sie erkennen, wofür sie sich hier eigentlich gemeldet haben. Zudem gibt es Unruhen in der Truppe, Hinterhalte, fiese Captains und Freundschaften unter den Gruppen, die alsbald von den Maschinengewehrsalven zerrissen werden. Stone inszeniert diese mittlerweile bekannten Schemata intensiv, auch wenn er damals (auch aufgrund des geringen Budgets) nicht die enorm brutale Intensität erreichen kann, die später Kollegen wie Steven Spielberg und Mel Gibson mit ihren ganz eigenen Meisterwerken erschufen. Der zentrale Konflikt zwischen den drei wichtigsten Figuren mag aus heutiger Sicht auch etwas formelhaft wirken, verfehlt jedoch seine Wirkung nicht. Vor allem nicht wenn man bedenkt, dass damals noch keiner so mutig gewesen war, diese Themen so unglamourös und entlarvend zu erzählen - da bekommt der Angriff der US-Truppen auf ein vietnamesisches Dorf, der ohnehin schon wahnsinnig schwer zu ertragen ist, noch einmal einen ganz neuen Druck.
Der Cast wimmelt dabei von damals noch weitestgehend unbekannten Schauspielern, die heute zu großen Stars zählen. Das beweist, dass Stone damals bereits ein feines Händchen für die Wahl seiner Schauspieler hatte - er setzte weniger auf große Namen, sondern wollte frische und interessante Gesichter. Dementsprechend tummeln sich hier heutige Stars wie Oscarpreisträger Forest Whitaker, Johnny Depp, John C. McGinley und "Final Destination"-Star Tony Todd in teils nur sehr kleinen Rollen. Zentral agieren dabei (gewohnt großartig) Willem Dafoe und Tom Berenger sowie natürlich Charlie Sheen, dem mit diesem Part der endgültige Durchbruch gelang. Ironisch, wenn man bedenkt, dass sein Vater Martin Sheen rund acht Jahre zuvor ebenfalls mit einem Kriegs-Klassiker in die Hollywood-Geschichte einging - nämlich Francis Ford Coppolas Vietnam-Epos "Apocalypse Now". Und Sheen macht seinem alten Herrn dabei wahrlich keine Schande, wirkt glaubwürdig und so, als hätte er der nächste Leading Man in Hollywood werden können. Wie uns die Geschichte gelehrt hat, kam das anders, was seine Leistung in diesem Werk aber natürlich keinesfalls schmälert. 

Fazit: "Platoon" ist ein ebenso wichtiger wie filmgeschichtlich unvergessener Beitrag im Antikriegsfilm-Genre, von Oliver Stone intensiv und schmerzlich inszeniert. Dramaturgisch mittlerweile etwas zu durchschaubar, fehlt es dem Film aber nicht an gewichtigen Noten und talentierten Schauspielern, die heute teilweise zu Stars herangewachsen sind.

Note: 2-



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