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Weapons - Die Stunde des Verschwindens

Als die Lehrerin Justine Gandy (Julia Garner) eines Morgens in ihre Schulklasse kommt, traut sie ihren Augen kaum. Mit Ausnahme des Schülers Alex Lilly (Cary Christopher) ist der Klassenraum komplett leer. Wie sich herausstellt, sind in der vergangenen Nacht um genau 2.17 Uhr alle siebzehn verbleibenden Kinder zeitgleich aus ihren Häusern hinausgerannt und in die Dunkelheit verschwunden. Nun sieht sich besonders Justine als Lehrerin aller verschwundenen Kinder mit einer Häufung von Anschuldigungen konfrontiert - vor allem Archer Graff (Josh Brolin), ein Vater eines der verschwundenen Kinder, greift die junge Frau sehr harsch an. Die Polizei steht vor einem schier unlösbaren Fall, denn nicht nur fehlt jegliche Spur der Kinder, sondern auch ein Verbrechen ist nicht ersichtlich. Was also ist in dieser Nacht geschehen? Ist Justine wirklich unwissend hinsichtlich des Verschwindens ihrer Klasse? Und wieso bliebt mit Alex genau ein Kind zurück?

Gerade im Horror-Kino ist es ungemein erfrischend, wenn man als großer Cineast, wie ich einer bin, endlich einmal wieder einen Film sieht, bei dem man am Ende sagen kann, dass man so etwas in dieser Form zuvor tatsächlich noch nicht gesehen hat. Das ist aber kaum überraschend, denn Regisseur Zach Cregger hatte vor rund drei Jahren bereits mit dem grandiosen Barbarian eine echte Horror-Wundertüte abgeliefert, die über harschen Grusel und allerlei obskure Absurditäten alles lieferte, was man hier niemals erwartet hätte. Mit diesem echten Hit hält Weapons nun zwar nicht ganz Schritt, ist aber auch nicht weit von dessen enormer Qualität entfernt. Denn auch wenn der wahre Horror hier nur zwischenzeitlich und letztendlich recht spät völlig Bahn bricht: Cregger ist einfach unglaublich gut darin, bedrückende Stimmungen zu erzeugen und Einzelszenen abzuliefern, die aufgrund ihrer Inszenierung, ihres stimmungsvollen Spieles mit Licht und Schatten sowie der allgemeinen Atmosphäre und grandios-fiesen Jumpscares einfach unfassbar gruselig sind. Ganz im Ernst, ich kann mich kaum entsinnen, wann ich bei einem Horrorfilm zuletzt vor Angst und Schrecken geschrien habe - hier war es soweit und ich war während einzelnen Momenten nahezu fix und fertig.
Das ist aber nur das Tüpfelchen auf dem I, denn ein wirklich guter Horrorfilm lebt nicht nur davon, sein Publikum richtiggehend zu schauern und ihnen vielleicht anschließend gar den Schlaf zu rauben, sondern hat im besten Fall auch noch eine gute Geschichte im Gepäck. Hier tut natürlich bereits die höchst mysteriöse und ungemein packende Prämisse, die bereits in den ersten zwei Minuten aufgemacht wird, ihr Übriges - ein wahnsinnig spannender Fall, dem man anschließend mehr als gerne folgt. Zudem nimmt sich Cregger angenehm viel Zeit, um seine Charaktere einzuführen. Er muss dabei keinesfalls atemlos von einem angsteinflößenden Setpiece zum nächsten flüchten, sondern lässt seine Figuren und die allgemeine Ohnmachts-Situation um sie herum sich angenehm entwickeln, lässt sie leben und atmen, sodass man wirklich an ihren Schicksalen interessiert ist. Das mag bei einer Laufzeit von mehr als zwei Stunden hin und wieder zwar etwas zu gut gemeint sein und gerade zwei Figuren, die ungefähr zur Halbzeit erstaunlich viel Screentime erhalten, plustern diese Laufzeit dann mit einigen recht verzichtbaren Nebenplots doch etwas arg auf. Letztendlich ist der Film aber aufgrund seines sinnigen Erzählmusters ungemein gut getaktet und stellt die gut durchdachte Geschichte vor banale Schreckmomente... weswegen diese sehr plötzlich über die Figuren hereinbrechenden Horror-Elemente dann umso mehr Intensität entwickeln.
Denn dank eines ungemein starken Gefühls für Kameraarbeit, Musik, Licht und das Sounddesign entstehen dabei zahlreiche Momente, die mich sicherlich noch lange bis in den Schlaf verfolgen werden. Gerade das letzte Drittel ist dabei prall gefüllt, aber nicht überfüllt von echten Horror-Meisterleistungen. Daran werden sich jedoch die Geister scheiden, denn ähnlich wie in Barbarian liefert Cregger hier mal wieder eine echte Wundertüte ab, bei der nicht jeder wirklich glücklich sein wird mit dem, für was sich der Regisseur hier entschieden hat. Ich empfand die Auflösung der Geschehnisse als ungemein originell und weitestgehend rund, auch wenn sich hier ein paar kleine Fehlerchen eingeschlichen haben und einige Logiklücken bis zum Schluss verbleiben, was zumindest für jene, die über etwaige Details gerne etwas mehr nachdenken, für Verwirrungen oder sogar Enttäuschung sorgen könnte. Zudem wirkt die letzte halbe Stunde innerhalb ihrer zwar sehr aufschlussreichen und voll mit echten Aha-Momenten gepflasterten Erklärbär-Szenen bisweilen etwas redundant und bemüht. Wobei man angesichts einer fast durchweg runden Auflösung aber auch nicht zu sehr meckern mag, sofern diese sich einfach nur ein bisschen zieht, aber immerhin keine allzu großen Fragezeichen mehr verbleiben. Zudem sind die letzten zehn Minuten in ihrem wahnwitzigen, völlig abgedrehten und fürchterlich gruseligen Mega-Horror-Terror so dermaßen abgefahren, dass man dem Film angesichts manch eines dramaturgischen Fehltritts und einiger kleinerer Längen ohnehin nicht mehr böse sein mag.

Fazit: Rein inszenatorisch und in der Ausarbeitung seiner wohldosierten, dafür dann aber knallharten Horror-Elemente ist das hier ein schieres Meisterwerk. Die Geschichte hält mit einem packenden Mysterium und spannenden Figuren bei der Stange, verzettelt sich hier und da aber auch ein wenig und kann trotz aller runden Überlegungen einige eher flache Logikfehler nicht ganz verwinden.

Note: 2



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