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Ballad of a Small Player

Brendan Reilly (Colin Farrell) bezeichnet sich selbst zwar als Lord, hat aber eigentlich keinen müden Cent mehr in der Tasche. Das hält ihn jedoch nicht davon ab, in den Casinos von Macau, wo er unter falscher Identität hausiert, immer wieder Karten zu spielen. Dabei hat er die Hoffnung, endlich eine Glückssträhne zu haben und somit seine sechsstelligen Schulden bei verschiedenen Inkassobüros und Kredithaien zu begleichen. Da ihm mittlerweile jedoch sogar die Polizei auf den Fersen ist, gestaltet sich diese Art des Geldgewinnens als immer schwieriger. In seiner schieren Besessenheit verfällt der selbsternannte Lord Doyle dem Alkohol und zerrt sich seine eigene Realität zurecht, bis er daran zu Grunde zu gehen glaubt. Doch dann begegnet er Dao-Ming (Fala Chen)... und erhält durch die mysteriöse, ihm zugewandte Casino-Mitarbeiterin eine womögliche Chance, seiner Misere zu entkommen.

Netflix scheint sich derzeit für die kommende Oscar-Saison in Stellung zu bringen und veröffentlicht momentan im Wochentakt neue Filme von hochdatierten Regisseuren und Regisseurinnen, die als besonders aussichtsreich für die Preisverleihung im März des kommenden Jahres angesehen werden. Vor rund anderthalb Wochen sorgte deswegen mit A House of Dynamite der neue Film von Oscar-Preisträgerin Kathryn Bigelow für Aufsehen und am kommenden Freitag startet zudem eine neue, episch angehauchte Frankenstein-Version von Kult-Regisseur Guillermo Del Toro. Dazwischen setzt sich nun das neue Werk von Edward Berger, der in den letzten Jahren mit haufenweise Oscar-Nominierungen (und teils auch Auszeichnungen) für sein Kriegs-Epos Im Westen Nichts Neues und den Vatikan-Thriller Konklave bedacht wurde. Dass nun jedoch Ballad of a Small Player bei der Oscar-Verleihung groß mitmischen wird, darf bezweifelt werden, denn die höchst verhaltenen Kritiken behalten diesmal leider recht. Mit diesem Mischmasch aus Mystery-Thriller und höchst verkitschtem Sozial-Drama hat sich Berger nämlich ziemlich verhoben.
So richtig weiß dieser Film nämlich nicht, was er sein will. Deutet zu Beginn noch alles auf einen düster angehauchten und wendungsreichen Thriller hin, in welchem sich ein mittelloser Protagonist mit dem Rücken zur Wand diverse Dollars ergaunert, driftet man später in immer surrealere Bereiche ab. Das merkt man besonders in der zweiten Hälfte, wenn neben dem (hier auch reichlich dick aufgetragenen) Drama rund um den in seiner eigenen Sucht gefangenen Protagonisten noch kistenweise Mystery-Kitsch aufgefahren wird, bei dem Berger letztendlich völlig die Kontrolle verliert. Schon zuvor hat er Mühe, die Handlung in Schwung zu halten, sodass trotz einer Laufzeit von nur hundert Minuten merkliche Längen auftreten. Da der Plot zwischen verschiedenen Dramen und Situationen recht unwirsch herumspringt und dabei zum Beispiel eine Erzählung rund um eine mysteriöse Frau, gespielt von Tilda Swinton, aufbaut, ohne für diesen einen wirklichen Plan zu haben, fällt es zunehmend schwerer, sich auf dieses wirre Versteckspiel einzulassen. Da hilft es eigentlich nur, sich an The Lobster-Star Colin Farrell festzuhalten, der hier erneut eine enorm packende Performance aufs Parkett legt und trotz des arg verworrenen Drehbuchs bei der Stange hält.
Was ebenfalls gefällt, sind die atmosphärisch dichten und sehr fein komponierten Bilder, welche die gefährlichen Casino-Welten von Macau eindrucksvoll auf den heimischen Bildschirm bringen. Dass Edward Berger sich auf stimmungsvolle Bilder und Kamerafahrten versteht, wussten wir natürlich bereits, doch das schmälert die dichte Atmosphäre keineswegs. Hin und wieder schießt Berger mit seinen wilden Kameratechniken und extremen Nahaufnahmen von Farrell's schweißnassem Antlitz aber auch übers Ziel hinaus... was auch für den sehr aufdringlichen Soundtrack von Volker Bertelsmann gilt. Man hat den Eindruck, als wolle man die aufgeladene Geschichte mit all ihren hochkitschigen und oftmals ins schiere Nichts laufenden Einfällen und Wendungen durch hochstilisierte Bilder ausgleichen und von dem wirren Geschehen der Handlung ablenken. Das geht aber nur für ein paar Minuten lang gut, bevor man sich an die optische Opulenz gewöhnt hat und damit beginnt, den Plot auf seine Stimmigkeit abzuklopfen. Dann wirds nämlich ziemlich schnell ziemlich kritisch und der nicht wirklich glaubwürdige Plot fällt unter all seinen Holzhammer-Überzeichnungen in sich zusammen.

Fazit: Colin Farrell ist wie gehabt eine echte Bank, die Regie von Edward Berger ist ebenfalls beeindruckend, was vor allem für die Bildgestaltung spricht. Auf der reinen Handlungsebene ist Bergers neuestes Werk aber so ungemein wirr, überzeichnet und verkopft, dass man schlichtweg nichts fühlt... und am Ende nur noch enttäuscht ist, wie solch eine dringliche Geschichte in solch einen surrealen Blödsinn übergeht.

Note: 4+



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