Königin Victoria hat Zeit ihres Lebens sicherlich für einige Geschichten gesorgt, die sich hervorragend für eine filmische Variante eignen würden - dementsprechend machte diese historische Figur die Leinwände auch schon das ein oder andere Mal unsicher. Die neueste Variante dieser Person bietet uns eine im Kino bislang unerzählte Geschichte, die auch erst vor wenigen Jahren wirklich ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit rückte - Victorias freundschaftliche Beziehung zu einem indischen, "niederen" Diener. Der Regisseur von "Die Queen" machte daraus ein ebenso herzliches wie witziges Filmchen, der jedoch auch die ein oder andere unnötige Kitsch-Phrase nicht umfahren kann...
VICTORIA & ABDUL
England, 1887: Königin Victoria (Judi Dench) gilt als Herrscherin der größten Nation der Welt und hat ihre Kräfte auch bereits bis nach Indien ausgebreitet. Dennoch nagt das Alter an ihr und im Hintergrund wartet bereits ihr ältester Sohn Bertie (Eddie Izzard) darauf, nach ihr endlich den Thron besteigen zu können. Victoria genießt ihre Macht, empfindet jedoch keine Freude mehr bei all den Anlässen und Terminen... bis sie den indischen Diener Abdul (Ali Fazal) kennenlernt, welche aus seiner Heimat nach England gebracht wurde, um der Königin eine Münze zu überreichen. Victoria entscheidet, Abdul bei sich zu behalten und schon bald entwickelt sich zwischen beiden eine enge Freundschaft, welche den englischen Hof erzürnt...
Im weitesten Sinne möchte "Florence Foster Jenkins"-Regisseur Stephen Frears sein Publikum auf möglichst simple Art und Weise unterhalten, was ihm durchaus auch gelingt. Natürlich hätte sich manch ein geneigter Zuschauer sicherlich gewünscht, dass er vielleicht etwas wagemutiger an diese wahre Geschichte herangegangen und sie nicht in ein doch recht zuckriges Wohlfühl-Märchen verwandelt hätte. Über komplexere und schwierige Plotlines, zum Beispiel ob Diener Abdul seine Position besonders im Hinblick auf seinen mitgereisten Landsmann Mohammed nicht vielleicht ein wenig ausnutzt, schwegt sich Frears nämlich entweder aus oder reißt sie so kurz an, dass er sich nicht großartig damit auseinandersetzen muss. Das ist ein wenig schade, ließe sich in dieser Geschichte doch Potenzial für ein sehr vielschichtiges und auch gar nicht so konventionelles Drama finden... aber gut, wir haben nun einen anderen Film und dementsprechend sollte man seine Erwartungen also umstellen und sich auf leichter bekömmliche Unterhaltung freuen, die schwierigeren Diskrepanzen weiträumig aus dem Weg geht.
Wer sich darauf einstellt, bekommt insbesondere in der ersten Hälfte ein sehr unterhaltsames Werk geboten, welches mit Klischees spielt und dennoch zu amüsieren weiß. Es handelt sich im weitesten Sinne um eine Culture-Clash-Komödie, in welcher zwei vollkommen verschiedene Menschen aufeinanderprallen und sich mit den Gegebenheiten des jeweils anderen nicht auseinandersetzen müssen, sondern dies eher wollen. Dies führt natürlich zu manch einem amüsanten Missverständnis, letzten Endes lernen die beiden Protagonisten aber weit mehr voneinander alsdass sie sich missverstehen. Dabei gibt es dann weitaus weniger lautere Lacher als ein paar kleine Schmunzler... diese aber immerhin in sehr ordentlicher Anzahl. Das Genre wird hier sicherlich nicht neu erfunden, dennoch sorgt der Aufprall eines sehr lebensfrohen, freieren Dieners in der schnöden englischen Provinz, die sich so steif und förmlich wie möglich gibt, doch für einige erheiternde Momente.
In der zweiten Hälfte schleichen sich aber schließlich auch einige Längen ein, worüber weder die ausgesprochen beeindruckende Bildgewalt im Sinne von detailreichen, pompösen Sets und Kostümen nicht hinwegtrösten kann. Die englische Belegschaft versucht natürlich, empört über den Umgang der Königin mit einem "niederen" Menschen, Abdul loszuwerden, was Victoria dank ihres geöffneten Herzens und ihrer streitlustigen Sturheit aber stets verhindern kann. Dieser Plot dreht sich recht schnell im Kreis und lässt Abdul als Protagonist auch eher gehemmt agieren, wird er in diese doch arg beliebiegen, teils sogar comichaften Konflikte, doch eher hineingeschoben, alsdass er selbst mal zur Tat schreiten darf. Abdul beobachtet eher alsdass er eingreift, was das Ganze später doch ein wenig zäh macht, wobei sich einzelne Situationen und Konflikte rasch wiederholen. Angesichts der doch arg überzeichneten Tatsache, dass der englische Hof schon beim kleinsten Schritt oder bereits bei der erneuten Begegnung mit Abdul böse zu lästern beginnt, möchte man die ganze Chose schließlich auch nicht mehr ernstnehmen... ab und an driftet man hier doch in recht überzogene und unglaubwürdige, komödiantisch etwas zu alberne Gefilde ab.
Als Highlight darf dafür die Performance der wieder einmal grandiosen Judi Dench gelten, die in jede kleine Geste so viel Kraft hineinlegt, ohne dass es überzogen wirken würde und, gemeinsam mit ihrem an Ausstrahlung enorm gesegneten Spielpartner Ali Fazal, erneut ihr Gespür für Comedy-Timing beweist. Neben Eddie Izzard, der Victorias Sohn Bertie als stumpfen und ziemlich verdrießlichen Möchtegern gibt, verdient sich auch "Harry Potter"-Star Michael Gambon als grummeliger Premierminister eine stilvolle Extraerwähnung, obwohl seine Auftritte leider etwas kurz ausfallen.
Fazit: Die Geschichte wird leider nicht so tief und unkonventionell erzählt wie es möglich und vielleicht auch nötig gewesen wäre. Trotz einiger Längen ist der Film aber dennoch amüsant genug, um 112 Minuten zu unterhalten und hat das Herz dabei stets am rechten, wenn auch etwas märchenhaft überzogenen Fleck.
Note: 3
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