Biopics. Jeder Filmfan lechzt nach ihnen, da man zumeist akribische Arbeit und das Offenlegen der inneren Kämpfe einer bekannten Person vorgeführt bekommt, was immer eine interessante Sache ist. Biopics bringen jedoch auch das Problem mit sich, dass die Geschichte auf gewisse Weise vorgeschrieben ist und bei dem Erzählen des ganzen Lebens einer einzigen Person immer Abstriche gemacht werden müssen. Unter den Musiker-Biopics schaffte "Walk the Line" noch, dabei regelrecht zu begeistern, "Ray" gelingt dies in dieser Form allerdings nicht, denn dabei tut sich der Film doch recht schwer, seine Hauptfigur greifbar zu erfassen...
RAY
Im Alter von sieben Jahren erblindete er, nach dem Tod seiner Mutter Aretha (Sharon Warren) versucht er, auf eigenen Füßen zu stehen und strebt eine Karriere im Musikbusiness an: Als Ray Charles Robinson (Jamie Foxx) schließlich tatsächlich entdeckt wird und sich nach und nach die einzelnen Aufstiege über das Treppchen auf die großen Bühnen erkämpft, wird er zum Idol einer ganzen Generation. Doch der rasante Ausftieg bringt auch seine Gefahren mit sich und so muss sich Charles mit der Rassentrennung in den 60er Jahren, gewissen Affären und nicht zuletzt der Gefahr des Drogenmissbrauchs auseinandersetzen...
Ray Charles hat das Musikbusiness mit seinem unnachahmlichen Talent nachhaltig verändert. Als er 2004 verstarb, befand sich sein Biopic unter der Regie von Taylor Hackford bereits in der Produktion und wurde von Charles persönlich begleitet. Somit versteht sich der Film definitiv nicht als vollständige Abhandlung seines Lebens, sondern setzt den Fokus auf eine bestimmte Zeit, um schließlich bereits in den 60er Jahren zu enden... gut vierzig Jahre vor seinem Tod. Die Zeit, welche der Film nun abtastet, waren aber in seinem öffentlichen Leben sicherlich die prägnantesten, erzählen sie doch sowohl vom Aufstieg als auch vom zwischenzeitlichen Absturz eines nie vergessenen Künstlers und bilden somit den perfekten Rahmen, um ein packendes, lebensechtes Drama zu liefern. Dass dies dem Film zumindest über weite Strecken gelingt, ist vordergründig erstmal einem Mann zu danken und dieser Mann hört auf den Namen Jamie Foxx.
Der für diese Rolle völlig zurecht oscarprämierte Schauspieler gibt sich nicht damit zufrieden, einfach eine bewegende, überzeugende und starke Leistung abzugeben, er geht noch viel weiter, übernimmt selbst die kleinsten gestischen Auffälligkeiten des Mannes, den er hier darstellt und schafft es, diese so selbstverständlich und nebenbei wirken zu lassen, dass man nur beeindruckt zusehen kann, wie hier ein Schauspieler schier völlig hinter seiner Rolle verschwindet. Noch dazu kann Foxx nicht auf seine Augen zurückgreifen, die schließlich stets für den größten Ausdruck verantwortlich sind, wenn es ums Filmschauspiel geht, was seine Leistung hier nur noch eindrucksvoller macht. Der Rest der Besetzung liest sich auf dem Papier dann auch nicht so namhaft, vielleicht, weil Foxx ihnen allen schlichtweg die Schau stehlen würde. Dennoch sind gerade die Auftritte von Regina King und Kerry Washington als Frauen an Rays Seite über jeden Zweifel erhaben und auch die Nebendarstellerriege rund um "Jurassic Park"-Star Richard Schiff, "Harry Potter"-Zauberer Warwick Davis und Terrence Howard in ihren oftmals recht kleinen Auftritten liefert sehr solide Arbeit.
Neben der schauspielerischen Garde, die von Foxx hier klar beherrscht wird, bleibt beim Rest des Filmes jedoch eine Art Enttäuschung über. Keine Frage, "Ray" ist sehr gut inszeniert, hat einige fantastische musikalische Einlagen zu bieten und entwickelt schon früh durch die Zusammenarbeit von Schnitt und Kamera einen gewissen Sog, erzählerisch wäre aber noch viel Luft nach oben gewesen. So werden einige Subplots zu rasch abgehandelt, während andere zu breit getreten werden und auch die Person Ray Charles an sich bleibt noch nach dem Ende des Abspanns ein Fragezeichen. So zeigt der Film zwar, wer er war, was er tat und wofür er lebte, traut sich dabei auch mal zu, düstere Seiten zu zeigen, leider hinterfragen die Macher diese aber zu selten, lassen sie als Fakten auf dem Tisch liegen, was die Figur leider nicht sehr greifbar macht.
Zudem schleichen sich gerade im Mittelteil einige deutliche Längen ein und auch der Kniff, Ray Charles' Kindheitsleben in Rückblicken zu erzählen, die immer wieder während der Haupthandlung eingestreut werden, erweist sich als Klotz am Bein, denn diese nehmen das Tempo immer wieder spürbar raus. Eine konventionelle Erzählung von A nach Z wäre in diesem Fall sicherlich der bessere Weg gewesen. So bleibt ein an sich beeindruckender Film, der jedoch nicht genug Tiefen bietet und oftmals etwas hastig und kühl, später wieder durch Langsamkeit, aber niemals emotional tiefschürfend das Leben eines großen Mannes aufzeigt. Das ist sicher faszinierend, leider aber zu selten wirklich packend.
Fazit: Jamie Foxx beherrscht den Film mit einer meisterhaften Leistung, vor der man nur den Hut ziehen kann. Erzählerisch leistet sich das Biopic jedoch einige Schwächen, die auch die schöne Inszenierung nicht immer retten kann.
Note: 3
Kommentare
Kommentar veröffentlichen