Zum Ende des Jahres versuche ich immer, noch einige der wichtigeren Filme nachzuholen, die ich im Kino verpasst habe. Man wird es auf dem Blog dieser Tage gemerkt haben - es mehrten sich aktuelle Werke. Dies tue ich, auch wenn ich zu Neujahr längst nicht alles gesehen haben werde, was ich 2019 sehen wollte, um einfach einen runden Blick auf das Kinojahr zu werfen. Ein Kinojahr, welches in meinen Augen neben einigen mauen Enttäuschungen auch etliche Highlights bot. Ein solches Highlight ist zu Teilen auch der damalige Oscarkandidat "Can You Ever Forgive Me?" und das besonders aufgrund seiner Hauptdarstellerin: Melissa McCarthy trennt sich hier eindrucksvoll von ihren Comedy-Wurzeln und legt eine beachtenswerte Performance hin.
CAN YOU EVER FORGIVE ME?
Die 51-jährige Lee Israel (Melissa McCarthy) konnte sich vor einigen Jahren mit einem Roman-Bestseller einen Namen machen. Weitere Füße bekam sie durch ihre exzentrische, aufbrausende Art und die strikte Verweigerung, sich massentauglichen Stoffen zu widmen, jedoch nicht in die Tür. Nun ist sie pleite, ertränkt ihre Sorgen im Alkohol und feiert die Nächte mit dem homosexuellen Senioren Jack Hock (Richard E. Grant) durch... bis ihr eines Tages eine Idee kommt, die ihre finanziellen Nöte sprengen soll. Mit Hilfe von Schlitzohr Hock fälscht sie einige Briefe bekannter, verstorbener Literaten und bringt diese für viel Geld unter die Leute und in die Hände von Kunstsammlern. So erarbeitet sich Lee mit der Zeit wieder einen Namen und finanzielle Sicherheit... bis jedoch das Gesetz Wind von der Sache bekommt.
Das Drama von Regisseurin Marielle Heller, die in diesem Jahr mit dem heftig umworbenen und ebenfalls starbesetzten "Der wunderbare Mr. Rogers" gleich das nächste heiße Eisen im Feuer hat, wurde im Februar 2019 für drei Oscars nominiert und erfreute sich beinahe durchgehend dem Zuspruch der Kritiker und Zuschauer. Insbesondere unter der LGBT-Community war das Werk mehr als beliebt, da hier die Geschichte einer lesbischen Schriftstellerin und eines schwulen Trickbetrügers erzählt wurde, ohne ihre Sexualität zu stark über den eigentlichen Plot zu stellen. Tatsächlich wurde darum wenig Aufsehen gemacht, weswegen sich ihre Sexualität im Film absolut natürlich und nicht wie politisch hineingezwungen anfühlt, um irgendwie korrekt anzumuten - genauso sollte es sein und dafür gab es dann auch zurecht jede Menge Lob.
Darüber hinaus erzählt "Can You Ever Forgive Me?" eine Geschichte nach einer wahren Begebenheit, ein persönliches Drama, solide inszeniert und durchaus auch mit einigen Höhepunkten. Richtig neu oder originell ist das nicht, das scheint aber auch gar nicht Hellers Ankerpunkt zu sein. Stattdessen fokussiert sie sich mit aller Kraft auf ihre Hauptfigur und widersteht darauf, dieser ein überzogenes Drama nach dem nächsten anzudichten. Stattdessen ist die Geschichte einer arbeitslosen Autorin, die sich aufgrund von Geldsorgen und persönlichen Rachemotiven in kriminelles Milieu flüchtet, ausgesprochen unaufgeregt und menschlich erzählt. Das sorgt zwar im Mittelteil für einige Längen und aufgrund der etwas zu kurzen Laufzeit folgt der Fall des kriminellen Genies etwas zu rasch auf den langsamen Aufstieg, insgesamt bleibt man aber doch dran.
Dass der Film funktioniert und die Hauptfigur trotz ihrer kriminellen Machenschaften dem Zuschauer durchaus sympathisch bleibt, ist natürlich Melissa McCarthy zu verdanken. Es ist selbstverständlich ein wenig Kalkül, eine besonders für ihre derben Comedy-Einlagen bekannte Schauspielerin für solch einen hochkarätigen Oscarstoff zu engagieren, um damit das Interesse des Zuschauers zu wecken. "Ach, McCarthy macht nun ein solch ernstes Drama? Das klingt spannend." Aber wenn sie ihre Sache so dermaßen gut macht wie hier und zwischendurch dennoch auf sehr nuancierte und passende Weise ihren legendären Improvisations-Humor einfließen lassen darf, dann muss man sich über solch cleveres Kalkühl auch nicht beschweren - McCarthy agiert brillant und steckt sogar den ebenfalls oscarnominierten Richard E. Grant noch einmal in die Tasche, der hier ebenfalls zum wiederholten Male absolut gigantisch ist. Vielleicht hätte ich mir noch den einen Touch gewünscht, der dem Film etwas Besonderes gegeben hätte, denn in dieser Form läuft er im Grunde von A nach B nach C, recht vorhersehbar und geradlinig, mit ein wenig Herz, aber ohne die ganz großen Wagnisse. Das ist natürlich trotzdem noch gut, aber nicht das durchweg positiv bewertete Meisterwerk, welches viele in ihm sehen.
Fazit: Melissa McCarthy und Richard E. Grant brillieren in einem soliden Drama nach wahren Begebenheiten, welches manchmal etwas zu statisch abläuft, insgesamt aber eine spannende Geschichte und eine faszinierende Hauptfigur bietet.
Note: 3+
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