Ein neuer Tarantino-Film war gefühlt schon immer ein Event, doch mittlerweile scheint sich dieser Hype vervielfältigt zu haben. Nach eigenen Aussagen möchte der "Pulp Fiction"-Regisseur seine Karriere nach zehn abendfüllenden Kinofilmen beenden und sollte er sich an diese Aussage halten, dann ist es auch schon beinahe vorbei. Der nun endlich in Deutschland angelaufene "Once Upon a Time in Hollywood" ist sein neunter Kinofilm und schon bei der Werbekampagne bewies Tarantino, dass er die Massen noch immer in Atem halten kann. Über die beeindruckende Starbesetzung hinaus schien nämlich bis zum Start nicht wirklich klar, worum es diesmal überhaupt gehen würde und Tarantino machte aus diesem Geheimnis schier ein Mysterium. Nun haben wir sein vorletztes Werk (?) also endlich gesehen... und stellen uns erneut die Frage, was Tarantino hier nun in seiner eigenwilligen Art und Weise eigentlich erzählt.
ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD
Im Jahr 1969 beginnt der Stern des einstigen Hollywood-Stars Nick Dalton (Leonardo DiCaprio) zu sinken. Der muss nun bei der Wende seiner Karriere mit Nebenrollen in Serien und Angeboten in Spaghetti-Western leben, was ihm gegen den Strich geht. Während er mit seinem Stuntdouble und besten Freund Cliff Booth (Brad Pitt) durch die Straßen von L.A. düst, von einem mickrigen Angebot zum nächsten, zieht neben Dalton die aufstrebende Jungschauspielerin Sharon Tate (Margot Robbie) an. Dieser scheint eine große Karriere gegönnt, während Dalton mit einem Alkoholproblem vor sich hin siecht. Nebenbei sieht Booth während einer seiner Touren auf der Straße ein junges Mädchen namens Kitty (Margaret Qualley)...
Ja, was will Quentin denn diesmal? Auch nach der Sichtung seines mittlerweile neunten Films, auf den Filmfans auf der ganzen Welt warteten als sei es die Auferstehung Christi, stellt man sich diese Frage unwillkürlich. Die Antwort, die ich für mich gefunden habe, fällt im Grunde simpel aus: Eine Zeichnung eines Lebensabschnittes eines abgehalfterten Schauspielers und ebenso die Zeichnung des Los Angeles am Ende der 60er Jahre. Und diese Aufgabe meistert Tarantino in seiner schieren Zitierwut mit Bravour. Er lässt Los Angeles zu einer Zeit, als Western, Filmstars und unrasierte Achselhöhlen in Mode waren, so dermaßen detailreich und charmant auferstehen, als wäre es niemals weg gewesen. An jeder Ecke gibt es etwas zu entdecken, sei es ein aufmüpfiger Bruce Lee, ein kettenrauchender Filmproduzent, sexy Anhalterinnen, ein Westernstadt-Filmset, auf welchem die Leute rauchen und Kaffee trinken... Tarantino hat auch hier wieder ein Auge für Details, in denen sich sowohl er als auch der Zuschauer nur zu gerne verliert.
Ob letztere ihm auch darüber hinaus folgen wollen, hängt stark davon ab, was für eine Faszination man für die Thematik mitbringt und wie viel Wert man auf eine ausgeklügelte Dramatik und einen geradlinigen Plot legt. Wo Tarantinos jüngste Werke ja immerhin noch ein ganz klares Ziel und einen zumeist sehr blutigen Schlussspurt aufwiesen, weiß man hier über weite Strecken gar nicht, wo Tarantino hin will. Teils sehr episodisch, was positiv an Tarantinos wohl bekanntestes Werk "Pulp Fiction" erinnert, widmet er sich hier sowohl der Zeitepoche und den darin handelnden Charakteren - einen Topf kann er aber kaum darüber stülpen, da diese Handlungen auch über den finalen Showdown hinaus ziemlich losgelöst voneinander existieren. Deswegen und auch, weil er diesmal nicht imstande scheint, eine wirklich packende Geschichte zu erzählen, sich eher in seiner Zitierwut und Einzelszenarien verliert, werden einige Zuschauer Tarantinos neuesten Film wohl als perfekt inszenierte und gespielte Langeweile verstehen.
Dem ist aber natürlich nicht so, auch wenn sich die 161 Minuten gerade in der zweiten Hälfte, wenn der Fokus doch verloren geht, mal recht lang anfühlen können. Langweilen tut man sich dennoch nie, was der herausragend agierenden Besetzung zu verdanken ist. Man durfte erwarten, dass ein Ausnahmeregisseur seinen Star-Cast erneut zu unsterblichen Performances antreiben würde und dementsprechend brillant agieren DiCaprio, Pitt und Robbie hier auch. Besonders die gemeinsamen Szenen der beiden ersteren sind sowohl in ihrer einfühlsamen Dramatik als auch in ihrem leisen Humor schlichtweg entwaffnend gut, auch wenn die Dialoge dieses Mal nicht ganz so geschliffen sind wie in Tarantinos vorhergehenden Werken.
Insgesamt ist es also schon so, dass man über 161 Minuten sehr viel Spaß hat, Tarantino dabei über die Schulter zu sehen, wie er sich im Zeitgeist verliert, wobei sein Comedy-Timing, sein Soundtrack und die Führung seiner Schauspieler erneut über jeden Zweifel erhaben sind. Mit fortschreitender Laufzeit beginnt man jedoch zu sehen, dass diesmal nicht mehr dahintersteckt und ist gar ein wenig enttäuscht, wenn der Film am Ende eben so wegdümpelt. Sogar der gewohnt blutige Showdown mag nicht wirklich fesseln, ist in seiner überzeichneten Inszenierung gar eher anstrengend und albern als packend. Hier und da fragt man sich also, was Tarantino gewollt und ob er sich hier und da, wenn er alles nebeneinander herlaufen lässt, ohne eine Konsequenz herzuleiten, nicht doch übernommen hat. Einem anderen Regisseur hätte man solche Löcher wohl weniger verziehen.
Fazit: "Once Upon a Time in Hollywood" ist ein mittelmäßiger Tarantino-Film, dafür aber noch immer ein guter Film, der beinahe brillant den Zeitgeist der 60er einfängt und seine Stars zu Höchstleistungen anstachelt. Auf der Dramaturgieschiene hapert es jedoch - diesmal weiß der Plot, der bald ins Nichts läuft, nicht durchweg zu packen.
Note: 3+
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