Francis (Welket Bungue) kam als Flüchtling aus Bissau nach Deutschland. In Berlin arbeitet er in schwersten Tätigkeiten für einen Hungerlohn, damit er sich ein Bett in einem Heim leisten kann. Eines Tages wird er von dem psychisch kranken Drogendealer Reinhold (Albrecht Schuch) angeheuert - er stellt ihm einen einfacheren, aber auch gefährlicheren Job in Aussicht, womit er wesentlich mehr Geld verdienen würde. Francis nimmt das Angebot nach einem Streit mit seinen Kollegen an und versinkt in einem Sump aus Drogen, Sex und Macht. Bald beginnt er das korrupte Verhalten Reinholds zu verstehen und einzuordnen und möchte aus dem Geschäft aussteigen. Doch ist er einmal darin gefangen, so scheint es keinen geregelten Ausweg mehr zu geben...
Frei nach dem Roman, dem so ziemlich jeder deutsche Schüler bereits begegnet ist, interpretierte Regisseur Burhan Qurbani die Thematik neu und verlegte den Schauplatz aus den 20er Jahren in unsere heutige Zeit. Ganz aktuell, wobei er auch die Themen unserer heutigen Gesellschaft anfasst und vertieft... zumindest sporadisch. Denn es ist zwar alles drin, was man sich in einem Film wie diesem vorstellt, wobei auch ein abgründiges und zutiefst düsteres Bild gezeichnet wird, doch so ganz wird nicht klar, was Qurbani uns damit sagen will. Will er aufzeigen, was für ein hartes Los Flüchtlinge ziehen müssen, die eigentlich (so wiederholt es zumindest Jella Haase's Erzählerstimme immer wieder) nur anständig und gut sein wollen? Dass sie kaum eine andere Wahl haben, als in die Kriminalität einzusteigen und anschließend keinen Weg mehr aus diesem Sumpf herausfinden? Qurbani spricht diese Themen an, richtige Antworten liefert er uns jedoch nicht. Stattdessen zeichnet er ein sehr aktuelles, inszenatorisch aber auch verfremdetes Bild einer Gesellschaft mit und ohne Schranken.
In fünf Teile splittet er Francis' Geschichte auf, satte drei Stunden und drei Minuten benötigt er, um sie in allen Facetten zu erzählen. Ein deutsches Drama in epischer Breite also und dementsprechend "breit" geht es hier dann auch zu. Die Dialoge sind gestelzt und nur in den seltensten Momenten in der Realität behaftet - Qurgani arbeitet mit Superzeitlupen und Neonlichtern, mit Alptraumsequenzen und Erzählerstimmen, die uns schier biblische Passagen herunterbeten und somit die Gefühlswelt seiner Protagonisten erfassen wollen. Das ist meisterhaft gefilmt, verliert jedoch immer öfter seinen Fokus. Von den Gewaltspiralen hin in ein ruhiges Leben, welches dann wieder zerbricht - im Kern erzählt "Berlin Alexanderplatz" eine bekannte Geschichte, die dennoch nichts von ihrer Wichtigkeit verloren hat. Darüber hinaus wird sie jedoch so lang und breit erzählt, auch so ekstatisch und überdimensional, dass leise Töne nicht mehr angebracht sind. Schade angesichts einer Geschichte, die aus dem wahren Leben erzählt, aufgrund ihrer Inszenierung aber so überzeichnet wirkt, dass wir sie nicht wirklich glauben wollen. Hier beißt sich die schier epische Breite der Erzählung mit dem kleinen, menschlichen Kern.
Nichts auszusetzen gibt es indes an der Leistung von Hauptdarsteller Welket Bungue, der eine ungemein kraftvolle Performance anbietet. Etwas schwieriger wird es bei "Systemsprenger"-Star Albrecht Schuch, der seinen vollends durchgeknallten Reinhold irgendwo zwischen Batmans Nemesis Joker und dem grausamen Frauenmörder Fritz Honka aus "Der Goldene Handschuh" anlegt - inklusive schrägen Grimassen und körperlichen Schädigungen. In einer ungemein kraftvollen, aber auch arg überzeichneten Performance frisst Schuch zwar die ganze Leinwand auf, bewegt sich aber auch am Rande einer bisweilen etwas anstrengenden und gar nervigen Karikatur. Da kann der mit wesentlich weniger Szenen gesegnete, an sich aber auch bedrohlich wirkendere Joachim Krol mehr Boshaftigkeit streuen. Und dann wäre da noch "Vielmachglas"-Star Jella Haase, die zwar eine grundsolide, wenn auch nicht immer glaubhafte Performance abliefert, innerhalb der Hauptprotagonisten aber auch die undankbarste Rolle abgestaubt hat. Besonders im letzten Drittel des Films muss sie auf diverse Schläge nur noch reagieren, ohne selbst als handelnde Figur so richtig gefordert zu werden.
Fazit: In epischer Breite will die Neuinterpretation des Romanklassikers sehr, sehr viel erzählen, verwechselt die inszenatorische Größe dabei aber mit erzählerischer Wucht. Es geht um so viel, dass der menschliche Kern weggedrängt wird, sodass weitaus weniger als die Summe seiner Teile bleibt.
Note: 4
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