Hamburg, 1970: Fritz Honka (Jonas Dassler) verbingt seinen schnöden Alltag zumeist mit einem Job, der ihn nicht erfüllt sowie dem Konsumieren von Alkohol und Zigaretten. In seiner Stammkneipe, dem "Goldenen Handschuh", geht er zudem auf Pirsch, um die ein oder andere Dame anzusprechen... und dann grausame Dinge mit ihnen anzustellen. Honka, entstellt und zurückgewiesen, hat sich nicht unter Kontrolle und wird zum unerkannten Serienmörder. Dabei schreckt er auch nicht vor psychischen Drangsalierungen zurück und verliert die Kontrolle über seine Existenz, in einem Ort, der selbst schon verloren scheint.
In diesem Jahr habe ich den Kiez besucht und dabei auch im Goldenen Handschuh vorbeigeschaut. Ohne den Film, der 2019 für allerlei Gesprächsstoff sorgte, gesehen zu haben, aber wissend, was hier in den 70ern geschah und wer hier residierte. Die Atmosphäre war schneidend und Unwohlsein herrschte in der verrauchten Kneipe - es war wahrlich kein Vergnügen. Nun habe ich den Film von Regisseur Fatih Akin nachholen können und bin nachhaltig beeindruckt. Es ist kein Film, bei dem man sich in irgendeiner Form wohlfühlen kann. Es ist ein Film, der fordert und Grenzen sprengt. Ein Film, der haften bleibt... und dabei letztendlich die letzten Schritte verpasst, die er hätte gehen müssen, um ein absolutes Meisterstück zu werden.
Akin geht in drastischen Bildern über vieles hinaus, was wir aus dem Filmbereich kennen. Nicht nur ist er ungemein brutal (wenn er auch unnütze Splatter-Szenen ausspart), er ist auch in jeder Hinsicht so dermaßen düster, bedrückend und aufwühlend, dass man meint, man würde regelrecht in das Hamburg der 70er hineingesogen werden. Akin hat die Atmosphäre so kongenial auf Film gebannt, dass man nicht nur sieht und hört, sondern die versifften Buden und Kneipen regelrecht riecht. Das ist nicht schön und soll es auch nicht sein, aber es ist ungemein treffend. Durch eine hervorragende Kamera, punktgenaues Setdesign und einen passenden Soundtrack entsteht dabei ein Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Besonders die Szenen in der titelgebenden Kneipe stechen dabei heraus: Sie sorgen nicht für gelegentliche Atempausen und leisen Humor, sondern sind auch wunderbar inszeniert.
Diese Atempausen werden bei den grausamen Dingen, die wir hier ansonsten über 110 Minuten sehen müssen, auch dringend benötigt. Zartbesaitete Seelen werden hier schnell kapitulieren und auch Hartgesottene mehr als einmal schlucken müssen angesichts der visuellen und psychischen Gewalt, die Akin vom Stapel lässt. Dabei verpasst er es allerdings, seinem Fritz Honka ein tieferes Gesicht zu geben. Wo der Roman wesentlich mehr erzählt, springt Akin gleich in die Vollen. Wir lernen weniger über diesen schrecklichen Menschen als wir müssten und so verbleibt die wichtigste Figur in der Einseitigkeit. Das gilt indes auch für die Nebenfiguren, die nur in den wenigsten Momenten über Stichwortgeber, Opfer oder einfach nur Alkoholleichen hinaus definiert werden. Das sorgt zwar für mehr Tempo, ist gerade angesichts des Themas aber auch schade, da man weitaus mehr aus den Charakteren hätte herausholen können und müssen.
Dass "Der Goldene Handschuh" in der zweiten Hälfte ebenfalls an Schwung verliert, lässt sich nicht übersehen. Er bleibt atmosphärisch dicht und dichtet seinem Honka gerade während des Plots rund um die Putzkraft Helga Denningsen (gespielt von Katja Studt) auch leisere Momente an. Es sind die Momente, in denen der gerade einmal 23-jährige (!) Jonas Dassler ganz besonders glänzt, obwohl er über die gesamte Laufzeit hinter der grandiosen Maske förmlich verschwindet, eins wird mit dieser schauerlichen Figur und das in jeder schauspielerischen Hinsicht - eine brillante, angsteinflößende Performance. In der Kombi mit Akins atemloser Regie und der ständig packenden Atmosphäre, die uns trotz etlicher Szenen, in denen kaum wichtiges zu passieren scheint, wie auf glühenden Kohlen sitzen lässt, entsteht somit also ein Film, der nachwirkt. Ein Film, der besser hätte sein können und müssen, in dieser Form aber absolut stark ist. Top geschrieben, intensiv inszeniert, mit Mut und sogar ein wenig Köpfchen.
Fazit: Atmosphärisch dichtes, aufwühlendes und extrem brutales Drama, welches insbesondere die Atmosphäre des Hamburger Kiezes authentisch einfängt. Jonas Dassler brilliert in der Hauptrolle, die man allerdings auch etwas doppelbödiger hätte schreiben können - so geht etwas Tiefe verloren.
Note: 2-
In diesem Jahr habe ich den Kiez besucht und dabei auch im Goldenen Handschuh vorbeigeschaut. Ohne den Film, der 2019 für allerlei Gesprächsstoff sorgte, gesehen zu haben, aber wissend, was hier in den 70ern geschah und wer hier residierte. Die Atmosphäre war schneidend und Unwohlsein herrschte in der verrauchten Kneipe - es war wahrlich kein Vergnügen. Nun habe ich den Film von Regisseur Fatih Akin nachholen können und bin nachhaltig beeindruckt. Es ist kein Film, bei dem man sich in irgendeiner Form wohlfühlen kann. Es ist ein Film, der fordert und Grenzen sprengt. Ein Film, der haften bleibt... und dabei letztendlich die letzten Schritte verpasst, die er hätte gehen müssen, um ein absolutes Meisterstück zu werden.
Akin geht in drastischen Bildern über vieles hinaus, was wir aus dem Filmbereich kennen. Nicht nur ist er ungemein brutal (wenn er auch unnütze Splatter-Szenen ausspart), er ist auch in jeder Hinsicht so dermaßen düster, bedrückend und aufwühlend, dass man meint, man würde regelrecht in das Hamburg der 70er hineingesogen werden. Akin hat die Atmosphäre so kongenial auf Film gebannt, dass man nicht nur sieht und hört, sondern die versifften Buden und Kneipen regelrecht riecht. Das ist nicht schön und soll es auch nicht sein, aber es ist ungemein treffend. Durch eine hervorragende Kamera, punktgenaues Setdesign und einen passenden Soundtrack entsteht dabei ein Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Besonders die Szenen in der titelgebenden Kneipe stechen dabei heraus: Sie sorgen nicht für gelegentliche Atempausen und leisen Humor, sondern sind auch wunderbar inszeniert.
Diese Atempausen werden bei den grausamen Dingen, die wir hier ansonsten über 110 Minuten sehen müssen, auch dringend benötigt. Zartbesaitete Seelen werden hier schnell kapitulieren und auch Hartgesottene mehr als einmal schlucken müssen angesichts der visuellen und psychischen Gewalt, die Akin vom Stapel lässt. Dabei verpasst er es allerdings, seinem Fritz Honka ein tieferes Gesicht zu geben. Wo der Roman wesentlich mehr erzählt, springt Akin gleich in die Vollen. Wir lernen weniger über diesen schrecklichen Menschen als wir müssten und so verbleibt die wichtigste Figur in der Einseitigkeit. Das gilt indes auch für die Nebenfiguren, die nur in den wenigsten Momenten über Stichwortgeber, Opfer oder einfach nur Alkoholleichen hinaus definiert werden. Das sorgt zwar für mehr Tempo, ist gerade angesichts des Themas aber auch schade, da man weitaus mehr aus den Charakteren hätte herausholen können und müssen.
Dass "Der Goldene Handschuh" in der zweiten Hälfte ebenfalls an Schwung verliert, lässt sich nicht übersehen. Er bleibt atmosphärisch dicht und dichtet seinem Honka gerade während des Plots rund um die Putzkraft Helga Denningsen (gespielt von Katja Studt) auch leisere Momente an. Es sind die Momente, in denen der gerade einmal 23-jährige (!) Jonas Dassler ganz besonders glänzt, obwohl er über die gesamte Laufzeit hinter der grandiosen Maske förmlich verschwindet, eins wird mit dieser schauerlichen Figur und das in jeder schauspielerischen Hinsicht - eine brillante, angsteinflößende Performance. In der Kombi mit Akins atemloser Regie und der ständig packenden Atmosphäre, die uns trotz etlicher Szenen, in denen kaum wichtiges zu passieren scheint, wie auf glühenden Kohlen sitzen lässt, entsteht somit also ein Film, der nachwirkt. Ein Film, der besser hätte sein können und müssen, in dieser Form aber absolut stark ist. Top geschrieben, intensiv inszeniert, mit Mut und sogar ein wenig Köpfchen.
Fazit: Atmosphärisch dichtes, aufwühlendes und extrem brutales Drama, welches insbesondere die Atmosphäre des Hamburger Kiezes authentisch einfängt. Jonas Dassler brilliert in der Hauptrolle, die man allerdings auch etwas doppelbödiger hätte schreiben können - so geht etwas Tiefe verloren.
Note: 2-
Kommentare
Kommentar veröffentlichen