Der deutsche Film zeigte sich 2017 von seiner überzeugenden Seite. Zwar enttäuschte der Über-Blockbuster "Fack Ju Göhte 3" qualitativ recht deutlich, dafür waren auf der anderen Seite mit "Jugend ohne Gott", "Simpel" und "Aus dem Nichts" einige erinnerungswürdige Werke dabei. Ob diese Qualität nun 2018 weitergeht, muss ich noch abwarten, habe ich die beiden größten deutschen Beiträge, "Hot Dog" und "Das schweigende Klassenzimmer", noch nicht gesehen. Dafür starte ich nun mit einem anderen Werk, bei welchem ich die aus dem Trailer herausgearbeitete Prämisse gerne mochte...
VIELMACHGLAS
Eigentlich liebt sie ihren in der Welt umherreisenden Bruder Erik (Matthias Schweighöfer), doch als er bei einem heimatlichen Besuch von all seinen unglaublichen Abenteuern berichtet, kommt sich Marleen Ruge (Jella Haase) klein vor, kann sie sich doch noch nicht mal eine eigene Wohnung leisten und findet nicht aus ihrem Alltagstrott heraus. Um ihr zu helfen und sie vor die Tür zu schubsen, schenkt Erik seiner Schwester ein "Vielmachglas" - jedes Mal, wenn sie sich etwas traut, ein Abenteuer erlebt und Ja sagt, soll sie dies auf einen Zettel schreiben und diesen im Glas versenken. Als eine Tragödie Marleens Leben kurz darauf umkrempelt, wagt sie schließlich den Schritt vor die Tür und begibt sich auf eine höchst spontane und verrückte Reise...
Nach dem Ende der "Fack Ju Göhte"-Reihe, die finanziell ein Goldesel war, qualitativ ab dem zweiten Teil aber leider ordentlich Federn ließ, müssen sich alle Darsteller, die nicht Elyas M'Barek heißen und an den deutschen Kinokassen ohnehin mit allem ziehen, was sie anfassen, nach neuen Möglichkeiten umsehen. Jella Haase war als eher minderbemittelte, wenn letztlich auch naiv-herzliche Chantal stets einer der heimlichen Stars der Reihe und dass sie auch anders kann, ohne Asi-Proll-Akzent und aufgemotztes Make-Up, beweist sie nun in diesem Film. Haase steht auch der dramatische Touch, sie wirkt fast immer authentisch und beweist auch in den komödiantischen Elementen ein niemals überzogenes Timing, was nicht unbedingt für laute Lacher, dafür aber für einige Schmunzler gereicht. Haase erdet den Film mit ihrer sympathischen Darstellung und sorgt neben den anderen, wesentlich weniger in Erinnerung bleibenden Darstellern (u.a. Matthias Schweighöfer, Marc Benjamin und Gastauftritte von manch einem bekannten Film- und Fernsehgesicht) auch dafür, dass wir den Charakter der Marleen Ruge schon früh mögen.
Das hat sie dem Skript voraus, welches sich um solcherlei Bindungsmöglichkeiten offenbar weniger gesorgt hat und in der Charakterzeichnung etwas schlampt. Keine Frage, die Sympathien sind der nicht auf den Mund gefallenen, jungen Frau gleich von der ersten Szene an sicher, wenn sie mit einem strengen Verkäufer um den Preis eines klassischen Sessels feilscht, trotzdem stimmt da etwas nicht. Das Skript will uns weismachen, dass gerade eine Person wie Marleen dringend vor die Tür muss, da ihr Leben stagniert, trotzdem ist der Fall angesichts dieser Frau, die uns von Beginn an als clever, wissbegierig und einigermaßen sozial vorgestellt wird, letztendlich kein hoher. Sie wird zu ihrem Abenteuer gedrängt und das ist auch gut so, trotzdem ist die Lektion, die sie lernen muss, keine zu große, da sie auch zuvor schon kein wirklich schlechter Mensch war.
Natürlich ist dies dem Versuch geschuldet, den Zuschauern keine unsympathische Figur an die Hand zu geben, trotzdem führt es dazu, dass die Handlung sich weniger prächtig geben kann als sie es eigentlich will. Die Story verkommt im Hauptteil schließlich zu einer sicherlich unterhaltsamen, oftmals witzigen, dann aber auch wieder angenehm sentimentalen Nummernrevue, wenn Marleen immer neue Wegbegleiter trifft und Herausforderungen meistern muss. Das hat einige wunderbare Momente, einige weniger gelungene, wenn man sich zu sehr auf billigem Slapstick ausruht und auch mal einige wirklich ungekonnte, sobald es an eine doch ziemlich schwach gezeichnete Lovestory geht.
Immerhin umrudert man die ärgsten Kitsch-Fallen und bleibt den Charakteren einigermaßen treu, bis man zu einem recht hektischen, in seiner ganzen Umrundung doch ziemlich vorhersehbaren Ende kommt. Und dann ist der Film nach nicht einmal neunzig Minuten auch schon wieder vorbei. Er erzählt seine Story zu Beginn mit ausführlicher Sentimentalität, hetzt sich schließlich und lässt seine Charaktere rasen, sodass man das Gefühl hat, das auf dramaturgischer Ebene doch einiges fehlt. Sicher, "Vielmachglas" hätte angesichts einiger Skript-Fehler noch eklatanter scheitern können, trotzdem wirkt es alles nie wirklich rund. Dass der film dennoch unterhält und streckenweise auch bewegt, ist aber keinesfalls von der Hand zu weisen.
Fazit: Jella Haase überzeugt in einer wesentlich ernsthafteren Rolle, die Handlung hat stellenweise aber Dramaturgie-Probleme, wobei sich sympathischer Humor mit etwas zu kitschiger Mentalität abwechselt. Das berührt und unterhält, wirkt jedoch gerade angesichts der nicht immer überzeugend gezeichneten Figuren etwas holprig.
Note: 3
Kommentare
Kommentar veröffentlichen