Im Jahr 1940 wird Drehbuchautor Herman J. Mankiewicz (Gary Oldman), von seinen Vertrauten nur Mank genannt, auf einer kleinen Farm einquartiert. Dort soll er in sechzig Tagen das Drehbuch für den neuen Film von Orson Welles (Tom Burke) verfassen. Während Mank an dem Skript arbeitet und dabei immer wieder in Konflikt mit Welles' eigentlichen Vorstellungen gerät, erinnert er sich auch an seine Zeit beim Filmstudio MGM: In den 30er Jahren kämpfte die Filmlandschaft mit der schweren amerikanischen Depression und es schien, als wäre die Zeit des Kinos vorüber. In dieser Zeit machte sich Mank einen Namen bei einigen der größten Filmproduzenten... um sich selbst jedoch auch schwere Steine in den Weg zu legen, die besonders seiner Vorliebe für Alkohol und seiner dadurch stets etwas lockeren Zunge zu verdanken sind.
David Finchers erster Film seit dem Thriller "Gone Girl" beruht auf dem Drehbuch seines Vaters Jack - fünfzehn Jahre dauerte es, bis sich endlich Netflix dem Werk annehmen wollte, nachdem zahlreiche große Studios die auf ein sehr eng begrenztes Publikum zugeschnittene Geschichte abgelehnt hatten. Und es ist ein Film geworden, der für den Großteil der Zuschauer*innen (die sich das Werk nun aufgrund der zehn Oscarnominierungen, die es abgestaubt hat, sicherlich ansehen werden) ein kleines Mysterium bleiben wird. Im Kern geht es natürlich um die gemeinsame (oder letztendlich gar nicht so gemeinsame) Arbeit von Herman Mankiewicz und Orson Welles für den Klassiker "Citizen Kane". Erstaunlich ist jedoch, dass Fincher jede Menge Informationen, die sich sowohl um den Film als auch dessen Entstehung und zahlreiche Konflikte, die um ihn entstanden sind, drehen, vom Publikum voraussetzt. Wer nicht ziemlich genau weiß, warum "Citizen Kane" damals einen so schweren Start hatte und wieso Studios ein enormes Risiko damit eingingen und mit wem sich Mankiewicz damals angelegt hatte und wieso überhaupt... der wird sich hier bisweilen sehr verloren vorkommen.
"Mank" richtet sich an einen potenziell kleinen Kreis an absoluten Film-Enthusiasten, die nicht nur die Entstehungsgeschichte des Kultfilms auswendig herunterbeten können, sondern auch perfekt mit dem Hollywood der 30er-Jahre vertraut sind. Nur dann werden sie bei dem Auftritt von allerlei Filmikonen und zahlreichen Insidern wirklich begeistert sein. Andere werden diese Hinweise nicht nur verpassen, sondern auch dem narrativen Plot nicht immer folgen können, da sich "Mank" nicht darum bemüht, wichtige historische Informationen (die definitiv vielen unbekannt sein werden) nachzureichen. So schaute auch ich bisweilen in die Röhre... und das, obwohl ich zumindest ansatzweise informiert bin und somit einzelnen Handlungen folgen konnte. Man muss sich also ein wenig durchkämpfen und wird dann zumindest teilweise entlohnt. Entlohnt durch einige herrliche schnippische, scharfe Dialoge, die wie Punching-Bälle herumgeschossen werden. Und belohnt durch einige wunderbare, darstellerische Leistungen: Gary Oldman ist brillant, Amanda Seyfried absolut magisch und "Game of Thrones"-Star Charles Dance ist ja sowieso immer eine Bank - so dann auch hier. Einen wirklichen Fokus kann Fincher hier aber nicht setzen, sodass wir eine stimmige Dramaturgie oder einen echten Spannungsbogen vermissen und uns eher so fühlen, als würde man uns mit auf eine Reise in die Vergangenheit nehmen, wo uns ein Reiseleiter allerhand erzählt... wir aber nur die Hälfte wirklich schätzen können, da wir vorhergehende Informationen nicht besitzen.
Für die echten Kenner ist "Mank" darüber hinaus aber natürlich eine Schatztruhe voller Juwelen. Dementsprechend hat Fincher sein Werk auch visuell der damaligen Zeit angepasst: Er drehte den Film komplett in Schwarz-Weiß, passte die Tonspuren den 30er-Jahren an, sorgte mit wahrer Ausstattungswut und wunderbaren Kostümen, dass das Hollywood von vor neunzig Jahren zu neuem Leben erwacht. Das sieht schlichtweg großartig aus und ist sogar in den einzelnen Manirismen der Darsteller bis hin zur Kameraarbeit eine einzige, brillante Verbeugung vor der Goldenen Ära Hollywoods. Und doch zündet dieser Funke nicht ganz: Ja, "Mank" sieht beinahe so aus, als stamme er aus der Zeit, in welcher er spielt, letztendlich wird die digitale Schärfe (auch wenn Fincher sie nachträglich herunterfuhr) aber immer wieder seine wahre Herkunft verraten. Und das Einfügen von Brandlöchern und Filmkorn wirkt gar eher aufgesetzt - niemals kann es den Charme der Filme wiederholen, die solcherlei Bildstörungen tatsächlich noch in sich trugen. Auch die Gesichter der Stars verwirren, da wir sie sonst eben nur aus aktuellen Filmen kennen. Fincher ist ganz nah dran an der perfekten Illusion, er kann sie aber nicht durchgehend transportieren.
Fazit: "Mank" ist der Film für einen überschaubaren Kreis von Film-Enthusiasten - alle anderen, die nicht alle Hintergründe der historischen Geschichte kennen, werden oft im Regen stehen gelassen. Ein gewagtes und achtbares Experiment, als solches aber auch arg verkopft und dramaturgisch zu unsicher.
Note: 3
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