Zu den erfolgreichsten deutschen Filmen der letzten Jahre zählen "Fack Ju Göhte", "Kokowääh" und manch ein Matthias-Schweighöfer-Streifen. Und was haben diese Filme allesamt gemeinsam? Es sind Komödien nach einfachem (wenn auch bei dem ersten "Fack Ju Göhte" durchaus treffsicheren) Strickmuster und mit enormen Zugpferden in den Hauptrollen ausgestattet... eine Mischung, welche das deutsche Publikum schier blind in die Kinos rennen lässt. Dass es aber auch ohne diese beiden Dinge geht und dennoch noch eine gewisse Qualität erreicht werden kann, das beweist der vor zwei Tagen angelaufene deutsche Thriller "Jugend ohne Gott".
JUGEND OHNE GOTT
In der nahen Zukunft werden die Menschen über ihre Leistungen definiert - kein Wunder, dass sich bestrebte Jugendliche für ein Camp anmelden lassen, um dort die Chance zu bekommen, an der Rowald-Elite-Uni zu studieren... wer dort ankommt, dem stehen alle Türen öffen. Nach dem Tod seines Vaters misst der jugendliche Rebell Zacharias (Jannis Niewöhner) all diesen Regeln und Strukturen keinen besonderen Wert mehr bei, was seine Mitschülerin Nadesh (Alicia von Rittberg) erzürnt... zieht er sie mit seinen ständigen Fehlern doch mit hinunter. Als Nadesh Zacharias eines Tages dabei beobachtet, wie er mit "Illegalen" im Wald in Kontakt gerät und dabei offensichtlich eine Beziehung zu der dort lebenden Ewa (Emilia Schüle) aufbaut, tut sie etwas, was die Leben der drei Menschen von Grundauf erschüttern soll...
"Jugend ohne Gott", beruhend auf dem gleichnamigen Roman aus dem Jahr 1937 (wobei sich jedoch etliche Freiheiten zugunsten einer moderneren Handlung genommen wurden), wird aus insgesamt vier verschiedenen Perspektiven erzählt. Ähnlich den Stilmitteln aus dem Thriller "8 Blickwinkel" erleben wir die Geschichte somit aus den Augen von vier Charakteren, wobei prägnante Szenen also auch mehrfach präsentiert werden. Was anfangs tatsächlich etwas verwirrend ist, wenn mitten in einer wichtigen Szene ein wie aus dem Nichts kommender Zeitsprung etabliert wird, entfaltet rasch einen recht beeindruckenden Sog. Das Puzzle aus verschiedenen Fragezeichen setzt sich somit nach und nach zusammen, enthüllt tatsächlich einige überraschende Wendungen und ergibt am Ende ein recht passendes Bild.
Wer genau die vier Charaktere sind, aus deren Augen wir die Handlung erleben, soll hier nicht verraten werden, denn da spielen die Macher doch manchmal recht geschickt mit den Erwartungen der Zuschauer und bringen neue Erkenntnisse ziemlich unvermittelt an den Tag. Die Geschichte bleibt dabei durchgehend ziemlich spannend und funktioniert besonders im großen Konflikt der zentralen Hauptcharaktere. Es wird aufgeblättert, das vermeintlich kleine Taten sehr große Folgen haben können, das Verantwortung übernommen werden muss, das der Mensch an sich doch weitaus mehr zählt als das, was er können muss. Dies sind keine sonderlich neuen geistlichen Ergüsse, aber sie funktionieren und sorgen dafür, dass wir uns den Charakteren schnell nahe fühlen. Zwischen ihnen entwickeln sich starke Beziehungen, getragen von sehr glaubwürdigen, teils regelrecht intensiven Leistungen der Darsteller. Hervorheben muss man dabei definitiv Fahri Yardim, der als zwischen den Fronten stehender Lehrer eine starke Leistung an den Tag legt; und auch Hauptdarsteller Jannis Niewöhner, der in sich ruhend spielt, dabei aber auch einige emotional beachtliche Szenen offenbart - sicherlich ein junger Mann, von dem wir auch in den kommenden Jahren noch einiges hören werden.
Die Handlung an sich überzeugt auf menschlicher Ebene also, leider bleiben dennoch einige Plotholes offen. So wird nie ganz klar, was eigentlich der Antrieb dieser großen Organisation ist, welche die Stärken der Jugendlichen offenbart und auch die von Anna Maria Mühe frostig gegebene Leiterin bleibt somit ein Mysterium. Auch über die Illegalen, die anscheinend in den Wäldern leben, erfahren wir viel zu wenig und Emilia Schüle wird in der einzigen Sprechrolle dieser Gruppe zu einer zwar überzeugenden, aber doch auch etwas übertünchenden Liebesgeschichte verdammt - das Mysteriöse, welches sie ausstrahlt und all die Fragen, welche die "Illegalen" auslösen, darauf geht der Film leider nur sehr, sehr schwammig ein. Dies stört jedoch erst, wenn "Jugend ohne Gott" zu seinem Ende gelangt ist und man die jeweiligen Plots noch einmal durchgeht... so ganz passt das schließlich alles nicht zusammen. Besonders im letzten Akt, im letzten von vier Blickwinkeln, verliert der Film dann nochmalig an Schwung, wird hier ein prägnanter Konflikt doch relativ einfach und auch aus dem Kontext heraus aufgelöst, durch eine Figur, die man nur deswegen nicht wirklich auf dem Schirm hatte, weil man ihr zuvor zu wenig Aufmerksamkeit widmete. Dies wirkt dann schon ein wenig gewollt und konstruiert... dass die Überraschung dennoch nicht klein ist, lässt sich aber auch nicht leugnen.
Fazit: Durchgehend gut gespielter und spannender deutscher Thriller-Beitrag, der besonders im Hinblick auf die Konflikte der einzelnen Personen überzeugt. Die darüberliegende Handlung offenbart jedoch später einige spürbare Lücken.
Note: 3+
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