Letztes Jahr beendete einer der ganz Großen seine Filmkarriere: Daniel Day-Lewis war sechsmal für den Oscar nominiert, gewann diesen dreimal und hält somit den Rekord als meist ausgezeichneter Hauptdarsteller - Jack Nicholson gewann ebenfalls dreimal, davon aber nur zweimal als Hauptdarsteller. Mit sechzig Jahren ging Day-Lewis nun in Rente und blickt auf eine großartige Karriere zurück, welcher er mit seinem letzten Film einen starken Punkt versetzt. "Der seidene Faden" gehört dabei, wie nicht anders zu erwarten war, zu seinen sperrigeren Werken, welches ihn als Schauspieler jedoch gebührend verabschiedet... mit einer meisterhaften Leistung.
DER SEIDENE FADEN
Im London der 50er Jahre ist Reynolds Woodcock (Daniel Day-Lewis) der wohl bekannteste Schneider des Landes - Frauen reißen sich darum, von ihm in einem seiner Kleider ausgestattet zu werden und diese zu präsentieren. Dabei ist Woodcock jedoch sowohl entgegen seiner Kundinnen als auch seiner Mitarbeiterinnen eine extrem fordernde Person: Er fordert Perfektion und scheint einzig und allein für seine Arbeit zu leben, etwas anderes hat keinen Platz. Als er eines Tages in einem Restaurant die Kellnerin Alma (Vicky Krieps) kennenlernt, scheint sie ihn sofort auszufüllen, gibt sie ihm doch früh einen Gegenpol, der sich nicht herumschubsen lässt. Woodcock selbst ist jedoch bald unzufrieden mit dem frischen, schnelllebigen Wind, den sie in sein Haus bringt...
Daniel Day-Lewis gehörte augenscheinlich nie zu den Schauspielern, die eine Rolle wegen des Geldes oder der Publicity annahmen, ganz im Gegenteil. In vielen Fällen vergingen mehrere Jahre, bis er wieder eine Rolle annahm - allein zwischen seinem nun letzten Werk und dem davor, "Lincoln" von Steven Spielberg, vergingen ganze fünf Jahre. Dies liegt daran, dass Day-Lewis sich seine Rollen haarklein genau aussucht und diese sich mit seinem enormem Method Acting vereinbaren müssen. Dementsprechend verweigerte sich der Schauspieler stets dem Mainstream, spielte nicht in Blockbustern oder Franchises und vereinigte sich quasi mit seinen Rollen. Seine Art mag dabei nicht jedem gefallen, dass er einer der besten Schauspieler aller Zeiten ist, kann aber niemand dementieren, denn das ist er freilich.
Da ist es glatt eine Freude, dass man Day-Lewis immer nur alle paar Jahre auf der Leinwand zu sehen bekommen hat, denn so war es immer ein kleines Event und man wusste, dass der Film etwas Besonderes sein muss - wenn er eine Rolle annimmt, muss er etwas darin gesehen haben. Das gefiel nicht allen Zuschauern und auch nicht mir: Ich habe bislang nur vier seiner Filme gesehen und keiner von ihnen gefiel mir übermäßig gut. Ich kann jedoch verstehen, dass diese Werke Filmfans beeindruckten, sind sie doch von einer ganz eigenen Klasse. "There will be Blood" sagte mir nicht wirklich zu, ist aber dennoch ein herausragend gemachter und gespielter Film, der mir jedoch zu sperrig war.
Dass "Der seidene Faden", obwohl in einem gänzlich anderen Genre angesiedelt, in eine ähnliche Kerbe schlägt, dürfte nicht verwundern, sitzt hier doch erneut Paul Thomas Anderson am Ruder - ebenfalls dafür bekannt, niemals dem Mainstream gebeugt zu sein und seine eigene Version durchzudrücken, die am großen Publikum vorbeiläuft, aber engstirnige Kritiker zu Begeisterungsstürmen treibt. Und genau das kann man nun auch über "Der seidene Faden" sagen: Daniel Day-Lewis glänzt in einer förmlich meisterhaften Abschiedsvorstellung, in der jede Geste sitzt und dennoch vollkommen glaubwürdig und ehrlich wirkt - dafür gab es dann auch seine vermutlich letzte Oscarnominierung, als Sieger wurde schließlich Gary Oldman in "Die dunkelste Stunde" ausgezeichnet. Neben Day-Lewis spielt auch die in Berlin lebende und aus Luxemburg stammende Vicky Krieps ganz groß auf - gegen einen Schauspieler wie Day-Lewis anzuspielen und dabei nicht nur aufzufallen, sondern absolut mitzuhalten, ist wahrlich eine Seltenheit, ihr gelingt dieses Kunststück jedoch in einer beeindruckenden Intensität.
Der Film als Ganzes ist ebenfalls gelungen, ob man diesen nun mag oder auch nicht hängt aber mehr denn je vom Geschmack des Zuschauers ab. Ich mag langsam erzählte Filme, doch hier braucht man tatsächlich viel, viel Geduld. Das gesamte Werk ist nuanciert, lebt durch kleine Gesten und Details - die Blicke zwischen den Darstellern sagen oft mehr als der hervorragend geschriebene und gesprochene Text und der Film verlangt nicht seiner Handlung, sondern seiner Ausdrucksstärke wegen alle Aufmerksamkeit. Die Geduld wird dann durch fantastische Schauspielleistungen und beeindruckende Einzelmomente belohnt, wer mit Andersons Arbeiten aber bislang wenig anfangen konnte, wird auch hier nicht bekehrt und sich vermutlich langweilen. Ich habe mich zwar unterhalten gefühlt, bin angesichts einiger etwas kruder Wendungen und einer, sagen wir mal, doch speziellen Beziehungskrise irgendwann verloren gegangen. Der Film hält nicht bei der Hand und lässt uns los, wenn wir wegwollen, was mir leider passierte. Ein beeindruckendes Erlebnis ist er dennoch - für mich nur wieder kein bleibendes.
Fazit: Daniel Day-Lewis glänzt in einer schlichtweg herausragenden Abschiedsvorstellung. Der Film als Ganzes ist ebenso sperrig wie faszinierend, fordert viel Geduld, die ab und an belohnt wird. Gegen Ende hat mich das Werk dann verloren - die nuancierte und langsame Erzählung gefällt, wird aber nicht jeden Geschmack treffen.
Note: 3+
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