Catherine Clare (Amanda Seyfried) zieht gemeinsam mit ihrem Mann George (James Norton) und der gemeinsamen Tochter Franny (Ana Sophia Hager) nach Upstate New York, um ersteren bei seinem neuen Job als Professor für Kunstgeschichte an einem kleinen College zu unterstützen. Während George sich unter seinesgleichen schnell wohlfühlt, findet Catherine nur schwerer Anschluss. Zudem machen sich im Haus der Clares schon früh seltsame Erscheinungen bemerkbar, die Frannie den Schlaf rauben und denen Catherine alsbald fieberhaft nachgeht. Erst voller Angst und später mit immer mehr Neugier versucht Catherine die Geschichte des Hauses zu ergründen und entfremdet sich dabei von George, der ihr keinen Glauben bei den mysteriösen Geistererscheinungen schenken will. Doch stammen die mysteriösen Ereignisse tatsächlich von etwas Bösem... oder ist da nicht vielleicht eine Präsenz im Haus, die Catherine vor Unheil bewahren möchte?
Nein, ein klassischer Gruselfilm ist dieser recht frische Netflix-Film nicht, enthält jedoch einige Elemente des modernen Horrorfilms. So findet man auch hier flackernde Lampen, knarrende Türen und sich von selbst anschaltende Elektrogeräte und die Inszenierung dieser Schauermomente gelingt dank der starken Kameraführung und der kunstvollen Bilder meist sehr intensiv. Tatsächlich werden diese Horrorelemente jedoch nur als kleiner Teil des Films angesehen, der sich vordergründig mit den Höhen und besonders den Tiefen der Ehe der beiden Hauptfiguren beschäftigt. Diese stellen letztendlich den wahren Horror der Geschichte dar und besonders in kleinen und dafür umso grausameren Momenten gelingt es den Machern rund um die Regisseure Robert Pulcini und Shari Springer Berman, diese zwischenmenschlichen Entgleisungen spürbar zu machen. Mit seinen zwei Stunden lässt sich "Things Heard and Seen" zudem angenehm viel Zeit, um die Daumenschrauben immer etwas weiter anzuziehen und die gefährlichen Funken zwischen den Figuren fliegen zu lassen, um später immer etwas mehr auszubrechen und schließlich zu eskalieren.
Trotz einiger kleiner Längen funktioniert das Grundgerüst des Films sehr gut. In einer dichten Atmosphäre verwebt der Film eine interessante Spurensuche der weiblichen Hauptfigur nach der wahren Geschichte des Hauses und seiner früheren Bewohner mit der Entblätterung einer nur vordergründig harmonischen Ehe - die stimmigen und sparsam verteilten Gruselszenen dienen als Stütze zur emotionalen Story, die immer wieder auch fordert. Über mehrere Subplots, die sich letztendlich sehr stimmig verweben und am Ende ein rundes Gesamtbild ergeben, werden wir immer tiefer in den Sog der Geschichte gezogen und können so über einige Glaubwürdigkeitsschlenker (das ziemlich naive Verhalten einer zuvor noch so vorsichtigen Figur, wo eine Wahrheit in diesem Rahmen der Situation einfach hätte verschwiegen werden sollen) und manch eine zu kitschig vorgetragene Religions-Metapher gegen Ende hinwegsehen können. Tatsächlich greift der Film innerhalb seines Genres aber durchaus Themen und Motive auf, die noch recht unverbraucht sind und dabei ab und an ein wenig an "Das Geisterschloss" aus dem Jahr 1999 erinnern. Dementsprechend wirkt "Things Heard and Seen" recht verkopft, aber auch sehr frisch und kann seine zumeist unter der Oberfläche brodelnde Spannung fast durchweg aufrecht erhalten.
Da man sich nicht mit allerlei langgezogenem Geister-Horror aufhalten muss, erhalten Haupt- und Nebenfiguren weitestgehend angemessene Tiefe. In einem tatsächlichen Schauermärchen wäre für interessante Charaktere wie die beiden jungen Babysitter oder Catherines einzige Freundin wohl kaum mehr Platz gewesen. Hier finden sie durchaus Raum in eigenen Antrieben und der Film hat zudem noch Zeit, die einzelnen Ausflüchte der Hauptfiguren, ihre psychischen Gegebenheiten und ihre Fehler und Taten zu beleuchten. Den Löwenanteil stemmt dabei "In Time"-Star Amanda Seyfried, die als emotional verstörte Ehefrau eine bravouröse Leistung erbringt. Herausstechen tut auch der große F. Murray Abraham, der ebenso wie Rhea Seehorn in den Nebenrollen vom Drehbuch ausreichend Zeit erhält, um seine ambivalente Figur passend auszuschmücken. Schade nur, dass man nicht vergleichsweise viel von "Stranger Things"-Star Natalia Dyer gesehen hat, denn ihre Figur bleibt nach vielversprechender Einführung ein recht unbeschriebenes Blatt. Das ist etwas enttäuschend, da Dyer hier eine frische Performance abliefert, die ihr als Schauspielerin neue Facetten gibt. Das wackligste Glied in der Kette ist allerdings James Norton, der seinen George Clare etwas zu weinerlich und schlurfend anlegt und dementsprechend die düsteren Seiten seiner Figur nie wirklich glaubwürdig verkörpern kann.
Fazit: Entgegen vieler Kritiken empfand ich "Things Heard and Seen" als ein sehr stimmungsvolles, düsteres Ehedrama, welches seine emotionalen Geschichten frisch und originell mit dem Geistersetting verwebt. Die Nebenschauplätze werden ambivalent gestaltet, die Inszenierung sorgt für eine schneidende Atmosphäre. Ein gelungenes Experiment, nicht frei von Schwächen, aber durchweg spannend, unangenehm und wendungsreich.
Note: 2-
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