Überraschenderweise wurde "Alice im Wunderland", der erfolgreich auf der 3D-Welle mitschwamm, die "Avatar" kurz zuvor losgetreten hatte, 2010 zum mit Abstand kommerziell erfolgreichsten Film aus der Feder von Tim Burton. Dass wir dennoch so lange auf eine Fortsetzung warten mussten, lag wohl daran, dass Burton eigentlich gar kein Interesse auf einen zweiten Ausflug nach Unterland hatte und letztendlich nur noch auf dem Produzentenposten zurückkehrte. Die Regie übernahm indes "Muppets"-Veteran James Bobin... und der macht aus der Real-"Alice" die befürchtete sehr brave Angelegenheit.
ALICE IM WUNDERLAND: HINTER DEN SPIEGELN
Alice Kingsleigh (Mia Wasikowska) kehrt nach langjähriger Abwesenheit ins Unterland zurück. Dort herrscht große Trauer, denn dem Hutmacher (Johnny Depp) geht es sehr schlecht. Er vermutet, dass seine Eltern, die damals anscheinend beim Angriff des Jabberwockys getötet wurden, noch leben. Alice glaubt ihm nicht, möchte ihm aber dennoch helfen. Durch ein Zurückdrehen der Zeit möchte sie dem Hutmacher seine Eltern zurückbringen. Dafür muss sie jedoch ins Schloss von "Zeit" (Sacha Baron Cohen) persönlich eindringen, um die Reise anzutreten...
Die erste halbe Stunde sorgt noch für furchtbares Unbehagen. James Bobin bekommt den Film allem Anschein nach gar nicht unter Kontrolle, wirklich gar nichts stimmt hier: Danny Elfmans fantastischer Score wird verschenkt, die Witze sind zahnlos (es gab zu dieser Zeit nicht einen kleinen Lacher im ganzen Kinosaal, und der war voll), die Dynamik fehlt und es fehlt zudem auch an den sprühenden Ideen, die Burtons Original so sehenswert machten. Ich war bereits kurz davor, "Alice 2" als misslungen abzuhaken, aber mit dem Eindringen der Hauptfigur in das Schloss von "Zeit" und der anschließend angetretenen Zeitreise wird der Film spürbar besser. Zwar werden immer noch etliche Möglichkeiten liegengelassen, die ganze Zeitreisengeschichte ist im Grunde unnötig (ebenso wie eine kurze Episode mit Alice in einer Irrenanstalt) und auch die beliebten Nebenfiguren kommen viel zu kurz. Aber trotzdem bringt Bobin neuen Schwung in die Sache und hatte auch mehrere optisch wirklich starke Ideen. Am besten gefiel mir der Einfall, aus der Zeitachse an sich einen gigantischen Ozean zu machen, in welchem die Flutwellen die einzigen Tage angeben. Das sieht nicht nur verdammt cool aus, es sorgt auch für jede Menge Details, die man so im Hintergrund gar nicht alle erfassen kann. Und mit der letzten halben Stunde fesselt man uns mit einem sehr gelungenen Showdown, der noch einmal alle optischen Möglichkeiten ausreizt, ohne dabei irgendwann "zu viel" zu bieten, doch noch einmal richtig, sodass man schließlich immerhin mit einem leichten Lächeln in den Abspann geht. Gelungen ist diese Fortsetzung aber eben doch nicht, was einfach daran liegt, dass Bobin der skurille Charme eines Tim Burton einfach vollkommen abgeht. Er inszeniert "Alice 2" als braves Disney-Märchen mit FSK 6, weswegen auf die schrulligen und teils sehr düsteren Elemente des ersten Teils hier beinahe ganz verzichtet werden muss... und gerade die waren schließlich das Salz in der Suppe. Zwar sorgt Bobin mit einer weiteren Teeparty-Sequenz auch für einige clevere Wortwitze, aber an die Brillanz der Original-Sequenz kommt er hier niemals heran, da vieles schlichtweg zu bemüht wirkt. Sogar die Effekte sind ab und zu ein wenig schlechter geworden, besonders der Märzhase wirkt nun viel glatter und somit schwächer animiert. Aber gut, wir wollen mal nicht so sein, denn nach der ersten, wirklich miesen halben Stunde hat mich der zweite Teil von Alices Reise ins Wunderland doch sehr solide unterhalten. Klar, man hat immer im Kopf, wie gut das Original war und dass "Hinter den Spiegeln" da zu keinem Zeitpunkt drankommt, dank einer gut aufgelegten Besetzung und einigen netten Ideen ist aber dennoch kein schlechter Film dabei herausgekommen. Diesmal erweist sich sogar Helena Bonham Carter als echter Scene Stealer und übertrumpft damit sogar Johnny Depp, dessen Verrückter Hutmacher hier doch deutlich braver und zahmer agiert. Mia Wasikowska toppt ihre blasse Leistung aus dem Original ebenfalls mühelos, wirkt deutlich gereifter und lockerer und Sacha Baron Cohen macht seine Sache als prominentester Neuzugang ebenfalls ganz gut. Fazit: Hat man die erste halbe Stunde überstanden, wartet ein nettes Fantasy-Abenteuer mit schönen Ideen. An den skurillen Charme des Originals kommt diese deutlich bravere und harmlosere Variante aber zu keinem Zeitpunkt heran.
Note: 3-
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