Direkt zum Hauptbereich

Betty Anne Waters

Das Leben schreibt noch immer die unglaublichsten Geschichten. Nicht alle von ihnen eignen sich für eine packende Verfilmung, das hat Hollywood immer wieder bewiesen, sind diese wahren Begebenheiten doch oftmals hochdramatisch... auf filmischer Ebene dann aber vielleicht doch etwas zu knapp. Doch es gibt auch die andere Seite der Medaille und wenn es beginnt, sich um Justiz und manch eine Lücke im System zu drehen, bin ich ohnehin oftmals schon interessiert. So hat mich auch das Gerichts-Drama "Betty Anne Waters" weitestgehend gepackt, als eine junge Frau damit beginnt, Jura zu studieren, um die Unschuld ihres im Gefängnis sitzenden Bruders zu beweisen...

BETTY ANNE WATERS


Es ist zwei Jahre her, seit Kenny Waters (Sam Rockwell) mit dem Mord an Katharina Brow in Verbindung gebracht, allerdings wieder laufengelassen wurde. Nun kommt er nach einer scheinbar erdrückenden Beweislast und einem langen Gerichtsverfahren ins Gefängnis - lebenslänglich. Doch seine Schwester Betty Anne (Hilary Swank), für die ihr Bruder stets ein Fels in der Brandung war, glaubt nicht an die Schuld, die er auch durchgehend von sich weist. Um eine Wiedereröffnung des Verfahrens zu erreichen, holt sie ihren Bachelor nach und bewirbt sich anschließend für ein Jura-Studium... alles, um den Fall neu aufzurollen und ihren Bruder möglicherweise irgendwann nach Hause zurückzuholen.

Es ist schon eine unglaubliche, aber dennoch absolut wahre Geschichte, die sich Tony Goldwyn, der zuvor unter anderem bei einigen Episoden der genialen Thriller-Serie "Dexter" Regie führte, hier angenommen hat. Wäre sie nicht tatsächlich wahr, man würde sie wohl kaum glauben - umso größer fällt dann auch das Filmvergnügen aus. Sicherlich, man kann "Betty Anne Waters" einiges vorhalten, so zum Beispiel, dass man einigen Klischees und etwas überschmalzten Inszenierungen von gewissen, dramatischen Untertönen auch locker aus dem Weg hätte gehen können, die Intensität der Geschichte ohne solch leicht zu erkennende Übertreibungen auch alles andere als abgemildert worden wäre. Auch dass man einige doch recht düstere Fußnoten der wahren Geschichte außer Acht lässt um insbesondere das herzergreifende Ende nicht allzu dunkel zu gestalten, fällt etwas übel auf, wenn man sich mit den echten Begebenheiten auseinandergesetzt hat - etwas mehr Mut seitens der Autoren und Produzenten wäre hier sicherlich angemessen gewesen.
Ansonsten gibt es jedoch nur wenig, was man "Betty Anne Waters" wirklich schwer zur Last legen kann. Sicher, "The Black Dahlia"-Star Hilary Swank war auch schon mal besser, liefert aber trotzdem eine mehr als solide, recht kraftvolle Leistung aufs Parkett, die nur selten etwas overactet wirkt... aber das ist eben Swank. Dass ihr von ihrem Kollegen, "Poltergeist"-Star Sam Rockwell, der erst vor Kurzem eines der klaren Highlights im diesjährigen Oscar-Rennen war, klar die Schau gestohlen wird, ist dann auch keine große Überraschung. Bis 2018, als er endlich seine wohlverdiente Oscarnominierung als bester Nebendarsteller im schwarzhumorigen Drama "Three Billboards outside Ebbing, Missouri" erhielt, galt er als einer der besten und zugleich auch sträflich unterschätztesten Darsteller seiner Generation... man kann sich vorstellen, was ein Mime seines Kalibers aus einer solchen Rolle dann noch herausholt, ohne jemals wie ein diffuses Abziehbild zu wirken. In weiteren Rollen sind schließlich auch eine etwas unterforderte, aber niemals negativ auffallende Minnie Driver, "The Faculty"-Star Clea DuVall sowie eine mal wieder bärenstarke, leider aber nur in wenigen Szenen auftretende Melissa Leo zu sehen, die als eiskalte Polizistin eine ganz feine Art von bürokratischer Boshaftigkeit aufkommen lässt.
Regisseur Goldwyn verliert die Essenz seiner Geschichte auch über seine starke Besetzung hinaus nie aus den Augen, hat ein Gespür für dramatische Zwischenhöhepunkte, dreht sich kaum im Kreis, lässt seine Story aber dennoch nach Luft schnappen und gleichmäßig atmen. Da trifft nicht jeder Plotpoint ins Schwarze, wirkt manchmal gar etwas gewollt und ist inszenatorisch eben auch nur gut und nicht unbedingt herausragend. Aber das muss es auch nicht immer sein, denn packen tut er seine Zuschauer trotzdem. Letztendlich hätte etwas mehr herauskommen können als ein gutes Drama... vielleicht hätte es sogar zu einem geheimen Meisterwerk gereicht, über das man noch viel essentieller redet. Das ist es nicht geworden, als finden wir uns damit ab, was es ist: Ein solider Film mit einer starken Geschichte. Und das ist ja immerhin schon mal etwas.

Fazit: Hilary Swank und insbesondere Sam Rockwell glänzen in einer unglaublichen, aber wahren Geschichte, die manchmal etwas kitschig inszeniert wird und gegen Ende an Ehrlichkeit einbüßt, aber dennoch dramatische und recht intensive Genre-Kost bietet.

Note: 3+







Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se