Es kann nun mal nicht immer klappen. Eddie Redmayne hatte seinen ersten hochverdienten Oscar im Jahr 2015 für seine großartige Darstellung von Stephen Hawking im Drama "Die Entdeckung der Unendlichkeit" entgegengenommen... und dass er ihn im nächsten Jahr nicht gleich auch noch einmal erhalten hat, lag wohl daran, dass die Academy dies als etwas unfair betrachtete. Denn auch wenn die Konkurrenz 2016 im Hauptdarsteller-Fach enorm war und Leonardo DiCaprio den Goldjungen endlich verdient in die Höhe recken durfte, im direkten Vergleich mit seiner Hawking-Rolle zeigt Redmayne noch mehr beeindruckende Vielfalt in dem sensiblen Drama "The Danish Girl".
THE DANISH GIRL
Dänemark in den frühen Zwanzigern: Landschaftsmaler Einar Wegener (Eddie Redmayne) feiert mit seinen Bildern auf Ausstellungen große Erfolge, während seine Frau Gerda (Alicia Vikander), die sich auf Portraits spezialisiert hat, noch nicht an diese anknüpfen kann. Erst aus Spaß und schließlich aus Arbeitsfleiß lässt sie ihren Ehemann als Frau Portrait sitzen, packt ihn in teure Kleider und schminkt ihn gar, um somit eine neue Muse zu finden. Auch für Einar ist es zu Beginn noch ein Scherz, bis er neue Gefühle spürt, die hervorkommen, wenn er diese Kleidung trägt. Schon bald glaubt er, dass etwas in ihm freigesetzt wurde... womöglich hat Gott ihn in den falschen Körper geboren. Womöglich sollte er ein Wirklichkeit eine Frau sein...
Im direkten Vergleich besitzt Tom Hoopers bislang wohl bekanntester und von der Academy damals verehrter Film, "The King's Speech", die größere Dramatik, mehr Konfliktpotenzial. "The Danish Girl", der es 2016 auf vier Nominierungen brachte, allerdings nicht für den Hauptpreis in die engeren Kreise kam, ist dagegen ein wesentlich ruhigerer, sehr sanfter Film. Er nimmt sich alle Zeit, die er braucht, beginnt langsam und endet auch so und trotzdem bleibt nicht für alles genug Zeit. Historisch akkurat ist das leider nicht immer und spart an vielen Ecken und Enden Dinge auf, die den Film sicherlich unangenehmer, nicht mehr zu leicht verkostbar gemacht, dafür aber umso ehrlicher und dringlicher gemacht hätten. Abseits des Konflikts, den Einar mit seiner Frau eingeht, als er letztendlich beschließt, eine Frau zu sein, gibt es nämlich nicht viel zu diskutieren.
Dass es eine schwierige Zeit war, insbesondere für einen der Vorreiter in der Transgender-Szene, wird weitestgehend verschwiegen, stattdessen bewegt sich der Film in kulturellen und künstlerischen Kreisen, die ohnehin offener waren, spart schwierige und bösartige Begegnungen aus. Das mag Hoopers Version gewesen sein und sie ist dadurch sicherlich nicht schlechter - es muss ja nicht immer gleich knallen. Trotzdem hätte man auf gewisse Dinge sicherlich Bezug nehmen können oder gar müssen, wirkt "The Danish Girl" so doch etwas zu zuckrig, manchmal gar wesentlich harmloser und einfacher als es die Wirklichkeit war.
Sobald man jedoch aufhört darüber zu meckern, was eigentlich fehlt und sich dem widmet, was letztendlich drin ist, kann man eigentlich nur applaudieren. Hoopers Stil ist durchgehend erkennbar, er erschafft kongeniale Bilder, die nur selten etwas zu arg in ihrer Schönheit versinken und die Kostüm- und Maskenbildner leisten meisterhafte Arbeit - die Umwandlung Einars zur Frau muss man tatsächlich gesehen haben, denn auch wenn Redmayne weiterhin gewollt als Mann zu erkennen ist, ist es doch erstaunlich, wie weit man ihn ins weibliche Geschlecht herüberschieben konnte... mit Handarbeit, wohlgemerkt.
Natürlich ist das aber auch der Verdienst von "Les Miserables"-Star Redmayne selbst, der eine unglaublich ruhige, nuancierte und dennoch kraftvolle Performance aufbietet, schlagfertig und niemals überzogen zwischen Einar und seiner weiblichen Inkarnation Lily wechselt. Ganz besonders stark sind die wortlosen Blicke, wenn er über seine Existenz nachdenkt und zu keiner direkten Lösung kommt - in Redmaynes Gesicht spielt sich dabei so viel ab, dass man nur staunen kann. Für einen Oscar hat es hingegen nicht gereicht, dafür nahm die zukünftige "Lara Croft" Alicia Vikander diesen als beste Nebendarstellerin entgegen. Diese Entscheidung ist indiskutabel - zuvor noch ein weitestgehend unbeschriebenes Blatt katapultierte sich Vikander mit einer meisterhaften Leistung gleich in den Hollywood-Olymp. Wie ihre Gerda ihren Mann, ganz unkonventionell und abseits von ansonsten möglichst hochtrabenden Konfliktpotenzial, nach dem ersten Schrecken mit voller Kraft unterstützt, hat eine große Dramatik, die aber zum Glück nie zu groß inszeniert wird, dabei allein von leisen Worten und kleinen Gesten lebt - eine Welt, in der sich Vikander wohlfühlt, was sie mit einer brillanten Schauspielleistung unterstreicht. Weitere bekannte Namen, darunter der deutsche Sebastian Koch und "Das Parfum"-Star Ben Whishaw, überzeugen ebenfalls, auch wenn sie klar dazu hindeuten müssen, dass die Bühne hier Redmayne und Vikander gehört.
Fazit: Sensibles, sanftes Drama mit zwei herausragenden Hauptdarstellern, ruhig und unkonventionell in seiner bewegenden Erzählung. Historisch nicht ganz akkurat, oftmals gar etwas zu harmlos und bedeckend, was schade ist, da man so nicht nur Konfliktpotenzial verschenkt, sondern wichtige Fakten sogar gänzlich ausspart.
Note: 3+
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