In meiner nicht gerade freundlichen Kritik zur "Macbeth"-Version von Justin Kurzel aus dem Jahr 2015 sprach ich an, dass Theater und Film eben zwei grundverschiedene Medien seien, die oftmals nicht funktionierten, wenn man sie vermische. Dass gilt natürlich nicht grundsätzlich, denn wo sich die bedeutungsschwangeren Worte eines Shakespeare mit den Hochglanz-Blockbuster-Bildern der modernen Sehgewohnheiten beißen, so gibt es noch etwas, was, wenn man es richtig anfasst, sowohl als Film als auch im Theater funktioniert: Das Kammerspiel. "Der Gott des Gemetzels" bewies es, "Im August in Osage County" tut dies auch, denn hier hat Regisseur John Wells aus dem vielbeachteten Stück von Tracy Letts einen herausragenden Film gemacht.
IM AUGUST IN OSAGE COUNTY
Sie haben eigentlich kein großes Interesse, doch es ist ihre Pflicht. Gemeinsam mit ihren Schwestern, Brüdern und anderen Familienmitgliedern reißt die frisch getrennte Barbara Weston (Julia Roberts) nach Osage County zu ihrer krebskranken und drogensüchtigen Mutter Violet (Meryl Streep). Ihr langjähriger Ehemann Beverley (Sam Shephard) hat sich angesichts der Krankheit und des enorm wechselhaften Gefühlszustands seiner Frau offensichtlich aus dem Staub gemacht und nun braucht die hilflose Violet die Unterstützung ihrer Familie. Statt eines herzlichen Treffens entwickelt sich dieses jedoch alsbald zu einem Austausch von Hass, wenn verschiedene Geheimnisse ausgebrütet werden und schließlich ans Licht kommen, während sich Violet als Herrscherin über ihre Familie erhebt...
Ein richtiges Kammerspiel ist "Im August in Osage County" in der filmischen Variante nicht, denn auch wenn die meisten Szenen im Haus von Hauptfigur Violet Weston spielen, so gibt es genügend Momente, in denen andere Ortschaften im Mittelpunkt stehen. Nichts desto trotz entwickelt der Film das Gefühl von Enge, denn wenn die Figuren in einem Raum zusammenstehen und die Luft bei jeder krachenden Dialogsalve spürbar dicker wird, schnappt man förmlich nach Luft. Die Dialoge, die Tracy Letts hier für die Filmversion zusammengeschrieben hat, sind ebenso schwarzhumorig wie von gnadenloser Ehrlichkeit und ein Fest für die versammelte Starbesetzung, die sich hier förmlich die Seele aus dem Leibe spielt.
Es ist schwer, jemanden hervorzuheben, da sie alle ihre großartigen Momente haben - für jeden Schauspieler ist ein Plot oder zumindest eine essentielle Szene dabei, die ihn oder sie in den Mittelpunkt rückt und ihm dabei die Gelegenheit gibt, zu glänzen. Natürlich führen zwei das Feld an: "Notting Hill"-Star Julia Roberts und eine mal wieder gnadenlos gute Meryl Streep wurden für den Oscar nominiert - Roberts ist dabei so stark wie schon lange nicht mehr und Streep dreht förmlich ab, was nicht immer für gute Laune, dafür aber für eine beeindruckende Schau sorgt, wenn sich die famose Schauspielerin seelisch schier entkleidet.
Trotzdem sollte man den Rest des Casts nicht außer Acht lassen, denn was "Little Miss Sunshine"-Star Abigail Breslin, ein herrlich charmanter und ebenso schmieriger Dermot Mulroney oder eine herausragend besetzte Margo Martindale hier leisten, das sieht man nicht alle Tage. Sicher, das Skript hätte in einigen Momenten vielleicht noch einen Ticken mutiger sein können und leistet sich zumindest einen Plot, der neben den anderen Handlungen und Familienstreitigkeiten etwas zurücksteckt. In diesem wirkt ein leider etwas unterforderter Benedict Cumberbatch ein wenig wie ein Fremdkörper - er hat zu wenig zu tun und die geheime Affärengeschichte, die ihn begleitet, kommt somit auch zu einem etwas effekthascherischen, wenig intensiven Klimax. Das sind Minuspunkte, die man innerhalb der nicht immer allzu kurzweiligen zwei Stunden, die beinahe ausschließlich aus Dialogfeuerwerken bestehen, spürt, dafür sorgen andere Szenen für ungefilterte Begeisterung.
Der Zwischenhöhepunkt ist dabei ein gemeinsames Essen, während welchem alle handelnden Figuren gemeinsam am Tisch sitzen und sich über fünfzehn Minuten lang ein Geflecht aus Hass, Grausamkeit und Angriffen ausbreitet - das hat dann schon beinahe Tarantino-Qualität. Inszenatorisch ist das alles solide gefilmt, aber niemals auffällig - man gibt den Schauspielern noch vor der Technik sämtliche Luft zum Atmen. "Im August in Osage County" ist dann auch ganz klares Darstellerkino, die Stars sind das Leben und das Herz des Films, alles andere ist Nebensache. Die Texte knallen durch den Raum, trotzdem entwickelt das Werk eine seltsame Lethargie, die ans Herz geht und dieses auch manchmal bricht. Man fühlt sich nicht immer wohl, muss mal herzhaft lachen und ist dann wieder den Tränen nahe. Eine emotionale Achterbahnfahrt, wenn man so will, die nicht immer leicht zu ertragen ist, dafür aber eine enorme Wirkung zurücklässt.
Fazit: Intensives Kammerspiel mit einer herausragend aufgelegten Besetzung. Schwarzhumorige und grausame Dialogsalven werden durch den Raum gefeuert, Humor und Schrecken liegen hier oft ganz nah beieinander. Trotz kleiner Längen und eines versandeten Subplots sicherlich ein beachtenswertes Stück Schauspieler-Kino.
Note: 2-
Kommentare
Kommentar veröffentlichen