Im Jahr 2010 brachte David Fincher die Entstehung des Mega-Konzerns Facebook in seinem oscarprämierten Meisterwerk "The Social Network" als genialen Thriller in die Kinos. Erst im letzten Jahr entstaubte man im Kino auch den Sport Tennis und sorgte mit "The Battle of the Sexes" für einen durchaus unterhaltsamen Sportfilmbeitrag und im Februar 2018 zeigte Steven Spielberg, dass man auch die dialoglastige Verhandlung zwischen Zeitung und Pentagon in "Die Verlegerin" hochspannend erzählen kann. Es hört sich nach ungemein trockenen Stoffen an, doch in den richtigen Händen liegt sogar hier noch Hitpotenzial. Warum das also nicht auch beim Thema Schach versuchen? "Blood Diamond"-Regisseur Edward Zwick hat es versucht, ist dabei aber doch arg am Kern vorbeigerauscht...
BAUERNOPFER - SPIEL DER KÖNIGE
Er gilt schon früh als eine Art Wunderkind. Schon in jungen Jahren überrascht Bobby Fischer (Tobey Maguire) seine Familie und Mitmenschen mit seinem Gespür für das Schachspielen, für unvorhergesehene Züge und enormes Denken. Er wird unter Vertrag genommen und spielt schon bald auf verschiedenen Turnieren, bis ihn der Weg zu einem direkten Duell mit dem amtierenden Weltmeister Boris Spasski (Liev Schreiber) aus Russland führt. Während sich Fischer mit ihm misst, steigt ihm jedoch die Psyche zu Kopf. Er bekommt Verfolgungswahn, eine glatte Paranoia und setzt damit alles, wofür er und seine Freunde kämpfen, einer Gefahr des Scheiterns aus...
Was ist spannend daran, zwei Männern stundenlang beim Schachspielen zuzuschauen? Diese Frage wird nicht nur im Film gestellt, während etliche Zuschauer die Weltmeisterschaft live verfolgen, sondern auch ich habe mich diesem Gedankengang gestellt... und bin zu der Überzeugung gekommen, dass eigentlich nichts daran spannend ist. Ich verstehe die Regeln des Spiels, habe es zu Kinder- und Jugendtagen selbst oft gespielt und war, wie ich glaube, gar nicht so übel. Doch um eine Wissenschaft daraus zu machen, wie es hier im Film getan wird, fehlt doch das nötige Interesse an einem Spiel welches generell doch eher als schnarchig gilt. Dies nun visuell für den Bereich des Kinos ansprechend umzusetzen, ist selbst für einen versierten Regisseur, der bereits so eindrucksvolle Filme wie "Blood Diamond" und "Last Samurai" erschaffen hat, eine enorme Herausforderung... und leider ist Edward Zwick dieser sichtlich nicht gewachsen.
Er schafft es nicht, das Spiel auf filmischer Basis irgendwie aufregend zu inszenieren, tatsächlich sitzen sich die Kontrahenten dann eben doch nur schweigend gegenüber, während nach und nach die Figuren gezogen werden, bis das Spiel entschieden ist. Visuelle Einfälle gibt es indes nicht, weswegen Zwick auf dieser Ebene schon einmal scheitert - vielleicht musste er einsehen, dass wirklich nicht jede Sportart dazu geeignet ist, den Zuschauer auch auf filmischer Basis zu packen. Wesentlich interessanter für mich (und wohl auch für den Großteil der restlichen Zuschauer, die mit Schach generell nicht allzu viel anfangen können) ist da doch das angefochtene Psychogramm, welches um den Hauptprotagonisten gemacht wird.
Bobby Fischer war im realen Leben ein höchst ungewöhnlicher Mann, der mit verschiedenen psychischen Rückschlägen zu kämpfen hatte und wie er innerhalb des Hochs seiner Karriere immer verrücktere Anweisungen stellt, damit er sich überhaupt dazu herablässt, an den Tisch zurückzukehren um das Spiel gegen den amtierenden Weltmeister (!) fortzusetzen, das hat schon eine gewisse humoristische Qualität. Leider macht der Film aber auch auf dieser Ebene zu wenig aus dem Vorhandenen. Er thematisiert den psychischen Knacks und zeichnet Bobby Fischer als höchst verlorenen, beinahe wahnhaften jungen Mann... aber es folgt keine Konsequenz. Eine Diskussion nach der anderen mit seinen Mitstreitern und Managern folgt, ein weiterer Ausraster des Protagonisten und noch eine Nachforschung, ob sich im Hoteltelefon auch wirklich keine Wanze versteckt.
Keine Frage, "The Great Gatsby"-Star Tobey Maguire verleiht der Figur einiges an Kraft und neben ihm schwingt sich auch insbesondere Peter Sarsgaard als schachspielender Priester zu nuancierten Höchstleistungen auf, doch leider funktioniert der Konflikt der Figur nicht. Er bleibt an der Oberfläche, verschwimmt immer wieder - Bobby Fischer bleibt unnahbar und somit auch irgendwie unsympathisch. Kein Kamerad, mit dem man mitfiebern will, obwohl der Regisseur gerade das oft verlangt, so heroisch, wie er ihn desöfteren ins Bild rückt. Am Ende bleibt ein recht verwaschenes Psychogramm, dem es an Kraft fehlt... und dessen historischer Rahmen für die Menschen, die nicht selbst Tag und Nacht spielen, sicherlich etwas langweilig sein könnte.
Fazit: Es wirkt ein wenig seltsam, diese pathetisch überhöhte Liebe zum Schach, wenn auf einen einzigen Zug Tränen der Begeisterung folgen. Leider setzt Regisseur Edward Zwick bis auf einen überzeugenden Tobey Maguire diesem auch eher langweilig inszenierten Sport auf der Charakter-Ebene zu wenig entgegen.
Note: 4+
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