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The Good Neighbor

Das Found-Footage-Genre ist nicht ganz tot, der Hype ist jedoch seit einiger Zeit vorbei. Nachdem die "Paranormal Activity"-Reihe mit dem fünften Hauptteil sowohl qualitativ als auch finanziell enttäuschte, wandten sich Filmemacher anderen Stilmitteln zu - bis auf "Blair Witch" gab es in den letzten Jahren nur noch wenige Vertreter der gefundenen Videotapes, die dem Zuschauer vorgaukeln sollen, dass das hier alles wirklich passiert sei. Manchmal jedoch nutzt man das Genre für eine recht clevere Vermischung mit dem "gefundenem Material" und normalen Filmaufnahmen, so geschehen bei "End of Watch" und nun auch in dem düsteren Thriller "The Good Neighbor". Das Ergebnis ist bei letzterem jedoch ein sehr durchwachsenes...

THE GOOD NEIGHBOR


Das Experiment ist ebenso einfach erklärt wie moralisch fragwürdig: Die beiden Freunde Ethan (Logan Miller) und Sean (Keir Gilchrist) wollen im Haus ihres verschrobenen, menschenverachtenden und einsam vor sich dahinsiechenden Nachbarn Harold Grainey (James Caan) etliche Kameras und Mikrofone anbringen, um anschließend mit moderner Technik den Mann glauben zu lassen, dass es in seinem Haus zu paranormalen Ereignissen kommen würde. Plötzlich zuschlagende Türen, flackerndes Licht, verschobene Gegenstände - Ethan und Sean wollen die komplette Palette des klassischen Horrors nutzen, um anschließend herauszufinden, wie ein Mensch in Wirklichkeit auf solche Phänomene reagiert. Als das Experiment startet, sehen sich die beiden Jungs jedoch bald in einer Zwickmühle, denn Grainey scheint tatsächlich etwas in seiner Einsamkeit zu verbergen...

Zu Beginn verwirrt der Wechsel zwischen "originalen" Filmaufnahmen in einem weitaus kleineren Bildausschnitt und den normalen Kino-Szenen, die im Standard-16:9 abgebildet werden, wie jedoch schon bei "End of Watch" findet man sich recht schnell in dieses Stilmittel hinein. Zu Beginn schafft es Regisseur Kasra Farahini, der sich erste Bekanntschaft mit seinem Posten als künstlerischer Leiter in der Comic-Verfilmung "Thor" verdiente, die Erwartungen des Zuschauers auf dem Prüfstand zu halten. In cleveren Abständen schneidet er zwischen Gegenwart und Zukunft hin und her, lässt eine nachträgliche Gerichtsverhandlung, die sich mit den Vorfällen beschäftigt, jedoch erst nach und nach einzelne Puzzlestücke hinzufügt, um dem Zuschauer nicht zu viel vorwegzunehmen, als Rahmen um den Hauptplot fungieren. 
Über einige wirklich nette Einzelmomente hinweg, wenn der tatsächlich etwas obskure Nachbar doch ein wenig überraschend auf die technisch versierten Vorfälle reagiert, bis hin zu dem aufgeweckten und glaubwürdigen Spiel der beiden Jungdarsteller, hat man tatsächlich Spaß... zumindest, bis sich nach einiger Zeit merkliche Resignation einstellt. Es wird schon früh klar, dass eigentlich gar nicht so viel hinter dem Mysterium des verschrobenen Nachbarn stecken kann, denn auch wenn Farahini noch so viele falsche Fährten legen will, so werden clevere Zuseher diese schon vor ihrem Verteilen aufgespürt haben. Farahini verpasst es, seiner Geschichte noch etwas Überraschendes abzugewinnen und zieht seine Spannung eher aus gewissen Einzelmomenten, die teils ein wenig an den wesentlich besseren "Disturbia" erinnern, als aus dem großen Ganzen. Das stellt sich dann nämlich gegen Ende immer mehr als recht eindeutige Luftblase heraus - zwar ist die Auflösung des Ganzen ebenso sinnig wie schlüssig, aber sie packt eben nicht wirklich, stellt eine recht unspektakuläre Variante von Altbekanntem da. 
Auch das Experiment als solches sollte man besser nicht allzu genau hinterfragen: Als wäre es nicht schon genug, dass die beiden Jugendlichen erstaunlich unreflektiert mit Einbruch und Psycho-Terror umgehen (obwohl zumindest einer von ihnen noch so etwas wie eine Moral zu haben scheint), so reagieren sogar die mitwissenden Menschen in Seans und Ethans Umfeld recht unbeeindruckt auf ein solches Geschehen. Das ist auch mit zwei zugedrückten Augen und Zuspruch für das nur deswegen einigermaßen funktionierende Handlungsgerüst noch im besten Falle unglaubwürdig... im schlechteren Falle eben einfach Mumpitz, weswegen der Film in Sachen Spannung immer wieder starke Momente bereithält, als psychologische Charakterstudie, was er offensichtlich irgendwie auch sein will, aber komplett versagt. Die beiden Jungs enden als gegensätzliche Stereotype und werden mit der Zeit in Klischees gebadet, was den Charakteren alles andere als gut tut - da ändern auch die soliden Leistungen von "Bailey"-Star Logan Miller, seinem Kompagnon Keir Gilchrist sowie Altstar James Caan, bekannt aus "Misery" und "Eraser", wenig.

Fazit: Regisseur Farahini verschleudert seine psychologisch interessante Grundidee, indem er seine Charaktere überzogen und unglaubwürdig agieren lässt, wobei das zuvor sorgsam aufgebaute Kartenhaus recht früh in sich zusammenfällt. Eine gewisse Spannung kann man dem Film in Einzelmomenten aber nicht absprechen.

Note: 4+




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