Wenn es sich um eine wahre Geschichte handelt, woraus die Filmemacher gerne die Neugier des potenziellen Publikums ziehen, wird dies auch gerne groß präsentiert, möglichst mit Texttafeln vor Filmbeginn, im Trailer oder auf den Werbeplakaten. Hier nun dachte man, dass es aber doch auch möglich wäre, dem Publikum direkt im eingedeutschten Titel vorzugaukeln, dass das alles wahr ist. Das ist es allerdings nicht: "Roman J. Israel, Esq." basiert auf dem Roman "The Verdict" von Barry Reed, zu dem es auch im Jahr 1982 bereits eine Verfilmung gab, der Plot ist also vollständig erfunden. Allerdings ist es nicht so, dass man das Gesehene auf der Leinwand, so wie es sich hier zuträgt, nicht direkt glauben würde...
ROMAN J. ISRAEL, ESQ.
Roman J. Israel (Denzel Washington) arbeitet als Partner im Hintergrund einer nicht sonderlich erfolgreich laufenden Kanzlei. Als sein Partner wegen eines Herzinfarkts ausscheidet, möchte Israel die Kanzlei alleine weiterführen, was angesichts der desaströsen Finanzen jedoch scheitert. Stattdessen bietet ihm Jack Mulligan (Colin Farrell), seinerseits herausragender Anwalt mit einer enormen Erfolgsquote, einen Job in seiner Kanzlei an, denn Isarel aufgrund Gelsorgen letztendlich ohnehin annehmen muss. Dort angekommen macht er sich mit seiner Eigenart, sich über Befehle hinwegzusetzen und dabei auch mal den ein oder anderen Fall in die Tonne zu treten, jedoch schnell Feinde und trifft schon bald eine verheerende Entscheidung...
Justiz-Thriller sind immer irgendwie spannend, kaum jemand dürfte wohl nicht wie in den Bann geschlagen dasitzen, wenn ein Anwalt schließlich sein Plädoyer hält... solange das Drehbuch gut geschrieben ist und dem jeweiligen Schauspieler dafür die starken Sätze in den Mund legt. Positive Beispiele gibt es eine Menge, unter anderem "Philadelphia", "Der Richter" oder auch der aktuell noch in den deutschen Kinos laufende "Molly's Game", der dieses Jahr gleich auch für das beste Drehbuch für den Oscar nominiert wurde. Wer einen solchen Film nun erwartet, wenn er sich in den Kinosaal setzt, um "Roman J. Israel, Esq." zu sehen, dürfte allerdings ein wenig enttäuscht werden, denn in Gerichtssälen hält sich die Geschichte kaum auf, dementsprechend sehen wir auch keinerlei Dramen oder überraschende Wendungen während einer komplexen Verhandlung.
Stattdessen widmet sich der Film, ganz typisch für ein Werk, dessen Schauspieler sich Hoffnung auf einen Hauptdarsteller-Oscar machen durfte (Washington unterlag dabei im März Gary Oldman für "Die dunkelste Stunde"), der Psychologie seines Protagonisten, der sich in einer schwierigen Lebenssituation von einer Misere in die nächste reitet und dabei von Höhen und Tiefen alles durchläuft, was für ein solches Filmdrama angemessen ist. Leider schlampt der Film nach einem vielversprechenden Beginn, während welchem sich Israel in der Berufswelt neu orientieren muss, gerade bezüglich der Charakterisierung seiner Hauptfigur. Das Buch schafft es nicht, diesen autistischen und in jeder Hinsicht schwierigen Charakter sympathisch oder zumindest interessant genug zu gestalten, damit der Zuschauer mit ihm mitfiebern kann.
Sicherlich kann man die brisanten Lagen, in welchen er sich hier zeitweise wiederfindet, verstehen und nachempfinden, allerdings trifft Israel, oftmals aus reinem Egoismus, auch so viele eklatante Fehlentscheidungen, dass man sich als Zuschauer fragt, ob er sich nicht einfach gezielt in die Scheiße reiten möchte. Mit einer komplexen Charakterstudie hat das leider wenig zu tun, häuft sich sogar noch eine ziemlich unglaubwürdige und viel Screentime fressende Liebesgeschichte auf und schafft es dennoch nicht, einen nachvollziehbaren Einblick in die Seele dieses einsamen und überforderten Menschen zu bieten.
Denzel Washington, zuvor bereits zweimal mit dem Oscar ausgezeichnet, zuletzt für den starken Cop-Thriller "Training Day", müht sich dabei redlich, überzieht manch ein Mal aber auch deutlich - er macht die Gefühle seines Charakters greifbar, insbesondere wenn sich die Schlinge um seinen Hals zuzieht, manchmal wirkt er dennoch wie eine Karikatur. Eine wesentlich überraschendere Extra-Benotung verdient sich aber "Daredevil"-Star Colin Farrell, der als gar nicht mal so einseitig gezeichneter und in Einzelszenen brillierender Top-Anwalt den Zuschauer wesentlich überzeugender bei der Hand nimmt. Insgesamt klingt das nun strenger, als es ist - in vielen Momenten ist "Roman J. Israel, Esq." sehr spannend, er hat Witz und manchmal auch Herz. Richtig rund wird das am Ende, dank einiger Längen und einer nicht immer wirklich überzeugenden Geschichte, aber nicht und bleibt somit qualitativ recht deutlich im Mittelfeld stecken. Von Regisseur Dan Gilroy sind wir also eigentlich besseres gewohnt, wie sein Erstling "Nightcrawler" 2014 eindrucksvoll unter Beweis stellte.
Fazit: Denzel Washington müht sich redlich und in einzelnen Szenen gerät der Film auch sowohl elektrisierend als auch spannend. Leider überzeugt das Psychogramm einer überforderten Hauptfigur nicht, bleibt oberflächlich und eine Art Karikatur, was Längen und eine oftmals im Kreis laufende Handlung zur Folge hat.
Note: 3-
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