Gut vier Jahre ist es her, seit ich zum ersten Mal mit dem Film "Carrie" in Berührung kam - allerdings mit dem Remake aus dem Jahr 2013, in den Hauptrollen besetzt mit Chloe Grace Moretz und der für "Still Alice" oscarprämierten Julianne Moore. Den zugrundeliegenden Roman von Stephen King hatte ich schon früher gelesen, ich kenne mich in dem Thema also aus... die Originalverfilmung aus dem Jahr 1976 habe ich jedoch nie gesehen. Es war also dringend Zeit, das endlich mal nachzuholen, gilt Brian De Palmas Horrorfilm doch als Klassiker des Genres, der die Zuschauer damals ebenso fesselte wie schockierte. Und ja, der Film funktioniert auch heute noch und zeigt auf, dass das 2013er-Remake im Grunde noch einmal ganz genau die selbe Geschichte erzählt hat.
CARRIE
Die sechzehnjährige Carrie White (Sissy Spacek) hat schwer unter dem religiösen Fanatismus ihrer Mutter Margaret (Piper Laurie) zu leiden, die ihre Tochter sowohl psychisch als auch körperlich misshandelt, um stets vor Gott Buße zu tun. Auch in der Schule wird Carrie von ihren Mitschülern, teils gar auch von den Lehrkräften, gemobbt und ausgestoßen - einzig die toughe Sportlehrerin Miss Collins (Betty Buckley) steht zu ihr und versucht, das Schlimmste zu verhindern. Als der Abschlussball naht, planen die Schülerinnen einen verhängnisvollen Streich gegenüber Carrie... der feierliche Abend wird zu einer Katastrophe.
Selbst wer noch keinen der beiden Filme kennt oder Stephen Kings Kultroman nicht gelesen hat, der dürfte die Geschichte kennen - Carrie White stieg zum Klassiker auf und gilt heute als einer der einflussreichsten, besten und spannendsten Horrorfilme aller Zeiten... und tatsächlich ist er das noch heute. Brian De Palma, der genau zwanzig Jahre mit "Mission: Impossible" erneut einen der spannendsten Filme aller Zeiten in einem völlig anderen Genre ablieferte, beweist hier sein kongeniales Gespür dafür, den Zuschauer im positiven Sinne Nerven zu kosten.
Bis heute gilt die Szene, in welcher sich der blutgetränkte Eimer auf der Bühnendecke bedrohlich senkt und über quälend lange Sekunden, gar Minuten noch nicht kippen will, als perfektes Pendant für einen konsequenten und herausragenden Spannungsaufbau - selbst wenn man wie ich als Kenner des Romans und Remakes bereits weiß, wie die Geschichte weiter- und ausgeht (viele Menschen dürften angesichts des zum Kult aufgestiegenen Showdowns wohl ohnehin wissen, wie der Hase läuft), fiebert man angesichts der grandiosen Inszenierung de Palmas mit und möchte sich am liebsten in die Sofalehne krallen. Das Finale, über das so ziemlich jeder gesprochen hat, enttäuscht dann aus heutiger Sicht ein wenig, ist zu kurz, dafür aber intensiv inszeniert - generell lässt "Carrie" im letzten Drittel tatsächlich ein wenig Federn, wenn nach dem heimlichen Highlight eben noch einige Konflikte ausgetragen werden müssen, die das Tempo gegen Ende noch mal deutlich runternehmen lassen.
Zuvor beweist de Palma aber, dass er sich in drei gegensätzlichen Genres zuhause fühlt: Den Alltag in einer Highschool, inklusive leicht hektischer Abschlussball-Vorbereitungen, hat er komödiantisch auch für das Alter des Films hervorragend im Griff und erreicht immer wieder kleine Lacher. Auch in Sachen Horror gelingen ihm einige wunderbare Schocks und ein intensives Finale, bei dem (im Gegensatz zu dem in dieser Hinsicht auch nicht gerade zimperlichen, in entscheidenden Momenten aber "braveren" Remake) dann auch einige ziemlich herbe Konsequenzen gezogen werden.
Was "Carrie" jedoch in vielerlei Hinsicht auch ist und das sogar mehr als der Horrorfilm, zu dem er erst im letzten Drittel voll und ganz wird, ist ein sensibles Drama über ein einsames, vollkommen verängstigtes und verwirrtes Mädchen. De Palma entwickelt ein sensibles Gespür für die Gefühle eines verstörten Teenagers, nimmt sich Zeit, um in ihre Seele einzutauchen und kann dabei einige Szenen von leiser und gerade deswegen so kraftvoller Emotion entwickeln. Das tut stellenweise ziemlich weh und schockiert auch heute noch immer so wie damals... da solcherlei Geschichten eben auch heute noch aktuell sind. Dies dürfte einer der Gründe sein, warum das beinahe vollkommen gleich ablaufende Remake genauso gut funktioniert, obwohl es gar in unserer heutigen Zeit angesiedelt ist. Wer den einen Film gesehen hat, muss also nicht zwingend den anderen sehen - lohnen tun sich allerdings beide und das Original hat dabei natürlich noch den Klassiker-Status anzubieten, der ihm auch nicht mehr genommen werden wird. Erwähnen muss man an dieser Stelle natürlich auch Sissy Spacek, die in der Titelrolle wahrhaft Feuer entfaltet, ohne dabei zu überziehen und eine für dieses Genre gnadenlos gute Darstellung abliefert.
Fazit: Intensiver Mix aus Horror und Drama mit einer grandiosen Hauptdarstellerin. Brian de Palmas Inszenierung ist ebenso schweißtreibend spannend wie sensibel und gefühlvoll, er nimmt sich Zeit für seine Figuren und leitet dann in einen kultigen, intensiven Showdown über.
Note: 2-
Kommentare
Kommentar veröffentlichen