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Strange Darling

Aus dem Geäst eines Waldes bricht eine junge Frau (Willa Fitzgerald) hervor. Ein mit einer Schrotflinte bewaffneter Mann (Kyle Gallner) ist ihr dicht auf den Fersen. Die Flucht geht schließlich mit einem Fahrzeug weiter, der Mann rast der Frau mit einem Truck hinterher. Für einen Moment kann die Frau nach einem verheerenden Unfall aus dem Blickfeld ihres Verfolgers entschwinden. Ihr Weg führt sie zu einer entlegenen Hütte mitten im Wald, wo ein freundliches Hippie-Ehepaar (Barbara Hershey & Ed Begley Jr.) ihr Einlass gewähren. Der Mann scheint ihr weiterhin dicht auf den Fersen zu sein, die Frau ist schier wahnsinnig vor Angst. Als das alte Ehepaar die Polizei verständigen möchte, beginnt die Situation zu eskalieren.

Den Stil eines Quentin Tarantino zu kopieren, ist selten eine gute Idee. Denn wer könnte dem Meister des Films himself schon das Wasser reichen? Einer ist hier aber ganz nah dran und hat zumindest die optische und stilistische Brillanz eines Tarantino so verinnerlicht, dass allein der Look dieses kleinen, aber sehr feinen Thrillers ganz wunderbar daherkommt: Regisseur J.T. Mollner musste mit der Vollendung von "Strange Darling" einen ewigen Kampf gegen Windmühlen vollbringen und konnte sich und seine Version letztendlich gegen unwissende Produzenten, die das Ding umschneiden und die Hauptdarstellerin ersetzen wollten, durchsetzen. Man möchte sich kaum ausmalen, was für ein mainstreamiges Event daraus geworden wäre, wenn Mollner nicht die Kontrolle behalten hätte. Denn das hier ist nicht weniger als ein echter Mindfuck, durchgehend hochspannend, stilistisch ungemein bereichernd und gerade in seiner nicht-chronologischen Erzählweise, die nur am Anfang willkürlich wirkt und später immer mehr dramaturgischen Sinn ergibt, wahnsinnig packend.
Dass wir es hier nicht bloß mit einem normalen Thriller zu tun haben, wird nach einiger Zeit klar, wenn das Drehbuch nach dem Beginn, der quasi mitten im Film angesiedelt ist, ein wenig zurückrudert, um die Ausgangssituation klar zu machen. Das in sechs Kapitel unterteilte Werk springt dabei munter vor und zurück, um uns gewisse Erklärungen und Wendungen nicht gleich vorwegzunehmen. So gelingt es "Strange Darling", immer wieder überraschende und auch bitterböse Haken zu schlagen, die alsbald weg vom lupenreinen Slasher und hin zu einem beinharten Thriller führen, der (sofern man den Gerüchten glauben mag) sogar eine überdramatisierte Version wahrer Ereignisse sein soll. Bis zum allerletzten Bild, welches sich tief ins Gedächtnis des Publikums einbrennen wird, bleibt der Film praktisch unvorhersehbar, überrascht immer wieder und wirft das zuvor Gesehene nicht zwingend im Minutentakt, aber stets zu passenden Augenblicken vollkommen um. Einzig die langen und gestelzten Dialoge konnte Mollner nicht von seinem Vorbild kopieren - die wenigen Momente, in denen er dies versucht, kommen leider nicht sonderlich erhellend daher.
Der Film könnte jedoch ohne seine brillante Hauptdarstellerin kaum funktionieren, weswegen es umso mehr überrascht, dass ausgerechnet sie den Produzenten aufgrund ihrer "unzureichenden Leistung" ein Dorn im Auge gewesen sein soll. Doch "House of Cards"-Star Willa Fitzgerald kann sich mit dieser ungemein brachialen, schockierenden und wilden Performance bereits jetzt in eine Reihe mit unkonventionellen Scream Queens wie Mia Goth in "X" oder Florence Pugh in "Midsommar" stellen, wobei sie in jedem Moment schier die Leinwand auffrisst und dennoch durchweg wahnsinnig glaubwürdig bleibt. Man wünscht sich nur hin und wieder, dass man etwas mehr über die Figuren erfahren könnte, denn gerade Fitzgeralds namenlose, weibliche Hauptfigur hätte ein Paradebeispiel für mehr spannenden Background hergegeben. Allerdings hätte darunter womöglich auch die in diesem Film so wichtige Erzählstruktur gelitten, weswegen die geradezu geheimnisvoll auftretenden Figuren so bereits einen klaren Zweck erfüllen. Emotional involviert bleibt man jedoch trotzdem, auch ohne die Charaktere über relativ klare Seiten hinaus kennenzulernen, denn dafür ist der ganze Plot einfach zu trickreich, zu böse, zu clever.

Fazit: "Strange Darling" ist ein cleveres Biest von einem Film, ungemein überraschend, herrlich böse und hochspannend. Obwohl man über die Figuren zu wenig erfährt, ist dieser hochgemeine Thriller ein Paradebeispiel für eine in diesem Fall wichtige, nicht-chronologische Erzählstruktur und einen ausgefeilten Inszenierungsstil, der einen förmlich in den Film hineinzieht.

Note: 2-



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